Klosterneuburg – Heimische Forscher haben einen Mechanismus entdeckt, der gleichsam als Gedächtnis-Platzanweiser im Gehirn fungiert. Gelungen ist den Wissenschaftern vom Institute of Science and Technology (IST) Austria, indem sie bei schlafenden Ratten das Wiederholen von Erinnerungen gezielt unterbanden. Die derart behandelten Tiere hatten die Information zwar im Hippocampus gespeichert, es haperte jedoch beim Abrufen selbiger.

Ratten auf dem Käsebrett

In der Untersuchung ließ das Team um Jozsef Csicsvari Ratten auf sogenannten "Cheeseboards" nach Belohnungen suchen. Dabei handelt es sich um eine Art Brett mit Löchern, dessen Name von bekannt löchrigen Emmentaler-Käse abgeleitet ist. In jeweils einer der Ausnehmungen auf den zwei Scheiben – "Cheeseboard A" und "Cheeseboard B" genannt – versteckten die Wissenschafter Futter. Die Versuchtstiere lernten daraufhin, wo sich die Belohnungen befinden.

Die Langzeitbelichtung zeigt ein Erinnerungsexperiment in einem Cheeseboard-Labyrinth.
Foto: IST Austria – Csicsvari Gruppe

Auf der Ebene der Nervenzellen lässt sich dieser Lernprozess an Platzzellen im Hippocampus der Ratten ablesen, also jenem Gehirnteil, der eine wichtige Rolle für das Gedächtnis spielt. Diese feuern dann eifrig, wenn sich das Tier an jenem Ort befindet, wo das Futter erfahrungsgemäß ist. Das Team um Csicsvari zeigte in früheren Studien bereits, dass die Aktivierung dieser speziellen Platzzellen-Kombinationen auch im Schlaf wiederholt wird.

Im Schlaf wiederholt

Was passiert, wenn dieser "Replay" genannte Prozess gezielt sabotiert wird, haben die Wissenschafter nun untersucht: Dazu hat der Erstautor der im Fachjournal "Neuron" erschienenen Studie, Igor Gridchyn, eine Methode entwickelt, mit der sich sehr rasch berechnen lässt, welche Nervenzellen der Ratte im Schlaf gerade aktiv sind. Das machte sich das Team zunutze, um genau zu registrieren, wann das schlafende Tier die Erinnerung an die beiden "Cheeseboards" wiederholte. Entsprach das Erregungsmuster dem Weg zur Belohnung in Versuchsaufbau A unterbanden die Forscher diesen Vorgang, in dem die beteiligten Neurone durch Lichtstrahlen am Feuern gehindert wurden.

Tatsächlich taten sich die Ratten nach dem Erwachen auf "Cheeseboard B" deutlich leichter. Auf Brett A fanden die Ratten hingegen "die Verstecke nicht so schnell, wenn wir den Replay während des Schlafs störten, sie konnten sich also schlechter an die Position der Verstecke erinnern. Mit unserer Methode konnten wir beeinflussen, welche Erinnerungen das Tier abrufen kann", so Csicsvari.

Während Ratten schlafen, festigt die Gehirnregion des Hippocampus Erinnerungen durch ein Wiederholen der neuronalen Aktivität. Durch selektives Stören dieser Wiederholung konnten die Neurowissenschafter zeigen, dass der Hippocampus als Bibliothekar fungiert.
Grafik: IST Austria – Csicsvari group

Wieder auf Nervenzell-Ebene umgelegt heißt das, dass nach der Manipulation während des Schlafes beim Suchen und Finden auf Brett B jene Platzzellen-Kombination aktiv war, die dem Tier den Weg zum Futter wies. Auf "Cheeseboard A" blieben die während des Lernens ursprünglich feuernden Zellen jedoch stumm. Wurde die Ratte nach längerem Suchen wieder an gleicher Stelle wie vor dem Schlaf fündig, war auch just die gleiche Neuronen-Kombination wieder aktiv, die am Wiederholen gehindert wurde. Auf andere Gedächtnisinhalte hatte die nächtliche Intervention der Wissenschafter keine Auswirkungen.

Bibliothekar für Erinnerungen

Dass das gleiche Platzzellen-Muster reaktiviert wurde, wertet Csicsvari als Hinweis dafür, dass "die Störung des Replay nicht die Kodierung der Erinnerung selbst löscht". Vielmehr sehe es so aus, als ob das Abrufen der richtigen Erinnerung unterbunden wird. Damit dürfte die Funktion des "Replay" nicht primär darin liegen, das Gelernte selbst zu verfestigen, "stattdessen hilft es dabei, beim Abrufen einer Erinnerung jene neuronale Aktivität auszuwählen, die diese kodiert", so der Wissenschafter: "Das heißt, es existiert nicht nur ein Prozess, um die Erinnerung abzuspeichern, sondern auch ein Bibliothekar dazu, der sich merkt, wo sich die Erinnerung befindet. Der Hippocampus ist dieser Bibliothekar." (red, APA, 27.2.2020)