Die Lage der Schutzsuchenden an den Grenzen der EU hat sich über den Winter verschärft. Das gilt vor allem für Griechenland, wo die Insellager von Menschen überquellen, die Kälte, Regen und Aussichtslosigkeit ausgeliefert sind, wo Kinder erfrieren und Suizidversuche an der Tagesordnung sind. Auch im Bürgerkriegsland Libyen stecken – politische Verhandlungen hin oder her – nach wie vor abertausende Menschen zwischen den Fronten fest, viele von ihnen in illegalen Camps krimineller Gruppen, wo sie ausgehungert und gefoltert werden.

Wie lautet die Antwort Europas auf dieses humanitäre und flüchtlingspolitische Fiasko? Im Meer vor Libyen wird die gegen Schlepper gerichtete, aber aus rechtlichen Gründen auch der Menschenrettung mitverpflichtete Mission Sophia beendet. Österreich und Italien forderten das vehement. Eine neue Mission, um das Waffenembargo gegen Libyen zu überwachen, soll das Bergen von Bootsflüchtlingen sein lassen, wenn mehr Boote nachkommen. Ungelöst bleibt die Frage, ob und wo Gerettete in der EU an Land gehen können.

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Das Migrantenlager von Moria auf Lesbos.
Foto: REUTERS/Elias Marcou

In Griechenland wiederum übt sich die Regierung in Plänen für schwimmende Barrieren gegen Neuankömmlinge: ein letztlich wohl nicht realisierbares Ablenkungsmanöver gegen den Unmut der Inselbevölkerung, die mit dem Elend der Migranten direkt konfrontiert ist.

Unzulängliches Asylsystem

Es ist dies ein Elend, das auf der Unterlassung rechtzeitiger Maßnahmen fußt. Fünf Jahre ist es her, dass sich Hunderttausende über den Balkan auf den Weg in die EU gemacht haben. Der politische Missbrauch der Fluchtbewegung stärkte Rechte in ganz Europa – der Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei beendete ihn fürs Erste. Wirkliche Verbesserungen für Flüchtende und Europäer hätte er aber nur gebracht, wenn auch Griechenland mit seinem unzulänglichen Asylsystem wirksame Hilfe zugekommen wäre.

Geschehen ist das nicht. Zwar wurden nach Athen seit 2015 rund 2,2 Milliarden Euro zur Bewältigung des Migrationsproblems geschickt. Doch als sich zeigte, dass von Meistern keine Rede sein kann, sah man weg. Auch jetzt, wo die Nichtabwicklung der Asylverfahren in Griechenland den Stau auf den Inseln verstärkt, bleibt man in Brüssel dabei: Griechenland sei für Verbesserungen verantwortlich, sagte der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic.

Das aber ist höchst kurzsichtig gedacht: Um zu verhindern, dass sich bald wieder viele Flüchtlinge ohne Schutzstatus, die man aus Platzmangel aufs griechische Festland übersiedeln muss, auf den Weg nach Mittel- und Westeuropa machen, bräuchte es jetzt, in diesen Wochen, konkrete Zusagen an den EU-Grenzstaat: Wer schickt asylrechtlich geschultes Personal, um die Verfahren abzuwickeln? Welches EU-Land ist bereit, Flüchtlinge aus Griechenland zu übernehmen? Wann? Wie viele? Voraussetzung dafür wären politischer Mut und Leadership – nicht zuletzt, um Rechten à la Viktor Orbán das Wasser abzugraben. Diese nämlich könnten heute EU-weit aus einer viel etablierteren Position als 2015 gegen eine neue "Flüchtlingskrise" hetzen. (Irene Brickner, 19.2.2020)