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18 Damen und vor allem Herren werden in gut einem Jahr den nächsten Chef oder die nächste Chefin von Österreichs umsatz- und reichweitenstärkstem Medienkonzern bestimmen. In den nächsten Wochen wird die Regierung von ÖVP und Grünen zusammen mit dem ORF-Betriebsrat dafür sorgen, dass es für diese Mehrheit im ORF-Stiftungsrat nur eine Farbe braucht: Türkis. Dazu passt eine Riege bürgerlicher Hoffnungsträger für das nächste ORF-Management.

Bis zur nächsten Sitzung des obersten ORF-Entscheidungsgremiums am 19. März will die Regierung ihre neun Mandate dort besetzt haben. In den Koalitionsverhandlungen haben ÖVP und Grüne vereinbart, dass die ÖVP einen Stiftungsrat mehr als bisher bekommt. Und damit hält die schon heute stärkste Fraktion im Stiftungsrat bei 16 Mandaten.

  • Update: Lothar Lockl, Strategieberater und früherer Wahlkampfmanager von Alexander Van der Bellen, soll nach unbestätigten ersten STANDARD-Infos nun doch in den Stiftungsrat einziehen. Mehr zur möglichen ORF-Funktion Lockls hier.

Alle 35 Stiftungsräte des ORF sind vom Gesetz nur diesem öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen verpflichtet und müssen unabhängig auch von den entsendenden Stellen agieren – also von Regierung, Parteien, Bundesländern, vom ORF-Publikumsrat, den der Kanzler mehrheitlich besetzt, Politiker und Parteiangestellte dürfen – bis zu vier Jahre nach ihrer politischen Tätigkeit – nicht in den Stiftungsrat. Dennoch gibt es sogenannte "Freundeskreise" der Parteien, die sich vor Sitzungen (und vor allem ORF-Führungsentscheidungen) abstimmen.

Unabhängig bürgerlich

Alfred Trendl nimmt nach eigenem Bekunden nicht an diesen Sitzungen teil. Der Präsident des Katholischen Familienverbands sitzt auf dem "Unabhängigen"-Mandat der Bundesregierung. Er dürfte dennoch den Bürgerlichen zuzurechnen sein – womöglich auch bei Entscheidungen über die ORF-Führung. Künftig soll es zwei "Unabhängige" auf Regierungsmandaten geben.

Bei den ORF-Zentralbetriebsratswahlen gewann die unabhängige Liste von Radio-Betriebsrätin Gudrun Stindl und Marianne Schüttner (Finanzdirektion) vorigen Freitag ein Mandat dazu. Und damit voraussichtlich auch ein zweites Betriebsratsmandat im ORF-Stiftungsrat. Stindl und Schüttner werden intern dem bürgerlichen Lager zugerechnet. 2016 enthielt sich Stindl, als der Stiftungsrat über den Sozialdemokraten Alexander Wrabetz und den bürgerlichen Kandidaten Richard Grasl abstimmte. Wrabetz wurde – bis Ende 2021 – bestellt. Grasl ist vorerst Mitglied der Kurier-Chefredaktion.

Für die Bestellung der nächsten ORF-Führung im kommenden Jahr gibt es noch viel mehr bürgerliches Potenzial auf dem Küniglberg: ORF-1-Chefin Lisa Totzauer etwa ließ schon Ambitionen auf das ORF-Management erkennen. Alexander Hofer, Channel-Manager von ORF 2, könnte mit 2022 mehr werden, auch Roland Weissmann. Der TV-Finanzchef wird auch als Wrabetz' Kandidat für die Geschäftsführung der geplanten Streamingplattform ORF-Player gehandelt. Presse-Chefredakteur Rainer Nowak wurde in den vergangenen Jahren immer wieder als Hoffnungsträger für den Küniglberg gehandelt.

Grüne Wirtschaft

Einer der Parteigründer der Grünen ist längst im Management des ORF und sammelt Funktionen und Positionen: Pius Strobl leitet das 300 Millionen Euro schwere Sanierungs- und Bauprojekt ORF-Zentrum, Sicherheit im ORF, Facility-Management und inzwischen auch die Sozialaktivitäten des öffentlichen Rundfunks. Strobl wird Ende Juni 2021 65, das Bauprojekt soll 2022 abgeschlossen sein.

Als grüne Möglichkeit für das ORF-Direktorium wird Martin Radjaby-Rasset gehandelt. Der Marken- und Kommunikationschef der Erste Bank hat bei Ö3 begonnen, er verantwortete bei Jung von Matt Kampagnen der Grünen, etwa für Alexander Van der Bellen.

Im Stiftungsrat dürften die Grünen künftig drei Sitze haben – ein Parteimandat und zwei Regierungsmandate. Die frühere grüne Gemeinderätin Marie Ringler saß 2017 schon für die Grünen im ORF-Rat, sie leitet Ashoka Europa, ein Netzwerk, das soziale Unternehmen unterstützt. Als grüner Ratskandidat gilt auch Musikexperte Georg Tomandl (Fachverband Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer). (Harald Fidler, 19.2.2020)