Begonnen hat Michael Ludwig seine programmatische Rede zur Stadt, "Entschlossen für Wien", mit einer Flunkerei – auf Wienerisch: mit einem Schmäh, und zwar einem gewaltigen. Er halte hier "keine Wahlkampfrede", behauptete der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Spitzenkandidat – und tat dann eine Stunde lang genau das Gegenteil, freilich ohne den von ihm angepeilten genauen Wahltermin zu verraten. Auch dafür gibt es ein schönes, wienerisch-jüdisches Wort: Chuzpe. Seine Zuhörer, sorgfältig ausgewählte Repräsentanten der Stadt, zumeist ältere Semester, sahen ihm dieselbe wohl gerne nach. Denn was nach dieser Einleitung folgte, war, aus sozialdemokratischer Sicht, ein warmer roter Regen aus Milch und Honig.

Quasi im Minutentakt gab Ludwig Garantien ab: einen garantierten Pflegeplatz für jeden Wiener und jede Wienerin, 36 neue Primärversorgungszentren, 16 neue medizinische Schwerpunktzentren, eine schnelle Eingreiftruppe für Ordnung und Sauberkeit in der Stadt, eine Lehrstellengarantie – und nach dem Gratiskindergarten nun auch die Gratisganztagsschule. Es war ein wahres Füllhorn an sozialdemokratischen Wahlzuckerln, das Ludwig über Wiens Bevölkerung zu leeren gedenkt.

Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wie das alles bezahlt werden soll? Flugs hatte Ludwig eine Beruhigungspille für Journalisten parat: "Keine Sorge, wir haben das alles durchgerechnet." Die Zukunft wird wohl weisen, wie genau diese Rechnung war.

Jedenfalls merkte man Dienstagmittag in der schicken Innenstadt-Location K47, wo Ludwig seine Rede mit Blick auf die Stadt hielt, dass der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Spitzenkandidat seine Wahlkampflektion bei den Kollegen in den Bundesländern gelernt hat. "Nur keine Experimente", lautet die Devise, lieber auf Nummer sicher gehen. Die sozialdemokratische Basis, die Kernwähler müssen bei der Stange bleiben. Sie müssen an "ihre" Partei glauben, der Rest ergibt sich dann hoffentlich.

Brückenschlag

Erst hatte Peter Kaiser die Kärntner Landtagswahl mit einem prononciert sozialdemokratischen Programm gewonnen, das auf soziale Absicherung und Zusammenhalt setzte. Vor kurzem erreichte Hans Peter Doskozil im Burgenland mit Mindestlohn und "Sicherheit" die absolute Mehrheit. Das alles und noch mehr will nun auch Ludwig für Wien: Er sieht seine Stadtregierung selbstbewusst in der stolzen Tradition der Wiener Sozialdemokraten der Ersten Republik und schlägt die Brücke zu heutigem sozialem Wohnbau, zu sozialem Zusammenhalt und Klimaschutz.

Auffällig war dabei, dass Ludwig das Fischen im rechten Wählerteich zumindest vorerst unterließ. Er, der vor seiner Kür zum Nachfolger Michael Häupls als Rechtsverbinder in der Wiener SPÖ galt, sprach das Thema Migration nicht einmal an. Die Integrationsprobleme von Migranten der dritten Generation, die in Wien signifikant sind, erwähnte Ludwig mit keinem Wort. Im Gegenteil: Er pries Wiens Vorteil, das "jüngste Bundesland" zu sein – ohne zu erwähnen, dass dies dem starken Zuzug geschuldet ist.

Tatsächlich ist die Gratisganztagsschule ein guter Baustein für mehr Integration, ebenso wie mehr Investitionen in Bildung und leistbares Wohnen. Ludwig verspricht vielen sehr viel. Ob er es halten kann, wird sich spätestens im Herbst zeigen. Danach bleibt immer noch die Frage, ob das alles auch das Wiener Budget aushält. (Petra Stuiber, 18.2.2020)