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Auf heftigen Schneefall sollte in Zürich hoffen, wer Fondue authentisch genießen will.

Foto: Getty Images/alexsl

Nie im Leben würde ein Schweizer das Nationalgericht bei Schönwetter anrühren.

Foto: Zürich Tourism / Elisabeth Real

Gut eineinhalb Stunden dauert die Tour im mit Plastikblumen dekorierten Tuk-Tuk durch Zürichs Innenstadt.

Foto: Evelyn Merkli

Selbst in Gondeln wird Fondue serviert.

Foto: Touristische Unternehmung Graechen

In Adelboden gibt es zudem ein Fondue-Iglu auf der Engstligenalp.

Foto: Tourismus Adelboden

"Da, siehst du das Zügli? Das ist die 1889 gebaute Polybahn, die faule Studenten vom Platz Central raufbringt zur Universität." Attila schreit gegen Wind und Schnee an, während er das Tuk-Tuk die Straße entlanglenkt. Wir haben gut lachen, lassen uns ja selbst faul und in Decken gehüllt durch die Stadt kutschieren. Noch dazu tunken wir Weißbrot in einen Caquelon genannten Keramiktopf und spülen alles mit lokalem Weißwein runter.

Dampfende Köstlichkeit

Gut eineinhalb Stunden dauert die Tour im mit Plastikblumen dekorierten Tuk-Tuk durch Zürichs Innenstadt. Sehnsüchtig schweift der Blick die Limmat entlang, jenen Fluss, der sich im Sommer in eine öffentliche Badewanne verwandelt. Statt über Bikinifiguren nachzudenken, freut sich der Jännertourist über die Hüftgold versprechende, dampfende Köstlichkeit vor ihm.

"Kein Schweizer käme auf die Idee, im Sommer ein Käsefondue zu essen, das machen nur Touristen", erklärt unser Guide, ein ursprünglich aus Ankara stammender, offenbar vorbildlich integrierter Mann um die vierzig mit kunstvoll gezwirbeltem Schnauzbart. Kurz zuvor hat er haltgemacht vor dem Traditionslokal Walliser Keller, um dort unseren Proviant abzuholen: eine Holzschale voll leicht trockener Weißbrotwürfel, eine Flasche Riesling-Silvaner und einen Topf voll flüssigem Käse, der dank eines im Tuk-Tuk integrierten Rechauds auch während der Fahrt flüssig bleibt.

Kuscheln mit See und Berg

Zürich ist zwar nicht die Hauptstadt, aber das wirtschaftliche Zentrum der Schweiz. Wie ein müder Wintersportler an den Kamin, so kuschelt sich die Stadt an den Zürich- und den Uetliberg, mit gemütlichem Blick auf den Zürichsee und die Schweizer Alpen. Insbesondere der mittelalterliche Stadtkern wirkt so herausgeputzt und blitzsauber, wie sich japanische Touristen das ganze Land vorstellen. Dass alles so gut erhalten ist, liegt daran, dass sich die Schweiz immer gerne aus Schwierigkeiten rausgehalten hat, aus Weltkriegen zum Beispiel. Da ist die Froschaugasse, einst das Epizentrum jüdischen Lebens, und die ETH Zürich mit ihren insgesamt 26 Nobelpreisen. Nur wenige Tuk-Tuk-Längen entfernt erinnert die Schwulenbar Barfüsser daran, dass die 400.000-Einwohner-Stadt keineswegs so spießig ist, wie manche vermuten.

Weiter geht die Fahrt durch die Bahnhofsstraße, die drittteuerste Einkaufsmeile weltweit, vorbei am legendären Café Odeon und der Kronenhalle, einer Restaurantinstitution mit Fotoverbot und echten Chagalls. Mit deren Gästen würden wir gerade nicht tauschen wollen, so tröstlich schmilzt der mit Kirschwasser, Knoblauch und Weißwein verfeinerte Käse am Gaumen in unserem Tuk-Tuk.

Zürich hat es schriftlich

Bereits im 13. Jahrhundert kam jemand auf die grandiose Idee, altes Brot in heißen Käse zu tunken. Sowohl die Schweiz als auch das Piemont und Savoyen erheben Anspruch darauf, dabei stammt das erste schriftliche Rezept von der Zürcherin Anna Maria Gessner. Wirklich verbreitet hat sich das Gericht erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Heiligen Abend gibt es in vielen Familien Fleischfondue, ansonsten stehen die kalten Monate mehrheitlich im Zeichen des Käses. Seine beliebteste Darreichungsform wird bald in den internationalen Smartphonekanon aufgenommen: Im Herbst 2020 kommt das Fondue-Emoji.

Ob das Schweizer Nationalgericht auch ohne fahrbaren Untersatz schmeckt? Eine zweite Kostprobe führt in die unweit des Paradeplatzes gelegene Milchbar. Inzwischen hat es aufgehört zu schneien, und so sitzen wir, auf Schaffellen und in Decken gehüllt, in einer auf einen Innenhof zuführenden Arkade. Über uns glitzern enzianblaue Lichterketten, der Blick geht auf einen von Zürichs rund 1.200 Trinkwasserbrunnen.

Zweiter Magen

Hundert Kilo Käsefondue verkauft die Milchbar in den beiden stärksten Monaten November und Dezember. Den Käse bezieht sie von der Sennerei Maran in Arosa. Dieses Fondue ist ein moitié-moitié, besteht also zur Hälfte aus Vacherin und Greyerzer. Es kommt mit Erdäpfeln, Sauerteig- statt Weißbrot sowie eingelegten Gurken und Perlzwiebeln. Zu trinken gibt es Weißwein und Tee. Den Schnaps können wir uns sparen, schließlich ist er nur dann fällig, wenn jemandem ein Stück Brot in den Topf fällt. "À discretion", steht auf der Karte, die hiesige Entsprechung des "All you can eat".

Offenbar haben Schweizer für ihre Nationalspeise einen zweiten Magen, ist doch bereits die vor uns stehende Portion kaum zu bewältigen. Schade, denn so entgeht uns die köstliche Kruste am Topfboden, die im regionalen Dialekt Großmutter heißt. Mehr als gut gesättigt treten wir den Heimweg an, wieder durch Zürichs geschniegelte Innenstadt, die jetzt, am frühen Freitagabend, überraschend still ist. Kurz denken wir an die lauffaulen Studenten in der Polybahn – und können sie gut verstehen. (Eva Biringer, 23.2.2020)

Wo in Zürich gibt es gutes Fondue?

Tuk-Tuk mit Fondueplausch: Das erste offizielle Fondue-Tuk-Tuk fährt mit Elektroantrieb und einem redseligen Guide. Im Preis von 258 Franken (rund 245 Euro) für zwei Personen und 396 Franken für vier Personen inbegriffen ist neben dem Käsefondue auch eine Flasche Wein. zuerich.com/de/besuchen/touren-ausfluege/fondue-etuktuk

Milchbar: Kaffee, Kuchen, kleine Gerichte und jeden Sonntag Champagnerbrunch. Das Käsefondue gibt es das ganze Jahr über für 33 Franken pro Person. Kappelergasse 16, 8001 Zürich; milchbar.ch/de/restaurant

Fonduetram: Von November bis Februar in der historischen Tram ein Dreigängemenü genießen, Käsefondue inklusive. 95 Franken, für Kinder bis zwölf Jahre 48 Franken. Info: stadt-zuerich.ch/ vbz/de/index/freizeit_events/genusslinie.html

Frau Gerolds Garten: Dieses liebevoll dekorierte Areal an der Grenze zum sehenswerten Stadtteil Züri West lohnt ganzjährig einen Besuch. Von Oktober bis März wird am Kamin des temporär installierten Holzpavillons Fondue serviert. Geroldstrasse 23/23a, 8005 Zürich; fraugerold.ch/gastronomie-winter

Gmüetliberg: Restaurant am Ütliberg. Wahre Fondueliebe kennt keine Jahreszeiten. Im Frühjahr kommt hier Bärlauchfondue auf den Tisch, im Sommer eines mit Tomaten. Gratstrasse, 8143 Zürich; gmuetliberg.ch/de/restaurant/fondue

Degenried: Hüttenzauber, nur wenige Kilometer von Zürichs Stadtzentrum entfernt. Bereits seit 1888 wird hier gutbürgerlich aufgetischt. Degenriedstrasse 135, 8032 Zürich; degenried.ch

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