Chinesische Behörden sind verärgert über einen Meinungsbeitrag zum Corona-Virus des Kolumnisten Walter Russell Mead im "Wall Street Journal".

Foto: epa, ALEX PLAVEVSKI

Wer in China als ausländischer Journalist arbeitet, bekommt früher oder später die Frage gestellt: "Bist Du ein Spion?". Junge Leute fragen dies halb im Spaß, ältere meinen es eher ernst. Es spiegelt die landläufige Meinung wider, die von der Politik genährt wird: Ausländische Berichterstatter sind am Ende doch nichts anderes als Agenten.

Nach wie vor ist es ein bürokratisch aufwendiger Prozess, ein Journalistenvisum zu bekommen. Jedes Jahr muss es erneuert werden, und ob es erteilt wird, hängt nicht zuletzt von der Art Berichterstattung ab. Doch in den vergangenen Jahren war zumindest eine Art Entspannung zu spüren.

Akkreditierung entzogen

Nun hat Peking drei Korrespondenten des amerikanischen Wallstreet Journals die Akkreditierung entzogen. Der stellvertretende Büroleiter Josh Chin sowie die Reporter Chao Deng und Philip Wen müssen innerhalb der kommenden fünf Tage das Land verlassen.

Der Vorgang ist in seiner Heftigkeit einmalig. Zwar war es in der Vergangenheit immer wieder mal zum Entzug von Akkreditierungen gekommen; dass es drei Korrespondenten auf einmal trifft, aber ist neu. Als Grund nannte Peking eine Kolumne, welche den Titel "The Sick Man of Asia" trug – Inhalt war Pekings Umgang mit der COVID19-Krise. Der Sprecher des Außenministeriums, Geng Shuang, bezeichnete die Kolumne als "rassistisch".

Historisches Trauma

Der Titel mag tatsächlich unsensibel gewählt sein, erinnert er doch an die koloniale Vergangenheit. Im ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhundert, wurde das Kaiserreich immer wieder als "Dongya Bingfu", als "kranker Mann Asiens" bezeichnet. In dieser Zeit wurde Peking mehrfach von kolonialen Mächten zur Unterzeichnung demütigender Verträge gezwungen. Von der kommunistischen Führung in Peking wird diese Epoche der Geschichte immer wieder als "traumatisch" bezeichnet. Die Partei zieht auch einen Teil ihrer Legitimation daraus, das koloniale Joch vollends abgeschüttelt zu haben.

Allerdings: Überschriften, das weiß man auch im Propaganda-Ministerium in Peking, werden nicht von Korrespondenten, sondern von der Redaktion gemacht. Und auch wenn sich der Journalist eine historisch unbelastetere Überschrift hätte ausdenken können, rechtfertigt dies nicht den Entzug der Akkreditierung von gleich drei Korrespondenten.

USA gehen gegen chinesische Medien vor

Der wahre Grund dürfte deswegen auch ein anderer sein: Das amerikanische State Department teilte am Dienstag mit, es werde in Zukunft die chinesischen Medien Xinhua, CGTN, China Radio, China Daily sowie The People’s Daily ähnliche wie Botschaften als Organe der chinesischen Regierung behandeln. Dies erfordert genauere Angaben über Umsatz, persönliche Details und Anzahl der Mitarbeiter.

Der Schritt war bereits seit Jahren diskutiert worden. Im Zuge der sich verschärfenden Spannungen zwischen beiden Ländern kam es nun auch dazu. Er ist insofern folgerichtig, da die jeweiligen Medien tatsächlich eng mit Peking zusammenarbeiten. Ein amerikanischer Beamter bezeichnete sie gegenüber der New York Times als "Teil des Propaganda-Apparates".

Auf dem Index der Pressefreiheit der NGO "Reporter ohne Grenzen" liegt die Volksrepublik auf Platz 177 – von 180 möglichen. (Philipp Matheis, 19.2.2020)