Geld verdienen im Schlaf: der Traum vieler Menschen.

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Brian Hector lebt den Traum vieler Menschen. Der 18-Jährige geht abends zu Bett, steht in der Früh auf – und hat im Schlaf Geld verdient. Hector nimmt seinen Schlaf per Smartphone für seine Tiktok-Follower auf. Und die Nutzer der Kurzvideoplattform nehmen das Angebot dankbar an und spenden ihm dafür virtuelle Coins. Diese kann er in echtes Geld umwandeln – bei seinem ersten Livestream immerhin zehn Dollar.

Der Chinese Yuansan hat mit seinen Livestreams auf der Video-App Douyin in zwei Wochen gar stolze 4.000 Dollar im Schlaf verdient, wie "KR-Asia" unter Berufung auf "36kr" berichtet. Ein Twitch-User hat 5.600 Dollar in einer Nacht verdient. Die "New York Times" spricht von einem neuen Trend in den sozialen Medien.

Chats und Authentizität

Dieser Trend beruhe auf mehreren Gründen. Zunächst gehe es um die Geselligkeit. Anders als andere Kurzvideos werden Livestreams auf Tiktok nicht archiviert, also bleiben sie eine einmalige Sache. Die verschworene Chatgemeinschaft, die sich bei diesen Streams einfindet, ist also gewissermaßen einzigartig. Grund genug, für manche User dort Online-Freunde finden zu wollen.

Brian Mandler, Gründer der Digitalagentur Network Effect, betont die Authentizität der Streams. Etwas, wonach viele User in der teils verblendeten Welt der sozialen Medien lechzen. Es gebe wohl wenig Natürlicheres als den Schlaf. So beschreibt auch Hector die ersten Streams, die er sich selbst angesehen hat: "Es war verrückt, aber gleichzeitig auch cool."

Quarantänebeschäftigung und Follower-Suche

Das Coronavirus könnte eine weitere Rolle spielen. In China befinden sich zurzeit viele Einwohner in Quarantäne oder verbringen zumindest mehr Zeit daheim, um die Ausbreitung von Sars-CoV-2 zu verhindern. Und zum Zeitvertreib flüchten viele Landsleute ins Web. Demnach verzeichneten die chinesischen Videoapps Douyin und Kuaishou im Februar 42 Millionen aktive User, ein Drittel mehr als zuvor. Das meistgesehene Video auf der Livestream-Plattform Twitch wurde 3,6 Millionen Mal angesehen und zeigt ebenfalls einen schlafenden Streamer.

Und letztlich gehe es den Streamern freilich auch um Follower. Schlafstreamer Oscar Reyes konnte seine Anzahl um 6.000 auf 18.600 erhöhen.

Sicherheitsaspekt

Wenn so viele Menschen zuschauen, stellt sich auch die Sicherheitsfrage. Denn die Streamer wollen ihrem Publikum verständlicherweise nicht verraten, wo sie wohnen. Rylee Breanns Kamera zeigt deshalb nur das Wesentliche: ihren Kopf und ihr Bett, aber ja nicht ihre Bilder im Zimmer, die ihren Aufenthaltsort verraten könnten. Reyes sieht es genau andersrum: "Als ich geschlafen habe, hat es sich angefühlt, als hätten die Zuseher auf mich aufgepasst. Ich habe geschlafen wie ein Baby."

Diese Ruhe dürfte Leute ebenfalls anziehen. In der Vergangenheit haben User beispielsweise bereits einfach nur die Kamera über Nacht auf ihr Hausdach gerichtet, und 10.000 Leute haben es angestarrt. Eine Becherpyramide zog sogar 26.500 User in den Bann.

Als Schnarchexperiment gestartet

Gemeinsam ist den Schlafstreamern, dass sie den Erfolg anfangs nicht geplant haben. Yuansan wollte etwa anfangs nur herausfinden, ob er schnarcht. Deshalb nahm er am 9. Februar zum ersten Mal seinen Schlaf auf. Als er aufwachte, entdeckte er, dass hunderttausende User seinen fünfstündigen Livestream angesehen hatten. Genug Anreiz, um in der Folge regelmäßig zu streamen. Insgesamt haben 8,5 Millionen Zuseher seine Schlafstreams verfolgt. Auf Douyin zählt er eine Million Follower. Mit der Masse kam auch das Geld.

Damit hatte der Schlaf-Influencer fürs Erste genug. "Danke fürs Zusehen. Aber ich plane vorerst keine weiteren Streams mehr", schrieb er Mitte Februar in einem Kommentar auf der Plattform. Er wolle sich nun auf qualitative Kurzvideos konzentrieren. Vielleicht auch der eigenen Schlafqualität zuliebe. (red, 9.3.2020)