Die am meisten von Luftverschmutzung bedrohnte Städte liegen in Asiens (im Bild: Pakistan). Die Konzepte, die dagegen helfen sollen, sind unterschiedlich erfolgreich.

Foto: AFP

In der Bewertung des internationalen Klimaschutz-Index im Jahr 2019 zeigt kein einziges Land "sehr gute" Klimaschutzbemühungen. Kein Land erbringt also den erforderlichen Beitrag, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, eines der Pariser Klimaziele. Den Index von 2019 führt Schweden an. Der US-amerikanische Präsident ist ein Totalverweigerer, andere Staaten haben sich ehrgeizige Ziele gesteckt. Eine Auswahl von staatlichen Klimaschutzstrategien:

Bild nicht mehr verfügbar.

Für die ausufernden Brände in Australien wird unter anderem die Erderwärmung verantwortlich gemacht.
Foto: REUTERS/Melanie Burton

Australien: Die Heißläufer

33 Tote, eine Milliarde verbrannter Tiere – und globale Erwärmung als einer der Hauptgründe. Doch wer gemeint hatte, die australische Regierung sehe sich nach der jüngsten Buschbrandkatastrophe genötigt, mehr für den Klimaschutz zu tun, ist enttäuscht. Denn es lockt viel Kohle, im doppelten Sinne des Wortes. Australien hat noch für 500 Jahre Reserven des erwiesenen Klimakillers im Boden. In Kombination mit dem ebenfalls klimaschädigenden Erdgas bringt Kohle dem Land pro Jahr mindestens 70 Milliarden Euro an Devisen ein.

Foto: Der Standard

Kritiker waren nicht erstaunt, dass sich die Delegierten der konservativen, von Klimawandelleugnern durchsetzten Regierung von Premier Scott Morrison bei den jüngsten Verhandlungen in Madrid zu anderen Klimaschutzverhinderern gesellten. An dieser egoistischen Strategie zum Schutz seiner Kohleindustrie dürfte Canberra kaum etwas ändern. Die Regierung behauptet weiter, mehr fürs Klima zu tun als viele andere Länder. Schließlich sei Australien nur für etwa 1,6 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Aber: Kommt die Verschmutzung durch die Exporte seiner fossilen Brennstoffe dazu, sind es fünf Prozent. Australien ist somit ein führender Exporteur und Profiteur von Klimawandel – und will es auch bleiben.

Gleichzeitig sind Canberras Klimaziele schwach. Australien will seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 nur um 26 Prozent senken. Dieses Ziel werde selbst dann eingehalten, wenn die Kohleindustrie und der Konsum von Kohle zur Stromerzeugung weiter ausgebaut werden. Möglich sei dies nur mit einem "buchhalterischen Trick", sagen Experten. Durch die Übernahme von CO-Emissionsrechten aus dem Kioto-Protokoll wolle Canberra versuchen, einer realen Reduktion seiner Emissionen auszuweichen. Solange es darauf poche, so ein Kritiker, sei jede Zusicherung Australiens, Klimaschutz ernst zu nehmen, "nur heiße Luft". (Urs Wälterlin aus Canberra)


Japan leidet ebenfalls unter Naturkatastrophen.

Japan: Die Faulen

Lange Hitzewellen und mehrere Taifune mit schweren Sturmschäden und verheerenden Überschwemmungen hat Japan allein in den vergangenen zwei Jahren erlebt. Trotz des unübersehbaren Wetterwandels lässt die japanische Politik in ihren Klimazielen jeden Ehrgeiz vermissen. Der Beitrag der fossilen Brennstoffe zur Stromproduktion soll von heute hohen 80 Prozent in den nächsten zehn Jahren im besten Fall auf 54 Prozent sinken. Im Pariser Abkommen verpflichtete sich Japan zwar, bis 2030 den Ausstoß an Kohlendioxid gegenüber 2013 um 26 Prozent zu verringern. Aber Klimaschützer lehnen die Vorgabe als unzureichend ab. Insbesondere kritisieren sie die Wahl von 2013 als Basisjahr für den Vergleich. Damals waren die Emissionen nämlich besonders hoch, weil Japan nach der Atomkatastrophe von Fukushima 90 Prozent des Stroms mit der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl erzeugte. Ein zweiter Kritikpunkt: Im Zieljahr 2030 sollen erneuerbare Energien einschließlich Wasserkraft nur 22 bis 24 Prozent des Stroms erzeugen. Dabei liegt dieser Anteil schon heute bei 16 Prozent. Die klimaneutrale Atomkraft möchte Japan bis 2030 von zuletzt drei Prozent um den Faktor sieben auf 20 bis 22 Prozent Anteil steigern. Aber das Ziel gilt als unrealistisch: Wegen der hohen Kosten für die Nachrüstung mit Sicherheitstechnik gehen weniger Atommeiler zurück ans Netz als erwartet. Lieber bauen die Versorger 22 neue Kohlekraftwerke, die jährlich so viel CO2 ausstoßen werden wie 17 Millionen Neuwagen in den USA. (Martin Fritz aus Tokio)


Bild nicht mehr verfügbar.

Schweden hat Greta.
Foto: Reuters

Schweden: Die Vorbilder

Die kleine nordische Nation, die der Welt Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung beschert hat, sieht sich gerne als Vorreiter in Sachen Klima. Den internationalen Klimaschutz-Index, der jährlich auf dem UN-Klimagipfel vorgestellt wird, führt man bereits seit mehreren Jahren an – und das nicht ohne Grund. Bereits seit 1991 wird eine CO2-Steuer erhoben, die den Ausstoß von Treibhausgasen so teuer macht wie in keinem anderen Land. Strom wird etwa zur Hälfte aus erneuerbaren Energien erzeugt und zu weiteren 40 % aus der ebenfalls "fossilfreien" Kernkraft.

Seit 2018 gibt es eine Steuer auf Flugtickets und ein Klimagesetz, das alle künftigen Regierungen dazu verpflichten soll, die nationalen Klimaziele einzuhalten. Spätestens 2045 will Schweden seine Emissionen dann auf netto null gesenkt haben. Breite Unterstützung kommt dabei aus der Wirtschaft. Im Rahmen der Regierungsinitiative "Fossilfreies Schweden" haben bereits rund 20 Branchen, darunter Schwergewichte wie die Stahl-, Beton- und Autoindustrie sowie Spediteure, See- und Luftfahrt, ihre Pläne vorgestellt, wie sie die Umstellung hin zum klimafreundlichen Wirtschaften in den nächsten 25 Jahren meistern wollen. Aber auch der Klassenprimus hat noch einen weiten Weg vor sich. In großen Teilen des dünn besiedelten Landes gibt es zum Auto kaum eine Alternative. Und wie viele Schweden wirklich bereit sind, für das Klima auf den jährlichen Urlaub in sonnigen Breitengraden zu verzichten, wird sich erst noch zeigen müssen. (Frank Leuthardt aus Stockholm)


Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion halbierte Russland die CO2-Ausstöße.

Russland: Die Pragmatischen

Russland hat das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet und schließlich im vergangenen Herbst auch durch die Regierung verabschiedet, ohne es von der Duma ratifizieren zu lassen. Und das, obwohl Präsident Wladimir Putin nach Angaben seines Sprechers Dmitri Peskow mit den im Abkommen genannten Ursachen für die Klimaerwärmung nicht einverstanden ist. Doch am Ende gaben schlicht politisches und wirtschaftliches Kalkül den Ausschlag für die Unterzeichnung.

Für Moskau sind die Verpflichtungen derzeit noch sehr bequem. Schließlich wird der Wert aus dem Jahr 1990 (3.930 Megatonnen) als Ausgangspunkt für die Reduzierung der CO2-Emissionen genommen. Allein die Deindustrialisierung Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion halbierte die Ausstöße des Landes. 2018 lag der Wert bei 1.705 Megatonnen CO2.

Auf fossile Brennstoffe wird Russland nicht verzichten. Doch hat bereits eine Verlagerung weg von der Kohle hin zu den saubereren Treibstoffen Öl und Gas eingesetzt. Zudem beginnt nun auch in Moskau ein Umdenkprozess: 2018 hat die Regierung das nationale Projekt "Ökologie" gestartet, zu dessen Zielen der Waldschutz, aber auch die Verringerung der CO2-Ausstöße gehört. Dies betrifft namentlich große Industriestädte wie Tscheljabinsk, Omsk Krasnojarsk oder auch das regelmäßig auf der Liste der weltweit schmutzigsten Städte auftauchende Norilsk. In die Luftverbesserung will Russland bis 2024 gut sieben Milliarden Euro investieren. So sollen die Emissionen um 22 Prozent gesenkt werden. (André Ballin aus Moskau)


Jane Fonda ist eine der bekanntesten Klimaaktivistinnen in den USA.
Foto: EPA/Laurent

USA: Die Verweigerer

Mit Donald Trump im Oval Office tut die US-Regierung nicht einmal mehr so, als hätte sie eine Klimaschutzstrategie. Der Präsident gibt den großen Förderer von Kohlebergwerken und Kohlekraftwerken, deren Renaissance gleichwohl an den Gesetzen des Marktes scheitert: Erdgas, infolge des Fracking-Booms reichlich vorhanden, hat sich weitgehend durchgesetzt als billigerer Energieträger.

Und während Trump den Ausstieg des Landes aus dem Pariser Klimaabkommen beschloss, versuchen regionale Allianzen gegenzusteuern. Das Bündnis "America’s Pledge", gegründet von Jerry Brown und Michael Bloomberg, dem Ex-Gouverneur Kaliforniens und dem Ex-Bürgermeister New Yorks, vereint Bundesstaaten, Städte, Unternehmen und Universitäten, die sich den Pariser Zielen bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen nach wie vor verpflichtet fühlen. Wirtschaftlich schwergewichtige Staaten wie Kalifornien, New York und Washington mit der Hightech-Metropole Seattle peilen an, ihre Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu produzieren. Der Amazon-Gründer Jeff Bezos will Forschung und Engagement in Sachen Klimaschutz mit zehn Milliarden Dollar unterstützen. Nach einer Umfrage der University of Chicago halten rund 70 Prozent der Amerikaner den vom Menschen verursachten Klimawandel für eine Realität, nicht für einen Schwindel der Chinesen, die den USA nur Wettbewerbsnachteile aufbürden wollten, wie Trump es einmal formulierte.

Den Präsidenten lässt das völlig unbeeindruckt. Folgt man seinem Budgetentwurf, einer Blaupause, die der Kongress mit Sicherheit noch korrigiert, sollen der Umweltbehörde EPA die Mittel allein im kommenden, im Oktober beginnenden Haushaltsjahr um 26 Prozent gekürzt werden. (Frank Herrmann aus Washington)


An Freitagen wird auch in Finnland demonstriert.

Finnland: Die Ehrgeizigen

Finnland hat unter der aktuellen Mitte-links-Regierung mit grüner Beteiligung in puncto Klimaschutz eines der ehrgeizigsten Regierungsprogramme in der EU. Bis 2035 will Finnland ein klimaneutrales Land sein, übertroffen nur von Norwegen, das als Nicht-EU-Mitglied am CO2-Handel der EU teilnimmt. Dort will man sogar schon 2030 klimaneutral sein. Eine Arbeitsgruppe mehrerer Ressortminister soll die entsprechende Gesetzgebung vorbereiten. In fünf Jahren will man ein erstes Resümee ziehen. Ein weiterer Punkt im Regierungsprogramm ist der Anspruch, die erste fossilfreie Wohlstandsgesellschaft der Welt werden zu wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen Energiesteuern auf fossile Brennstoffe eingeführt werden. Gleichzeitig ist eine Reduzierung jener Steuern geplant, die die Produktion erneuerbarer Energien belasten – wie etwa die Grundstücksteuer für Windkraftwerke.

Steinkohle soll als Wärmequelle bis 2029 endgültig Geschichte sein. Die schon existierenden Atomkraftwerke will Finnland hingegen weiter betreiben. Für die Forschung in Richtung neuer, kohlenstoffarmer Energiequellen sollen zusätzliche Budgetmittel bereitgestellt werden. Finnland hat sich weiters vorgenommen, Kohlenstoffsenken und CO2-Speicherung durch Maßnahmen wie Aufforstung und geförderten Häuserbau aus Holz zu verstärken. Um den Rückgang der Artenvielfalt im Land zu stoppen, macht die Regierung jährlich 100 Millionen Euro aus dem Budget locker. Damit sollen unter anderem Naturschutzgebiete ausgeweitet werden und strengere Bestimmungen für bauliche Maßnahmen in bisher unberührten Gebieten geschaffen werden. Schließlich ist ein umfangreiches Programm für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft in Arbeit. Hier sollen vor allem Investitionen in die Rohstoffrückgewinnung gefördert werden, aber beispielweise auch bei der Verpackung und dem Transport von Lebensmitteln Schritte gesetzt werden. (Andreas Stangl)


Mexiko ist einer der größten Erdölproduzenten weltweit.

Mexiko: Das Schlusslicht

Beim lateinamerikanischen Klimaranking schneidet Mexiko schlecht ab. Denn es emittiert am meisten CO2 und ist weltweit auf dem zwölften Platz mit 3,79 Tonnen pro Kopf (2018). Das liegt zum einen daran, dass Mexiko einer der großen Erdölproduzenten weltweit ist und seine Kraftwerke zu 80 % mit Öl, Diesel, Gas und Kohle betreibt – im Gegensatz zu Brasilien beispielsweise, wo 60 % aus Wasserkraft stammen. Der andere Grund ist die fortschreitende Industrialisierung, die dazu geführt hat, dass sich seit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) 1994 zahlreiche Fabriken im Land angesiedelt haben und es regional nur noch in Suriname mehr Autos pro Kopf gibt als in Mexiko.

Auf den zweiten Blick mildert sich das harte Urteil aber: Immerhin hat das Schwellenland es geschafft, sich gleichzeitig zu industrialisieren und dabei die Pro-Kopf-Emissionen zu senken – zum einen dank seines Bevölkerungswachstums, zum anderen durch den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie wurden ab 2006 mit Regulierungen und Steuererleichterungen massiv gefördert, was Mexiko zum regionalen Spitzenreiter machte. Das Land hat Wind, Geothermik, Biomasse und Sonne im Überfluss – zwischen 2600 und 4000 Sonnenstunden sind es pro Jahr je nach Region. Der Anteil erneuerbarer Energien stieg daraufhin im Energiemix auf über 20 %, bis 2024 waren 35 % angepeilt, die jährliche Zuwachsrate des Sektors lag bei über 80 %.

Nun droht dem Land jedoch ein Rückfall. Der linksnationalistische Präsident Andrés Manuel López Obrador hat die Förderprogramme für erneuerbare Energien zurückgefahren und investiert in fossile Brennstoffe. Der Staatskonzern Pemex soll nicht nur die Ölförderung steigern, sondern López Obrador plant auch den Bau einer neuen Raffinerie, die in der Klimabilanz negativ zu Buche schlagen wird. (Sandra Weiss aus Puebla)


In China wie in ganz Asien leiden vor allem die großen Städte unter Smog.
Foto: EPA

China: Die Widersprüchlichen

Wie widersprüchlich Chinas Klimapolitik ist, lässt sich an einem normalen Wintertag in Schanghai oder Peking beobachten. Abertausende von Wanderarbeitern sausen fast geräuschlos durch die Stadt. Elektroroller sind schon seit Jahren Pflicht auf Chinas Straßen. Gleichzeitig kratzt die Luft beim Atmen. Ein Blick auf die App zeigt: Der Wert der PM2,5-Partikel, der gesundheitsschädlichen Kleinstteilchen pro Kubikmeter, liegt mal wieder fünfmal so hoch wie der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Grenzwert. Denn die Energie für die Elektroroller sowie für vieles mehr stammt aus den Kohlekraftwerken des Landes – noch immer die Hauptenergiequelle des Landes.

Einerseits ist die Volksrepublik seit Jahren der in absoluten Zahlen weltweit größte Emittent an CO2. Kohle ist mit zwei Dritteln nach wie vor der wichtigste Energieträger. Eine veraltete Schwerindustrie tut ihr Übriges. Andererseits gibt es kaum ein Land, das so viel Geld in regenerative Energien investiert. Die Energieproduktion durch Sonnenenergie soll bis 2020 um ein Fünftel erhöht werden. 320 Milliarden Euro will Peking in den kommenden Jahren in Ökoenergieprojekte stecken. Um mehrere Metropolen, darunter auch Peking, sollen komplett kohlefreie Zonen entstehen.

Das ist alles sehr löblich. Nur wächst die chinesische Wirtschaft eben auch mit mindestens fünf Prozent im Jahr. Damit einher geht auch ein höherer Energieverbrauch. Erst 2030 will China den CO2-Verbrauch auch in absoluten Zahlen senken. Das ist ein hehres Ziel, offenbart aber auch das Dilemma der Klimaerwärmung: Es wird schlimmer werden, bevor es besser wird. (Philipp Mattheis aus Schanghai)