Bild nicht mehr verfügbar.

Der Speiseplan unserer Vorfahren ist nicht unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen – zumindest nicht, wenn man gesund leben und alt werden möchte.

Foto: Reuters/NIKOLA SOLIC

Essen wie vor der Neolithischen Revolution – das ist kurz gesagt das erklärte Ziel der sogenannten Paläo-Diät, auch Steinzeiternährung genannt. Die Anhänger dieser Ernährungsweise setzen auf Nahrungsmittel, die, so die Annahme, den Menschen schon vor der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht vor rund 10.000 Jahren zur Verfügung standen: Fleisch, Fisch, Beeren, Kräuter und Samen, dafür keine verarbeiteten Lebensmittel, kein Getreide, keine Hülsenfrüchte und generell kaum Kohlenhydrate.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Paläo-Diät in mehrfacher Hinsicht umstritten. Positive gesundheitliche Effekte oder gar eine Verminderung von Zivilisationskrankheiten, wie sie Anhänger propagieren, sind Ernährungswissenschaftern zufolge fraglich: Ein sehr hoher Anteil an tierischen Produkten und das völlige Fehlen von Getreide und Hülsenfrüchten in der Ernährung können sich langfristig negativ auswirken. Dass unseren Jäger- und Sammlervorfahren viele Krankheiten erspart blieben, die heute weitverbreitet sind, dürfte wohl eher mit ihrer niedrigen Lebenserwartung zu tun haben als mit ihrem "gesunden Lebensstil".

Frage des Angebots

Unter Archäologen stößt die Paläo-Idee ebenfalls auf Widerspruch: Funde deuten darauf hin, dass es so etwas wie eine typische Steinzeiternährung gar nicht gab. Vielmehr dürften die Menschen vor dem Zeitalter der Landwirtschaft ihre Ernährung schlicht an die jeweils vorhandenen Ressourcen angepasst haben. Erst kürzlich entdeckten Forscher etwa in Südafrika verkohlte Überreste von Pflanzenteilen, die sehr viel Stärke enthielten. Offenbar standen dort schon vor 170.000 Jahren kohlenhydratreiche Sprossen auf dem Speiseplan – so viel also zur "Low-Carb-Ernährung".

Dass früher nicht alles besser war und wie ungesund Menschen in der Steinzeit mitunter selbst dann lebten, wenn sie ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung hatten, zeigt nun einmal mehr eine aktuelle Studie aus Norwegen im Fachblatt "Quaternary International". Die Forscher untersuchten Nahrungsüberreste aus steinzeitlichen Fundstätten in der norwegischen Arktis – und stießen auf hohe Werte giftiger Schwermetalle.

So wiesen etwa die Überreste von Dorschen extreme Cadmiumwerte auf. "Sie übersteigen die oberen Grenzwerte der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit um mehr als das Zwanzigfache", schreiben die Forscher um Hans Peter Blankholm von der Arktischen Universität Norwegen in Tromsø. Auch ein hoher Anteil an Blei und Quecksilber wurde gemessen – und nicht nur in Fisch.

Kontaminierte Nahrung

Die Wissenschafter analysierten auch Überreste von Robben. Markante Schnittspuren auf den Knochen ließen annehmen, dass die Tiere nicht nur für ihr Fell getötet wurden, sondern auch wegen ihres Fleischs. Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass die Meeressäuger auf dem steinzeitlichen Speiseplan von Menschen in der Region standen. Das Ergebnis: Auch hier waren die Werte der organschädigenden Schwermetalle ausgesprochen hoch.

Der Konsum von derart kontaminiertem Fleisch und Fisch über einen längeren Zeitraum könnte für die Arktisbewohner sehr schädlich gewesen sein, schreiben die Wissenschafter. Unklar sei allerdings, welchen Anteil diese Nahrungsmittel an ihrem Speiseplan insgesamt hatten – und ob sie überhaupt alt genug wurden, um schwere Erkrankungen entwickeln zu können. Analysen menschlicher Überreste sollen nun Antworten auf diese Fragen bringen.

Die wahrscheinliche Ursache für die hohen Schwermetallkonzentrationen klingt übrigens erschreckend aktuell: Die Forscher nehmen an, dass sie auf klimatische Veränderungen zurückgingen. Durch eine Klimaerwärmung tauten Eis und Permafrostböden auf und gaben gespeicherte Metalle frei. Der steigende Meeresspiegel sorgte indes dafür, dass vermehrt Schwermetalle aus der Erdkruste ins Wasser gelangen konnten. (David Rennert, 23.2.2020)