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Beruflicher Respekt geht manchmal weite Wege. Einer der Juniorchefs der niederösterreichischen Bäckerei Öfferl zum Beispiel sieht sich in einer Tradition von 8.000 Jahren. Schon damals haben Menschen in Ägypten im Wesentlichen das getan, was heutzutage immer noch gilt: aus Wasser und Mehl einen Teig herstellen, der dann durch Hitze zu einem köstlichen Nahrungsmittel wird. "De warn früher net bled", sagt der heutige Bäcker über seine Vorgänger.

Über die 8.000 Jahre könnte man im Detail diskutieren, aber es hat schon eine klare Bewandtnis: Brot zählt zu den ältesten Kulturgütern der Geschichte. Und bei den Öfferls hat es auch wirklich noch etwas mit dem Lebensmittel zu tun, das Brot immer war. Aber wie verhält es sich mit den Waren, die in Supermärkten unter diesem Begriff im Regal liegen? Zum Beispiel Weißbrot, in Scheiben geschnitten, in Plastik versiegelt: Was würden die alten Ägypter zu dieser Industriepampe sagen?

Etwas Essenzielles

Schön blöd, könnte man sich am Ende von Harald Friedls Dokumentarfilm Brot denken. Man hat dann in eineinhalb Stunden sehr viel über das Grundnahrungsmittel erfahren, das sich nicht durch Kuchen ersetzen lässt. Brotmesser aufs Herz: Wer würde jeden Tag eine Malakofftorte frühstücken wollen? Für die Gewohnheit braucht man etwas Essenzielles, etwas, das selbst etwas erlebt hat, was bei einem guten Teig unbedingt der Fall ist.

Friedl stößt auf den Stationen seiner Recherche aber auf eine Tendenz, die beim Brot vom Wesentlichen wegführt. In einer belgischen Firma haben Forscher und Entwickler eine Sauerteigbibliothek angelegt, deren Zweck in erster Linie darin besteht, Teigwaren in künstliche Geschmacksträger zu verwandeln. Das Ciabatta schmeckt dann zwar immer noch nach Italien, aber nur, weil dieser "spirit" gleichsam injiziert wird.

Virtuelles Brot

Noch ist es zu früh, von virtuellem Brot zu sprechen, aber irgendwann wird es wohl so weit sein. Doch zu jeder Tendenz gibt es in unserer Kultur eine Gegenbewegung, und so tut sich Harald Friedl nicht schwer, Menschen zu finden, die am Brot des Essenzielle betonen. In Frankreich strömt man zu traditionellen Bäckern, von denen aber erkennbar wird, dass sie längst weltweit agieren – und entsprechende Speditionswege haben, sprich: Da sind viele Lastwagen unterwegs, damit ein Baguette auch in Japan ankommt.

Die interessantesten Aspekte von Brot finden sich dort, wo zwischen der reinen Lehre des unbeschleunigten Teigs und der radikalen Technisierung und Globalisierung des Backens noch so etwas wie Übergangsformen zu erkennen sind. Ein deutscher Unternehmer, der mit seiner Marke Harry-Brot in Verkaufsdimensionen vorgedrungen ist, von denen kein natürliches Enyzm jemals etwas gehört hat, ist von der Chefin im Hause Öfferl gar nicht so weit entfernt. Denn auch sie begann ihr Leben mit den "Sackln", also mit den Fertigmischungen, die vor 40 Jahren überall auftauchten und von denen sich Gastronomie und das Handwerk mit Getreide und anderen Lebensmitteln erst allmählich wieder befreien.

Zurück zum Ursprung

Vor bald 15 Jahren hat Harald Friedl einen Film mit dem Titel Where Happiness Is gemacht. Was er nun über das Brot zu erzählen hat, das hat auch mit Glück zu tun oder mit dem Versprechen eines nicht entfremdeten Lebens. Das Brot ist oft ganz konkret, immer wieder aber wird es fast abstrakt. Nikolaus Geyrhalter hat diese Spannung in Unser täglich Brot (2005) auch schon durchmessen, wobei damals die Betonung eher auf den Abstraktionen des Produktionsprozesses lag. Mit Friedls Film schlägt das Pendel wieder stärker zurück zum Ursprünglichen, oder jedenfalls zu heutigen Auffassungen davon. (Bert Rebhandl, 20.2.2020)