Ein neuer "Friendly Alien" sei gelandet, hieß es vergangene Woche in der Presseaussendung in Anlehnung an den alten freundlichen Außerirdischen, an das 2003 errichtete Kunsthaus Graz von Peter Cook und Colin Fournier. Mit dem blauen Warzengebilde an der Mur hat das neue "Argos" – benannt nach der griechisch-mythologischen Figur mit hundert Augen am ganzen Körper – aber nicht nur die fließenden, futuristischen Formen gemein, sondern auch die Jahreszahl seiner künstlerischen Genese. Der geladene Wettbewerb, an dem sich unter anderem auch Innocad, BWM Architekten, Dietmar Feichtinger, Henke Schreieck und Coop Himmelb(l)au beteiligt hatten, liegt ganze 17 Jahre zurück.

Anstelle eines denkmalgeschützten Hauses entstand in Graz ein Gebäude mit aufsehenerregender – und sehr schwerer – Fassade von Zaha Hadid.
Foto: Argos/Wegraz

"Gut Ding braucht Weile", sagt Dieter Johs, Geschäftsführer des Grazer Unternehmens Wegraz, das sich auf Revitalisierung, Altstadtsanierung und Immobilienentwicklung spezialisiert hat. "Und sehr gut Ding braucht eben besonders große Weile. Vieles, was erst einmal erdacht und entworfen ist, bedarf in der Umsetzungsphase entsprechend großer Anstrengung." So war das auch bei dem siegreichen Projekt der 2016 verstorbenen Londoner Architektin Zaha Hadid, das nun anstelle des einst denkmalgeschützten, 1785 errichteten, aber zum Teil verwahrlosten Kommod-Hauses entstehen sollte. Der Abbruch im Jahr 2003 sorgte damals für heftige Kontroversen in der Politik und Architekturszene.

Was von Hadid ursprünglich als monolithische Stahlbetonskulptur mit expressiven, raumbildenden Ausbeulungen geplant war, musste im Laufe der Planungen und Detailentwicklungen allein schon aufgrund des hohen Eigengewichts etliche Male umgeplant werden.

40 Tonnen schwere Fassade

Das Resultat besteht nun aus 43 individuell geformten Glasfaserskulpturen mit sprossenfreien Panoramafenstern und darin "schwimmend" positionierten Öffnungsflügeln. Hinter dem Hightech-Material verbirgt sich eine CNC-gefräste Holzkonstruktion. Trotz der Leichtbauweise ist die 40 Tonnen schwere Fassade alles andere als ein Fliegengewicht. "Die größte Bubble allein bringt es auf 3500 Kilo", so Johs.

Die Wohnungen richten sich an Expats und Business-Reisende.
Foto: Argos/Wegraz

Die Detaillierung der Fassade erfolgte in enger Abstimmung mit der Grazer Altstadtsachverständigenkommission (ASVK), die sehr viel Wert darauf legte, dass das siegreiche Wettbewerbsprojekt im Laufe der Zeit nichts an technischer und gestalterischer Qualität einbüßen würde. "In den allerersten Renderings war das Argos-Haus als einheitliches, monolithisches Objekt aus einem Guss dargestellt", erklärt ASVK-Vorsitzende Gertraud Strempfl-Ledl.

"Die Noppen selbst und die darin platzierten schwimmenden Fenster entsprechen Hadids Originalplänen, aber mit der additiven Bauweise aus herkömmlicher Putzfassade und angehängten Erkerbauteilen sind wir alles andere als glücklich." Eine der Befürchtungen der Experten betrifft die unterschiedliche Alterung der verschiedenen Materialien.

Über die Baukosten will man bei der Wegraz nicht sprechen. "Wir möchten keine nominellen Angaben machen, man kann aber davon ausgehen, dass die Kosten insgesamt doppelt so hoch sind wie bei einem herkömmlichen Bau vergleichbarer Größe", so Dieter Johs.

21 Apartments gibt es im nun fertiggestellten Gebäude.
Foto: Argos/Wegraz

Eingespielt werden soll diese Investition über die Nutzung: Statt für die ursprünglich geplanter Wohnungen und Boarding-Einheiten entschied sich die Wegraz dazu, voll möblierte, voll ausgestattete Serviced Apartments einzurichten (Gestaltung: Martin Cserni). "Langfristig streben wir wochen- und monatelange Vermietungen an Expats und Business-Reisende an", sagt Argos-Hotelmanagerin Verena Riedl. "Vorerst sprechen wir mit unserem Produkt selbstverständlich auch Touristen an."

21 Apartments

Ab 99 Euro pro Nacht und Apartment ist man mit an Bord. Längerfristige Einmietungen werden dynamisch kalkuliert und können je nach Saison und Nachfrage nach oben oder unten variieren.

Der Zutritt zu den insgesamt 21 Apartments zwischen 30 und 70 Quadratmetern erfolgt personalfrei und voll digitalisiert über QR-Code. Serviceleistungen wie Frühstück und Zimmerreinigung können über eine TV-App dazugebucht werden. Ab Donnerstag ist das Argos mit seinen 43 Argusaugen in Betrieb. (Wojciech Czaja, 20.2.2020)