Wie Sergio De Caprio aussieht, sollen die Killer der Cosa Nostra nicht wissen.

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Es war eine Szene, wie sie heute nur noch in Italien vorstellbar ist: Am Dienstagabend hat die neue Präsidentin der Region Kalabrien, Jole Santelli, im römischen Abgeordnetenhaus ihren designierten Minister für Umwelt vorgestellt. Auf der Pressekonferenz erschien ein Maskierter, im Hintergrund hielten sich unauffällig einige Personenschützer auf.

Beim kräftig gebauten Mann mit den militärisch kurz geschnittenen, grauen Haaren handelte es sich um den 59-jährigen Carabinieri-Oberst Sergio De Caprio, genannt Capitano Ultimo. Er fühle sich geehrt, fortan dem kalabresischen Volk dienen zu dürfen, ließ der neue Umweltminister durch seine Gesichtsmaske verlauten.

De Caprio war der Anführer der Carabinieri-Sondereinheit gewesen, die am 15. Jänner 1993 den Superpaten der sizilianischen Cosa Nostra, Totò Riina, festgenommen hatte. Der damals 32-jährige Spezialagent mit dem Codenamen Capitano Ultimo hatte der "Bestie" persönlich die Handschellen angelegt.

Er habe nichts verspürt, als er dem hundertfachen Mörder in die Augen blickte, sagte De Caprio später. "Für uns war Riina ein Gefangener, ein Verlierer. Er hatte Angst wie alle anderen auch."

Kein Gesicht für die Killer

Die Verhaftung des berühmten Mafioso hat Capitano Ultimo im ganzen Land zum Helden gemacht – und ihm gleichzeitig ein Todesurteil der Cosa Nostra eingetragen. Deshalb die Gesichtsmaske, die er bei öffentlichen Auftritten niemals ablegt: Die Mafia-Killer sollen nicht wissen, wie er aussieht.

De Caprio ist eine schillernde und zugleich zwiespältige Figur. Jahre nach der Verhaftung Riinas wurde er selber wegen Begünstigung der Mafia angeklagt, weil er und sein damaliger Vorgesetzter aus unerfindlichen Gründen darauf verzichtet hatten, das Versteck des Cosa-Nostra-Bosses zu durchsuchen. Dadurch konnten die Helfershelfer Riinas Beweise wegschaffen und vernichten. Capitano Ultimo wurde zwar vom Mafia-Vorwurf freigesprochen, doch das Verfahren blieb ein Schatten auf seiner Karriere.

Später diente er einige Jahre im Auslandsgeheimdienst, dann wurde er Chef der Carabinieri-Einheit für Umweltdelikte (NOE). Doch nach außen wirkten seine Beförderungen immer wie Strafversetzungen.

De Caprios neue Dienstherrin, Kalabriens Regionalpräsidentin Jole Santelli, spekuliert darauf, etwas vom Anti-Mafia-Ruhm ihres neuen Umweltministers abzubekommen. Das hat die langjährige Vertraute von Ex-Premier Silvio Berlusconi auch dringend nötig: Auf den Wahllisten ihrer Rechtskoalition, der auch die Lega von Matteo Salvini angehört, wimmelte es nur so von Figuren, die im Verdacht stehen, mit der kalabrischen Mafia, der 'Ndrangheta, gemeinsame Sache zu machen. Bei den Wahlen vor drei Wochen hatten mafiöse Schwergewichte denn auch die Order gegeben, Santelli oder der Lega die Stimme zu geben.

Das Problem Müllentsorgung

Als ehemaliger NOE-Chef hat De Caprio zweifellos das nötige Rüstzeug für seinen neuen Job als Umweltminister von Kalabrien: Eines der größten Probleme der von der 'Ndrangheta unterwanderten Region sind Umweltdelikte, insbesondere im Zusammenhang mit der Müll- und Abwasserentsorgung.

Ohne Schmiergelder und ohne Prozente an die Strohmänner der Clans, die sich in der öffentlichen Verwaltung von Region und Gemeinden eingenistet haben, geht praktisch nichts. Das weiß auch Capitano Ultimo. "Meine neue Aufgabe ist eine große Herausforderung. Aber ich werde die Prinzipien anwenden, die mich immer geleitet haben: Legalität, Zivilisiertheit und Demokratie", erklärte De Caprio am Dienstag. (Dominik Straub aus Rom, 20.2.2020)