Im Gastkommentar widmet sich Neos-Abgeordneter Helmut Brandstätter der Außenpolitik des Bundeskanzlers im Nachhall der Münchner Sicherheitsgespräche.

Photo-Opportunity, kurz Photo-Op – so nennt man die Gelegenheit, ein schönes Foto zu stellen. Zur Außenpolitik von Sebastian Kurz passt diese Bezeichnung im doppelten Sinn. Er lässt keine Chance für Fotos aus, auf denen er anderen Politikern den Weg weist. Gute Fotos freuen auch andere Politiker, aber Kurz lebt für ein gutes Foto auch gerne jeden politischen Opportunismus aus. Kaum hatte Donald Trump Ende Jänner seinen Nahost-Plan verkündet, bekam er Lob aus Wien. Der Bundeskanzler freute sich über Trumps Ideen, viel mehr aber wohl über seinen Besuch beim US-Präsidenten, der kurz darauf bekanntgegeben wurde. Mit dem überstürzten Lob zeigte Kurz, dass er auf eine gemeinsame EU-Außenpolitik keinen Wert legt – zum Schaden Österreichs. Auch inhaltlich lag er daneben. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach von "völkerrechtswidrigen Elementen" des Trump-Plans. Dieser habe mehr Probleme aufgeworfen, als etwas zum Frieden zwischen Israel und den Palästinensern beigetragen, so Röttgen, der sich mit den Fakten beschäftigte.

Die Aussage von Kurz 2018 in Jerusalem, Israels Sicherheit sei "Staatsräson für Österreich", ist voll zu unterstützen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das für ihr Land schon zehn Jahre davor erklärt. Aber gerade wer sich für Israel verantwortlich fühlt, darf nicht blind einem US-Politiker folgen, der mit allen Mitteln um seine Wiederwahl kämpft.

Sebastian Kurz im Gespräch mit Kanadas Premier Justin Trudeau – und der Kanzlerfotograf lichtet's ab.
Foto: Bundeskanzleramt / Dragan Tatic

Gemeinsame Werte

Wenn es um unsere Sicherheit in Österreich geht, dann müssen wir erst recht eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union leben. Da gibt es von Kurz nur Lippenbekenntnisse, wie zuletzt bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Denn schnell wird Kurz wieder populistisch. "Dass in der Stadt Wuhan wegen des Coronavirus binnen zehn Tagen ein Tausend-Betten-Krankenhaus gebaut worden sei, imponiert dem Bundeskanzler", schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" etwas pikiert und zeigte sich erfreut, dass ihm ein Europaabgeordneter widersprach. In der Tat, das Coronavirus ist ein Beweis dafür, dass autokratische Systeme gerade auch in Krisenzeiten nicht funktionieren, weil Diktaturen die Menschen nie ehrlich informieren.

Kurz kritisierte auch, dass undemokratische Tendenzen in Ungarn oder Polen immer wieder angesprochen würden. Und bewies damit, dass er mit den Werten unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und mit dem vereinten Europa nichts anfangen kann. Die Europäische Gemeinschaft ist seit ihrer Gründung im Jahr 1957 die erste Phase in der Geschichte Europas, in der sich Demokratie und Rechtsstaat auf Dauer durchgesetzt haben, in der sich unsere gemeinsamen Werte nach 1990 auch noch sukzessive ausgebreitet haben. Wenn wir diese auch nur teilweise aufgeben, dann geben wir das gemeinsame Europa und unsere Freiheit auf.

Neues Wettrüsten

Die EU braucht konkrete Ideen und Vorschläge für die Zukunft, und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat sich da auch in München wieder durchaus ungeduldig gezeigt. Seine Blockade der Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien war ein schwerer Fehler, das dürfte er selbst eingesehen haben, schon im Frühjahr soll die EU diesen korrigieren. Macron sprach von der "Schwäche des Westens", politisch, militärisch und technologisch. Auch unsere Werte sieht er auf dem Rückzug. Die Chinesen und die Amerikaner würden in die Zukunft, in die künstliche Intelligenz investieren, die Europäer hingegen über Stellen hinter dem Komma streiten, so Macron in Anspielung auf den aktuellen, nationalistisch geprägten Budgetstreit.

Wenn es um die europäische Einigung geht, dann geht es auch um unsere Sicherheit. Und da hat Macron erst kürzlich bei einer Grundsatzrede in der Pariser École militaire aufhorchen lassen. Er sieht die Gefahr eines neuerlichen Wettrüstens und warnt: "Es wäre nicht hinnehmbar, dass Europa wieder Schauplatz einer Konfrontation zwischen außereuropäischen Atommächten wird." Seine Strategie: Frankreich werde seine Atomwaffen als Instrument der Abschreckung beibehalten, allerdings wolle er mit europäischen Partnern in einen "strategischen Dialog über die kollektive Sicherheit" eintreten. Eine Aufforderung, die er in erster Linie an Deutschland richten wollte, dies aber nicht ausdrücklich tat, weil er aus Berlin keine positiven Signale dazu erhalten hatte. Die Deutschen werden um diese Debatte nicht herumkommen. Wir in Österreich müssen nicht über Nuklearwaffen reden, aber sehr wohl darüber, dass unsere militärische Sicherheit nur im gemeinsamen Europa funktionieren wird. Aktuelles Beispiel: die Cyberabwehr.

Position der Stärke

Auch das Verhältnis zu Russland wird nur ein einiges Europa verbessern können. Trump hat eine "geopolitische Lücke" aufgemacht, in die nun Russland, die Türkei und der Iran stoßen würden, so der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Den Schaden tragen wir in Europa, wenn wir hilflos dem Krieg in Syrien zusehen. Macron sprach sich dafür aus, dass wir "Russland eine strategische Option geben müssen", ohne europäische Optionen aufzugeben. Das wird eine schwierige Übung, die die EU nur aus einer gemeinsamen Position der Stärke schaffen kann.

Stärke – das ist auch das Stichwort für den Umgang mit Trump. 2018 hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen Handelskrieg zwischen den USA und der EU abgewendet. Aber das neue Handelsabkommen zwischen den USA und China dürfte sich nachteilig für Deutschland auswirken, analysiert das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Wenn China in den nächsten zwei Jahren deutlich mehr Waren aus den USA importieren wird, werden die Chinesen weniger in Europa einkaufen. Weniger Autos aus Deutschland, das schadet der österreichischen Zulieferindustrie. Das sollte Kurz bei seinem Termin im Weißen Haus klarmachen. Auch hier sieht man: Österreich wird nur erfolgreich sein, wenn wir in puncto Handel und Sicherheit in Europa eingebunden sind. Dann schaden auch die Reisen des Kanzlers mit den vielen Photo-Ops nicht. (Helmut Brandstätter, 20.2.2020)