Der Cappuccino im Café, das Kino, der Urlaub – alles ist ein Luxus für Frau S. Wer arbeitet und trotzdem immer knapp ist, will sich fallweise auch etwas gönnen. So beginnt eine Schuldenkarriere.

foto: mike vogl

Weißer Blazer, rote Bluse, schwarzes Mascherl und selbstbewusstes Auftreten – Frau S. trägt zwar keine teuren Designerklamotten, aber beim Treffen mit dem STANDARD in einem Salzburger Kaffeehaus deutet nichts darauf hin, dass die 31-Jährige wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht. Im Gegenteil: Die Anwesenheit des professionellen Fotografen lässt den Kellner in ihr eine ihm noch unbekannte Künstlerin vermuten.

Ihr Gesicht, ihren Namen möchte Frau S. nicht in der Zeitung sehen. Sie fürchtet blöde Bemerkungen oder gar Nachteile, immerhin geht sie ja arbeiten. Derzeit allerdings nur geringfügig über eine Personalleasingfirma. Eben gerade so viel, dass sie als Alleinerzieherin und derzeit Arbeitslose nicht aufs Sozialamt muss.

"Working poor"

Frau S. wurde jung Mutter, ihr Sohn ist heute zwölf. "Ich habe die Handelsschule abgeschlossen, dann war ich schwanger", erzählt sie. Der Vater hat sich dann bald verabschiedet, Kontakt zu seinem Sohn hat er keinen. Die Alimente für seinen Sohn zahlte er anfangs schleppend, schließlich wurden gerichtlich 200 Euro im Monat festgelegt.

Frau S. arbeitet dann 40 Stunden die Woche, aber es bleibt am Ende des Monats von den 1000 Euro netto nichts über. "Working poor" nennen das die Sozialforscher. Und für ihren Sohn hat sie kaum Zeit: "Zum Kindergarten, in die Volksschule hetzen, abends im Stress den Buben holen, ich war fertig, das war kein Leben."

Bedürfnis nach Teilhabe

Und dann stockt plötzlich die Erzählung der sonst so selbstsicher wirkenden Frau. Irgendwie wollte sie sich und ihrem Sohn auch etwas gönnen, "da war der Reiz, mehr zu haben". Zu den Fixkosten kamen die ersten Schulden, dann neue Schulden, um die alten abzudecken. Und irgendwann wurden die Schulden unüberschaubar. "Ich habe das unterschätzt", sagt Frau S. heute.

Der Geschäftsführer der Salzburger Schuldenberatung Peter Niederreiter erklärt dieses "Unterschätzen" mit einer einfachen Faustregel: "In fünf Jahren verdoppeln sich die Schulden aufgrund der Zinsen und Kostenproblematik."

Der schwere erste Schritt zur Hilfe

Bei Frau S. wurden es über 20.000 Euro – Ende der Fahnenstange, Gehaltspfändung, die Schulden wurden existenzbedrohend. Frau S. wurde vergangenen Herbst gekündigt. Schließlich wandte sie sich nach einigem Zögern an die Schuldenberatung: "Es ist nicht leicht, um Unterstützung zu bitten." Damit war sie nun eine von 900 Menschen, die aktuell von der Salzburger Schuldenberatung betreut werden. Das Wichtigste im Fall von Frau S: Es ging rasch. Auch weil die Summe vergleichsweise gering ist. Im Schnitt stehen die Klienten und Klientinnen der Salzburger Schuldenberatung mit etwa 100.000 Euro in der Kreide.

Belastung Schulprojektwoche

Und wie geht sich das Leben aus? Frau S. hatte sich auf die sprichwörtlichen Beine gestellt, sie hat eine geförderte Mietwohnung bekommen. 520 Euro Fixkosten. Dazu kommen 100 Euro für die Nachmittagsbetreuung an der Schule und natürlich die 120 Euro Abschöpfung für den Privatkonkurs. Mit Alimenten, Arbeitslose und Familienbeihilfe blieben ihr etwa 700 Euro im Monat zum Leben. Die Schulprojektwoche für den Sohn um 180 Euro ist da schon eine riesige Belastung, ein Kinobesuch sei nur selten drin, zum Weihnachtsgeschenk des Buben zahle die Oma dazu.

Trotzdem: Zum Abschied sagt Frau S. etwas sehr Positives. "In fünf Jahren ist der Konkurs vorbei." Und ihrem Sohn gehe es in der Schule wieder gut, "auch weil ich wieder Zeit für ihn habe". (Thomas Neuhold, 20.2.2020)