Auf Ibiza erklärten die damaligen FPÖ-Granden Heinz-Christian Strache (rechts) und Johann Gudenus (links), wie man Spenden "vorbei am Rechnungshof" schleusen kann

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Schon wieder eine Großspende: Am 8. Mai 2018 war der blaue Nationalratsabgeordnete Markus Tschank wohl bester Stimmung. "Patria Austria hat €100 k erhalten!", schrieb er seinem damaligen Klubobmann Johann Gudenus per Whatsapp. "Top", antwortete dieser. Das ist nur einer von vielen Chats, die zeigen, wie intensiv sich FPÖ-Politiker mit einem Netzwerk an Vereinen beschäftigten, deren eigentlicher Zweck nach wie vor unklar ist. Ihre Existenz war nach dem berüchtigten Ibiza-Video publik geworden, in dem der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache davon sprach, dass man Spenden "vorbei am Rechnungshof" schleusen, also vor der Öffentlichkeit verstecken kann.

ORF

Ermittler versuchen seit dem Erscheinen des Videos im Mai 2019, derartige Vereine zu finden, übrigens nicht nur bei der FPÖ. Dort wurde man aber rasch fündig: Mindestens vier verdächtige Vereine wurden identifiziert. Vorstandspositionen werden von demselben Kreis an Personen belegt, darunter auch von Markus Braun, Schwager der "blauen Glücksfee" Peter Sidlo, dessen Bestellung zum Casinos-Vorstand Politik und Justiz beschäftigt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Im Zentrum des Netzwerks dürfte der Verein Austria in Motion stehen. Markus Braun ist dort Obmann, die Rechtsanwälte Tschank, Peter Skolek und Alexander Landbauer waren hintereinander Kassier.

"Österreichische Werte"

Laut einem von Braun beauftragten Wirtschaftsprüfer hatte der Verein im Mai 2019 rund 340.000 Euro zur Verfügung. Spenden dafür haben laut Ermittlern beispielsweise Gudenus und Strache gekeilt. Laut Zeugen gab Gudenus an, der Verein unterstütze "Personen, denen es schlecht gehe", sowie "österreichische Traditionen und Werte". Die Ermittler sehen das anders. Sie denken, dass Austria in Motion genau wie Patria Austria, "Wirtschaft für Österreich" und das "Institut für Sicherheitspolitik" (ISP) in "Absprache mit Heinz-Christian Strache bzw. Johann Gudenus" mit dem Vorsatz gegründet wurden, "finanzielle Zuwendungen für die FPÖ respektive Heinz-Christian Strache zu lukrieren".

Dementis der Betroffenen

Das wird von den Betroffenen dementiert. Tschank sagt etwa, dass "das ISP seit 2017 jedes Jahr ein intensives Jahresprogramm mit dem Verteidigungsministerium und anderen Kooperationspartnern abarbeitet und es niemals Zuwendungen an politische Parteien oder deren Funktionsträger gegeben hat". Auch Novomatic ist Sponsoringpartner des ISP.

Auch Gudenus bestreitet, dass die Vereine Geld für die FPÖ und Strache lukrieren sollten: "Meine Absicht war stets, den Aufbau unabhängiger Thinktanks zu fördern, damit der akademische Diskurs in Österreich politisch objektiver gestaltet werden kann", sagt der Ex-Politiker. Laut Ermittlern sollte übrigens Gudenus’ Ehefrau Tajana einen "Projektmanagement-Vertrag" bei Austria in Motion erhalten. Dazu kam es nie, sagt sie auf Anfrage des STANDARD.

Sie hätte in ihrer Karenz für 1000 Euro pro Monat ein Projekt betreuen sollen, doch das Ibiza-Video kam dazwischen. Beim Spendensammeln waren die Beteiligten sehr erfolgreich. Großzügige Unterstützung gab es beispielsweise von der Industrieliegenschaftsverwaltungs AG (Ilag) und deren hundertprozentiger Tochterfirma Ilag Vermögensverwaltungs GmbH. Die beiden Firmen, hinter denen die legendäre Turnauer-Familie steht, überwiesen zwischen November 2015 und August 2018 insgesamt 475.000 Euro an FPÖ-nahe Vereine.

Hans Herzog, Geschäftsführer der Ilag Vermögensverwaltungs GmbH und Vorstand der Ilag, wurde vergangene Woche von den Ermittlern einvernommen. "Wir haben nie Parteispenden an die FPÖ geleistet, dazu würde ich einen Eid ablegen. Wir haben an Vereine gespendet", sagt er im STANDARD-Gespräch. Die Ilag ist politisch gut vernetzt, dort arbeitete bis März 2019 der jetzige Volksanwalt Werner Amon (ÖVP), im Aufsichtsrat sitzt Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Auch an die ÖVP spendeten Ilag und Ilag Vermögensverwaltung in der Vergangenheit.

Steyr Arms überwies Spende

Ein weiterer Großspender an die blauen Vereine ist die Steyr Arms GmbH: Sie überwies im Oktober 2017 – drei Tage vor den Nationalratswahlen – exakt 75.000 Euro an Austria in Motion. Die Mutterfirma SMH GmbH "verschriftlichte" die von den Organen behaupteten mündlichen Beschlüsse dazu erst im September 2019, also nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos. Das stufen die Ermittler als "nicht üblichen Vorgang" ein. Ein Sprecher von Steyr Arms meint, die Spende sei in Erwartung eines Beitrags zum öffentlichen Diskurs getätigt worden. Mit dem nachträglichen Beschluss sei dafür gesorgt worden, dass alles seine Richtigkeit habe.

Die Aufklärungsarbeiten sind noch im Gange: Zahlreiche Spender wurden noch nicht einvernommen, andere Zuwendungen oder in Chats erwähnte Beträge noch nicht zugeordnet. Allerdings werfen die bisherigen Ergebnisse Fragen darüber auf, wie bekannt das Vereinskonstrukt innerhalb und außerhalb der FPÖ war. So schrieb Tirols FP-Obmann Markus Abwerzger 2019 an Strache, dass die Industriellenvereinigung keine "versteckten" Zahlungen an einen Verein tätigen wolle. IV-Tirol-Geschäftsführer Eugen Stark bestätigt ein Gespräch mit der FPÖ über Spenden. Man sah davon ab, da nur offizielle Zuwendungen möglich seien. Abwerzger sagt dazu, dass die IV an ÖVP, FPÖ und Neos – ihrer Ansicht nach "wirtschaftsfreundliche" Parteien – spenden wollte. Er wollte diese Spende einem Charity-Verein zur Verfügung stellen. Von dem blauen Vereinsnetzwerk will er erst "nach Ibiza" erfahren haben.

In einer Chatgruppe, in der über die Vereine gesprochen wurde, waren neben Strache und Gudenus auch Harald Vilimsky, der jahrelang Generalsekretär der FPÖ war. "Vom Verein Austria in Motion habe ich gehört, war aber weder an der Gründung noch sonst damit beschäftigt", sagt Vilimsky. Er verweist darauf, dass kein Geld an die FPÖ geflossen sei.

Ex-ÖVP-Abgeordneter brachte Spender zu Strache

Einen weiteren Spender machte Ex-ÖVP-Abgeordneter Hannes Rauch mit Strache bekannt, wie Rauch bestätigt. Es handelt sich um den Tiroler Immobilienentwickler Markus Schafferer, dem die Gesellschaft Pema gehört. Er traf sich im Beisein Rauchs mit Strache. Schafferer wollte der FPÖ "etwas Gutes tun", soll der Immobilienmann einem Kompagnon erklärt haben – und wies diesen an, 10.000 Euro an Austria in Motion zu überweisen. Der Grund: Schafferer wolle "nicht öffentlich aufscheinen". Schafferer war für den STANDARD nicht zu sprechen. (Renate Graber, Fabian Schmid, Andreas Schnauder, 19.2.2020)