Peking/Wuhan – Im Kampf gegen das neuartige Corona-Virus haben neue Infektionsherde in und außerhalb Chinas die Weltgesundheitsorganisation WHO alarmiert. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte am Freitag, das "Zeitfenster" zur Eindämmung der Epidemie schließe sich. Zuvor waren neue Infektionsherde sowohl aus China als auch aus mehreren anderen Ländern gemeldet worden.

"Wir sind immer noch in einer Phase, wo die Eindämmung möglich ist", sagte Ghebreyesus. "Aber das Zeitfenster schließt sich immer mehr." Wenn die Welt jetzt nicht "hart" gegen das Virus vorgehe, werde sie vor einem "schwerwiegenden Problem" stehen.

Weltweit neue Fälle

Neue Infektionsherde in China, eine deutliche Zunahme der Ansteckungen in Südkorea und neue Fälle im Iran, in Israel, Italien und im Libanon – bei der Epidemie des neuartigen Coronavirus zeichnet sich keine Entspannung ab.

Das Coronavirus erklärt.
DER STANDARD

In etwa 25 weiteren Ländern wurden insgesamt rund 1.100 Infektionen nachgewiesen, 13 Infizierte starben. Besonders besorgniserregend ist die Lage in Südkorea: Bei 204 Menschen wurde bis Freitag das Virus nachgewiesen, vor allem in Daegu. Mehr als 120 von ihnen gehören der Shincheonji Church of Jesus an. Die Verbreitung des Virus in der christlichen Sekte ging nach Behördenangaben von einer 61-jährigen Anhängerin aus, die Virustests zunächst verweigert hatte und weiter zu Gottesdiensten in Daegu ging. "Mit so vielen Fällen hier habe ich Angst, dass Daegu zum zweiten Wuhan wird", sagte Einwohner Seo Dong-min.

Situation in China

Die chinesischen Behörden räumten ein, dass es in mehreren Gefängnissen des Landes mehr als 500 Infizierte gebe. 230 Infektionen wurden allein im Frauengefängnis in Wuhan, dem Epizentrum der Epidemie, registriert. Außer in der Provinz Hubei gibt es auch in den östlichen Provinzen Shandong und Zhejiang Gefängnisse mit Coronavirus-Fällen. Zudem traten im Pekinger Fuxing-Krankenhaus gehäuft Neuinfektionen auf.

Chinas Staatschef Xi Jinping sagte bei einer Politbüro-Sitzung, der Höhepunkt der Epidemie sei "noch nicht gekommen", vor allem die Lage in Hubei sei weiterhin "düster und kompliziert". In Hubei war im Dezember der Erreger der Atemwegserkrankung Covid-19 erstmals bei Menschen festgestellt worden. In Festlandchina steckten sich nach Behördenangaben bisher rund 75.000 Menschen mit dem Virus an, mehr als 2.200 von ihnen starben.

16 Infizierte in Italien

In Norditalien haben sich mehrere Menschen angesteckt. 14 Fälle wurden in der lombardischen Provinz Lodi gemeldet, zwei weitere im Raum von Padua, teilten die Gesundheitsbehörden mit. Hunderte Menschen wurden unter Quarantäne gestellt. In mehreren Gemeinden im Raum Lodi wurden öffentliche Lokale und Schulen geschlossen.

Italiens Premier Giuseppe Conte sagte in Brüssel, dass seine Regierung eine neue Verordnung zur Isolation von Kontaktpersonen erlassen habe. Alle Personen mit Kontakt zu Infizierten müssen danach obligatorisch in zweiwöchiger Quarantäne.

Iran und Libanon

Im Iran stieg die Zahl der Infizierten auf 18 – vier von ihnen starben. In den meisten Fällen handle es sich entweder um Menschen aus der Stadt Kom oder solche, die in den vergangenen Tagen oder Wochen dort waren, erklärte das Gesundheitsministerium. Kom ist sowohl ein Zentrum für islamische Studien als auch ein beliebtes Touristenziel. Wegen der Situation im Iran untersagte der Irak alle Reisen in und aus dem Nachbarland. Kuwait schränkte den Reiseverkehr ein.

Iranische Ärzte beim Fiebermessen.
Foto: Hussein FALEH / AFP

Auch der Libanon vermeldete am Freitag die erste Coronavirus-Patientin, sie hatte sich laut Gesundheitsministerium kürzlich in Kom aufgehalten. In Ägypten und in den Vereinigten Arabischen Staaten gibt es ebenfalls Infektionsfälle.

Wirtschaftliches Chaos

Der chinesische Automarkt ist wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus nahezu vollständig eingebrochen: In den ersten beiden Februarwochen seien die Verkaufszahlen um 92 Prozent im Vorjahresvergleich zurückgegangen, teilte der chinesische Autobauerverband CPCA am Freitag mit. So seien vom 1. bis 16. Februar nur 4.900 Fahrzeuge verkauft worden. Im selben Zeitraum des Vorjahres seien fast 60.000 Autos abgesetzt worden.

Der Verband rechnet auch nicht mit einer raschen Erholung. Für den gesamten Monat geht er von einem Rückgang der Verkaufszahlen um bis zu 70 Prozent im Vorjahresvergleich aus. Auf die zwei Monate Jänner und Februar dieses Jahres gerechnet könne der Einbruch bei 40 Prozent liegen. China ist der wichtigste Automarkt der Welt. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus und die Gegenmaßnahmen der Regierung fügen der Wirtschaft des Landes insgesamt massiven Schaden zu. (APA, red, 20.2.2020)