In Island ließ sich die Lohnschere durch gezielte Maßnahmen deutlich schließen.

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Einkommensgerechtigkeit gehört zu jenen frauenpolitischen Forderungen, die auf Unterstützung aus allen politischen Lagern stoßen. Zumindest grundsätzlich und rein theoretisch. Geht es allerdings um konkrete Maßnahmen und Details, wird über Einkommensgerechtigkeit viel gestritten – auch außerhalb der Politik. Wie groß ist die Lohnschere tatsächlich? Was hilft? Müssen Frauen einfach besser verhandeln? Geht ohne strenge gesetzliche Regelungen zu Lohngerechtigkeit überhaupt irgendwas weiter?

Am 25. Februar ist, neben einem weiteren Termin im Herbst, Equal Pay Day. Den Frühjahrstermin errechnet die Plattform Business and Professional Women Austria auf Basis von Daten der Statistik Austria. Diesen zufolge verrichten Frauen in Österreich 56 Tage unbezahlte Lohnarbeit, womit Frauen – symbolisch gesprochen – erst ab 25. Februar Lohn für ihre Lohnarbeit bekommen.

Erklärende, aber nicht faire Faktoren

In Österreich liegt laut Statistik Austria der Gender Pay Gap gemessen an den Bruttostundenverdiensten in der Privatwirtschaft bei 19,9 Prozent. Berücksichtigt man Branche, Beruf, Bildungsniveau, Vollzeit/Teilzeit und weitere Merkmale, reduziert sich der Lohnunterschied auf 13,6 Prozent. Diese Zahl zeigt an, wie groß jene Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen ist, die nicht erklärt werden kann – und deshalb Lohndiskriminierung vorliegen könnte.

Doch auch bei den erklärenden Faktoren wie Branche oder Teilzeit ist Diskriminierung im Spiel. "Nur weil wir viele Faktoren haben, die eine Gehaltsdifferenz erklären, heißt das noch nicht, dass sie dadurch fairer wird", sagt Katharina Mader, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Verteilung der unbezahlten Arbeit, das in Österreich starke Senioritätsprinzip oder die niedrige Entlohnung in typischen Frauenberufen, das alles füge sich zu einer gesellschaftlichen Struktur zusammen, die diskriminiert, sagt Mader. "Ich diskriminiere dich, weil du eine Frau bist", so laufe Lohndiskriminierung natürlich nicht ab.

Wer zahlt, schafft an

Obwohl heute kaum mehr von einem offenen Zwang gesprochen werden kann, mehr Kinderbetreuung als der Partner zu leisten, und man somit in die Rolle der "Zuverdienerin" gedrängt wird, reproduzieren soziale Erwartungen und fehlende Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit die Lohnungleichheit und damit auch eine Machtschieflage. "Verhandlungsmacht ist in einem Haushalt eng daran geknüpft, wer die größeren finanziellen Ressourcen einbringt", sagt Mader. Jene, die weniger Geld verdienen, haben weniger Verhandlungsmacht und übernehmen am Ende meist mehr unbezahlte Arbeit und sind wiederum deshalb weniger in den Arbeitsmarkt integriert.

"In Österreich haben wir auch noch das Problem, dass in typischen Frauenberufen oft nur Teilzeitstellen angeboten werden, etwa im Handel", sagt Mader. Trotzdem gehe man noch immer davon aus, dass sich die Arbeitsteilung jedes Paar selbst aushandeln kann und auch muss. "Wenn es aber kein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen gibt, ist diese Aushandlung nichts, was einen individuellen Haushalt betrifft."

Zeiterhebungsstudien, wie sie jetzt im aktuellen Regierungsprogramm angekündigt sind, liefern zwar Hinweise auf die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit, die den Gender Pay Gap offen hält. Allerdings haben Studien gezeigt, dass Frauen ihre unbezahlten Tätigkeiten unterschätzen – und das schlägt sich auf Daten, die auf Befragungen basieren, nieder.

Island macht es anders

Etwa wenn man Kochen und Auf-das-Baby-Schauen immer gleichzeitig macht und deshalb nur eines von beidem angibt. Und: Es gebe bei Umfragen immer den Faktor der sozialen Erwünschtheit, "was wird von mir als Frau, was von mir als Mann erwartet", erklärt die Ökonomin. Trotzdem seien Erhebungen wie diese wichtig in Hinblick auf den Gender Pay Gap: "Es geht um Sichtbarkeit, solche Studien zeigen, wie viel unbezahlte Arbeit überhaupt in Haushalten passiert." Allerdings müssten Analysen wie diese auch zu politischen Maßnahmen führen.

Und damit hält man sich in Österreich zurück – zumindest im Vergleich mit Island, wo es den niedrigsten Gender Pay Gap im Verhältnis zur Erwerbsbeteiligung gibt. Der Lohnschere bei gleichen Stunden und gleichwertiger Arbeit beträgt knapp sechs Prozent. In Island hat man sich die beobachtbaren Faktoren des Gender Pay Gap angesehen und genau bei diesen mit Maßnahmen angesetzt. Problem: Zu hoher Anteil von Teilzeit bei Frauen? Lösung: Flächendeckende Kinderbetreuung und eine Karenzregelung, bei der Männer und Frauen ihre Karenz fair verteilen müssen, wenn sie keine finanziellen Einbußen möchten. Heute gehen in Island 80 Prozent der Männer in Karenz, und zwar mindestes drei Monate und länger. In Österreich bezieht gerade mal jeder fünfte Vater Kinderbetreuungsgeld*, und von denen gehen die meisten maximal zwei Monate in Karenz.

Auch das Verbot, bei gleichwertiger Arbeit ungleich zu bezahlen, trägt zur gering ausgeprägten isländischen Lohnschere bei. Unternehmen müssen vorweisen, dass sie für gleichwertige Arbeit gleich viel bezahlen. "Damit hat man auch auf Betriebsebene stark zu einer Bewusstseinsbildung angestoßen", lobt Mader das Gesetz. Das Spannende am Island-Beispiel sei auch, dass die Kontrollarbeit durch die Sozialpartnerschaft passiert. "Es liegt auf der Hand, dass wir für Österreich etwas Ähnliches angehen könnten, nachdem wir hier ähnliche Strukturen in Hinblick auf die Sozialpartnerschaft haben."

Bewusstsein auf Betriebsebene

Das in Österreich gültige Lohntransparenzgesetz hat sich hingegen auf den Gender Pay Gap nicht merklich ausgewirkt. "Dass man für sich selber beim Betriebsrat herausfinden muss, ob der Kollege im Nebenbüro mehr verdient, individualisiert das Problem", sagt Mader. Doch diese Verantwortung der Einzelnen wird in Debatten um die Lohnschere tatsächlich oft vorgebracht: Besser verhandeln lernen wäre doch auch ein Option. "Es stimmt, Untersuchungen ergeben, dass sich Männer im Job tendenziell überschätzen und Frauen sich eher unter dem Wert verkaufen. Aber da wir in Österreich stark über die Kollektivverträge gebunden sind, betrifft das bei uns eine Minderheit", so Mader, die Bewusstseinskampagnen wie den Equal Pay Day durchaus skeptisch sieht. "Darauf kann man sich ganz gut ausruhen. Zweimal im Jahr hören es alle, und es nervt irgendwie alle – vielleicht hat das sogar eine gegenteilige Wirkung."

Wichtiger als Kampagnen wären klare politische Ziele und danach gesetzte Maßnahmen. Mader: "Gleichstellung muss etwas Positives werden, ein Unternehmen sollte doch stolz darauf sein, dass es keine Lohnunterschiede gibt." Solange es "Rabenmütter" sind, wenn Frauen mehr als "zuverdienen", wird sich laut Mader in diesem "ganz schön konservativen Land kaum etwas ändern". (Beate Hausbichler, 24.2.2020)