Täglich gewinnen Forscher neue Erkenntnisse über Covid-19.

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Das neuartige Coronavirus verhält sich eher wie der Auslöser von Influenza und nicht wie das Sars-Virus. Damit könnte es sich leichter ausbreiten als bisher angenommen, schreiben chinesische Forscher im "New England Journal of Medicine". Konkret analysierten die Wissenschafter die Nasen- und Rachenabstriche von 18 an Covid-19 erkrankten Patienten. In einem Fall war das Virus in Nase und Rachen nachweisbar, obwohl der Patient keine Symptome hatte.

Das neuartige Coronavirus ist nicht mit dem eng verwandten Sars-Virus vergleichbar, betonen die Studienautoren. Im Gegensatz zum schweren akuten respiratorischen Syndrom (Sars), das Infektionen tief in den unteren Atemwegen verursacht, die zu einer Lungenentzündung führen können, scheint Covid-19 sowohl die oberen als auch die unteren Atemwege zu befallen. Dadurch sei es nicht nur in der Lage, eine schwere Lungenentzündung zu verursachen, sondern sich ähnlich schnell wie die Influenza auszubreiten.

"Das Virus kann sich viel besser zwischen Menschen ausbreiten als jedes andere neuartige Coronavirus, das wir jemals gesehen haben. Damit ähnelt es eher der Ausbreitung der Grippe", sagt der US-Immunologe Kristian Anderson von Scripps Research in La Jolla, Kalifornien, der nicht an der Studie beteiligt war.

Einen Impfstoff entwickeln

Unter den 17 symptomatischen Patienten stellte das Team fest, dass die Viruskonzentration kurz nach dem ersten Auftreten der Symptome anstieg, wobei in der Nase höhere Virusmengen als im Rachen gemessen wurden. Der Virusgehalt des asymptomatischen Patienten war ähnlich wie bei Patienten mit Fiebersymptomen. "Das heißt, das Virus kann aus den oberen Atemwegen ausgeschieden werden, auch von asymptomatisch erkrankten Menschen", sagt Gregory Poland, Virologe und Impfstoffforscher an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota.

Umso wichtiger wäre es, so rasch wie möglich einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln. Vonseiten der WHO hieß es allerdings kürzlich, dass möglicherweise erst in 18 Monaten ein Impfstoff verfügbar sein wird.

Viraler Schlüssel, um Wirt zu befallen

Ein wesentlicher Schritt für die Entwicklung einer Vakzine ist es, den genauen Mechanismus zu entschlüsseln, wie das Virus die Wirtszellen infiziert. Forschern der University of Texas und des National Institute of Health ist genau das gelungen, sie haben die Struktur des sogenannten Spike-Proteins entschlüsselt, mit dem das neuartige Coronavirus an menschliche Zellen andockt.

Ein virales Spike-Protein ist wie ein Schlüssel, der "die Tür öffnet", um Zugang zu den Zellen des Wirts zu erhalten, in diesem Fall des Menschen. Für die Entwicklung eines Impfstoffs muss zunächst verstanden werden, wie dieser Schlüssel aussieht und auf welches "Schlüsselloch" er in menschlichen Zellen abzielt. "Das Spike-Glycoprotein der Coronaviren ist ein Schlüsselziel für die dringend benötigten Impfstoffe, die therapeutischen Antikörper und Diagnostika", sagt Daniel Wrapp von der University of Texas.

Die Forscher definierten die Struktur des Spike-Proteins von 2019-nCoV mithilfe einer Technik, die als Kryoelektronenmikroskopie oder "Cryo-EM" bezeichnet wird. Dabei wird das Protein rasch auf unter –150 Grad Celsius gekühlt und quasi schockgefroren. Dadurch lässt sich der für die Bindung an die Zelle wichtige Teil des Proteins dreidimensional und mit atomgenauer Auflösung darstellen. So konnte auch das "Schlüsselloch", der Wirtszellrezeptor, identifiziert werden: Es ist ein menschliches Protein namens Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2), das gleiche menschliche Rezeptorprotein, auf das das Sars-Virus abzielt.

Hohes Ansteckungspotenzial

Der entscheidende Unterschied jedoch: Das neue Coronavirus ist offenbar besser an die menschliche Zelle angepasst als seine Vorgänger. "Überraschenderweise bindet ACE2-Rezeptor mit zehn- bis 20-fach höherer Affinität an die Spike-Bindestelle des neuen Coronavirus als bei Sars", betonen die Forscher. "Das könnte erklären, warum sich dieses Virus so leicht von Mensch zu Mensch verbreitet."

Ergänzende Experimente zeigten außerdem, dass sein Spike-Protein nicht auf bereits existierende Antikörper gegen die beiden verwandten Virenarten Sars und Mers reagiert. "In Tests mit drei monoklonalen Antikörpern gegen Sars konnte keine Bindung an das Spike-Protein von Sars-CoV-2 detektiert werden", berichten die Forscher. "Da wir nun aber die atomgenaue Struktur des Spike-Proteins kennen, haben wir einen wichtigen Schritt zur Entwicklung des Designs von Impfstoffen und antiviralen Mitteln gemacht", so das Fazit von Wrapp und seinen Kollegen. (red, 21.2.2020)