Alpha-Experiment am europäischen Kernforschungszentrum Cern spürt der Antimaterie hinterher.
Foto: Maximilien Brice/CERN

Genf – Warum existiert der Kosmos in der von uns wahrgenommenen Form? Warum gibt es Sterne, Planeten und damit letztlich auch uns Menschen? Diese Fragen sind nicht ausschließlich philosophischer Natur, sondern haben einen durchaus physikalischen Hintergrund: Nach dem aktuell gültigen Standardmodell müsste bei der Geburt des Universums gleich viel Materie und Antimaterie entstanden sein. Da allerdings Materie- und Antimaterieteilchen beim Zusammentreffen in einem Energieblitz vernichtet werden, sollte mittlerweile außer Strahlung nichts mehr vorhanden sein. Da dem offensichtlich nicht so ist, muss es irgend eine Form von Ungleichgewicht oder Unterschied zwischen den beiden Materieformen geben. Diesem existenziellen Rätsel sind auch Physiker am Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf auf der Spur.

Doch jüngste Experimente haben bei der Messung eines Quanteneffekts erneut keinen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie – konkret zwischen Wasserstoff und Anti-Wasserstoff – festgestellt, immerhin aber zu neuen Erkenntnissen über das Gegenstück zum "herkömmlichen" Wasserstoff geführt. Konkret berichtet das internationale Forscherteam des Alpha-Experiments im Fachjournal "Nature" von Resultaten, die den Weg für noch präzisere Messungen ebnen.

Antimaterie in der Magnetfalle

Die Wissenschafter können bereits seit einigen Jahren unter großem Aufwand Anti-Wasserstoff-Atome herstellen, in einer Magnetfalle unter Hochvakuum einfangen und mittlerweile über mehrere Tage aufbewahren und damit experimentieren. Indem sie die Anti-Atome in der Magnetfalle mit Laserlicht anregen, können sie die Übergänge der Positronen zwischen verschiedenen Energieniveaus messen. So berichteten sie zuletzt 2018 von Messungen der sogenannten "Lyman-alpha-Elektronentransition", einem Übergang eines (Anti-)Elektrons vom niedrigsten Energielevel auf ein höheres.

In der neuen Studie gingen die Wissenschafter noch mehr ins Detail des angeregten Zustands und konnten dessen sogenannte Feinstruktur vermessen. Gemeint ist damit die Zusammensetzung dieses Energieniveaus aus mehreren Energiewerten. Zudem untersuchten sie die sogenannte "Lamb-Verschiebung", einen quantenphysikalischen Effekt, der zu geringfügigen Differenzen bei diesen Energiewerten führt. Die Entdeckung dieses Effekts durch Willis Lamb vor rund 70 Jahren legte die Basis für die Quantenelektrodynamik, die Theorie, wie Materie mit Licht interagiert.

Anti-Wasserstoff noch präziser vermessen

Sowohl bei der Feinstruktur als auch der Lamb-Verschiebung konnten die Forscher keinen Unterschied zwischen Anti-Wasserstoff und Wasserstoff feststellen. Auch wenn sich damit also noch keine Antwort auf das Rätsel der Existenz von Materie abzeichnet, werten die Forscher die neuen Ergebnisse als Erfolg. Denn sie verhelfen zu neuen Methoden, Anti-Wasserstoff in Zukunft noch präziser zu untersuchen.

Der nächste Schritt sei, große Mengen von Anti-Wasserstoff mithilfe modernster Lasertechnik zu kühlen und damit exaktere Messungen und Vergleiche anzustellen denn je, wie Jeffrey Hangst, Sprecher des Alpha-Experiments, erklärt. (red, APA, 20.2.2020)