Richard Grenell geht zurück nach Washington.
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Die Bestätigung folgte, wie so oft, wenn Donald Trump Personelles zu verkünden hat, über den Kurzmitteilungsdienst Twitter. Er freue sich, bekanntgeben zu können, dass der hochgeschätzte Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, neuer amtierender Geheimdienstkoordinator werde: "Rick hat unser Land überaus gut vertreten, und ich freue mich darauf, mit ihm zu arbeiten", schrieb der Präsident über den Diplomaten, der sich 2018 als Bewunderer von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zu erkennen gegeben hatte. Gegenüber der ultrarechten Webseite "Breitbart" meinte der Diplomat damals, er empfinde für diesen großen Respekt: "Sebastian Kurz ist ein Rockstar. Ich bin ein großer Fan."

Am Mittwochabend amerikanischer Ostküstenzeit, als Trump seinen Tweet absetzte, hatte das Gerücht über die bevorstehende Ernennung längst die Runde gemacht. Die Entscheidung soll Trump laut Berichten der New York Times und der Washington Post getroffen haben, nachdem Geheimdienstmitarbeiter in der vergangenen Woche Abgeordnete des Repräsentantenhauses in einem geheimen Treffen informiert haben, dass Russland sich in die Wahlkampf 2020 einmische. Demnach will die Führung in Moskau bewirken, dass Trump wiedergewählt werde.

Weil der US-Präsident seither befürchte, dass die Demokraten die Einmischung Russlands gegen ihn im Wahlkampf verwenden werden, beschmipfte er anscheinend den stellvertretenden Direktor des nationalen Geheimdienstes, Joseph Maguire: Dieser habe demnach zugelassen, dass das Geheimtreffen stattfinde. Ob die Absetzung Maguires tatsächlich im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Enthüllungen steht, ist allerdings nicht klar.

Trump-Unterstützer

Es war jedenfalls nicht das erste Mal, dass Grenell als Anwärter auf ein höheres Amt gehandelt wurde. Vor zwölf Monaten hieß es, er wechsle womöglich von Berlin nach New York, um die Leitung der UN-Botschaft der USA zu übernehmen und damit ins Kabinett aufzurücken. Damals handelte es sich um eine Zeitungsente, diesmal stimmte, was an der Nachrichtenbörse gehandelt worden war.

Befördert wird ein Diplomat, der seine Rolle anders interpretierte, als es der Verhaltenskanon der diplomatischen Praxis nahelegt. Ein Botschafter, der sich eher als ideologischer Vorkämpfer verstand, weniger als zurückhaltender, abwägender Interessenvertreter seines Landes. "Ich möchte andere Konservative in Europa, andere Anführer, definitiv stärken", sagte Grenell der rechtspopulistischen Onlineplattform "Breitbart", nachdem er im Frühjahr 2018 in Deutschland gelandet war. Es gebe eine Grundströmung konservativer Politik, die sich durchsetze, weil die Politik der Linken gescheitert sei.

Bruch mit den Gepflogenheiten

Gleich an seinem ersten Amtstag hatte er für Unmut gesorgt, als er via Twitter mitteilte, deutsche Firmen, die im Iran tätig seien, sollten ihre Geschäfte sofort herunterfahren. Schon das rieb sich an den Gepflogenheiten der Diplomatie, nach denen man dem Gastgeber keine Lektionen erteilt. Von da an sprach Grenell immer wieder polemisch an, was auch Trump den Deutschen ankreidete. Dass sie zu wenig Geld in ihr Militär steckten, in der Nato finanzielle Zusagen nicht einhielten, dass sie trotz des Ausstiegs Washingtons am Nukleardeal mit Iran festhielten und den chinesischen Telekomriesen Huawei nicht vom Ausbau des G5-Netzes ausschlössen. Grenell, schreibt die "New York Times" in einer Bilanz, habe gleichwohl auch Erfolge vorzuweisen. So habe er Deutschland dazu gebracht, künftig mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren.

Wie Trump scheute der angriffslustige Botschafter nicht davor zurück, den Medien "Fake-News" vorzuwerfen. Erst im Jänner forderte er die "Washington Post" auf, einen Bericht zurückzuziehen, der nach seinen Worten auf erfundenen Quellen beruhte. Der Zeitung zufolge soll das Weiße Haus mit Zöllen auf Autoimporte aus Europa gedroht haben, falls die EU nicht auf einen härteren Kurs gegenüber Teheran einschwenkt. Und als der ratlos wirkende Justizminister William Barr neulich erklärte, wenn Trump sich ständig twitternd in juristische Angelegenheiten einmische, könne er seinen Job nicht machen, war es Grenell, der den Kontrapunkt setzte. Die Tweets des Präsidenten, sagte er bei dem Sender Fox News, machten seinen Job um so vieles einfacher.

Loyalität vor Kompetenz

Eine solche Loyalität steht bei Trump hoch im Kurs, im Zweifelsfall rangiert sie vor fachlicher Qualifikation. Nach dem Treueprinzip hat er sein Kabinett umgebaut: Gestandene, aber durchaus kritische Ratgeber wie Außenminister Rex Tillerson oder Pentagonchef James Mattis mussten Platz machen für Politiker wie Mike Pompeo und Mark Esper, die allenfalls durch die Blume widersprechen. Ähnlich verhält es sich mit der Causa Grenell. Bis Juli 2019 war Dan Coats "Director of National Intelligence", ein Republikaner alter Schule, Ex-Senator aus Indiana und Ex-Botschafter in Deutschland. Der hatte, um nur ein Beispiel zu nennen, den Fehler begangen, die Erfolgsaussichten der Atomverhandlungen mit Nordkorea deutlich skeptischer zu beurteilen als Trump, der ganz auf den persönlichen Draht zum Diktator Kim Jong-un setzte.

Auf Coats folgte, allerdings nur kommissarisch, Joseph Maguire, ein Admiral der Kriegsmarine. Auf Maguire folgt Grenell – wie sein Vorgänger zunächst nur interimistisch bestellt. Ein amtierender Direktor braucht vom Senat nicht bestätigt zu werden, was Trump kontroverse Personaldebatten im Parlament für eine Weile erspart. Manche Republikaner dort, berichten US-Medien, habe die Berufung Grenells nämlich auf dem falschen Fuß erwischt.

Während sie sich einstweilen in Schweigen hüllen, bringt der demokratische Senator Mark Warner, die Nummer zwei des Geheimdienstausschusses der Kammer, die Kritik auf den Punkt. Der Präsident, tadelt er, habe "eine Person" ausgewählt, der jegliche Geheimdiensterfahrung abgehe.

Als permanenten Geheimdienstkoordinator erwägt Donald Trump derzeit den republikanischen Abgeordneten Doug Collins, wie der Präsident am Donnerstag (Ortszeit) gegenüber Journalisten sagte. (Frank Herrmann aus Washington, red, 20.2.2020)