Die "Art Basel Hong Kong" gilt als wichtigste Kunstmesse Südostasiens. 2019 kamen 88.000 Besucher, die heurige Auflage wurde aufgrund der Epidemie abgesagt.

Foto: Art Basel

Eines ist jetzt schon gewiss: Das Coronavirus wird in der Chronik des internationalen Kunstmarktes Spuren hinterlassen. Allein des nahezu minutiös auf internationaler Ebene abgestimmten Terminplans wegen, der nun einigermaßen durcheinandergerät.

In den letzten Tagen häuften sich Verschiebungen traditioneller Verkaufsevents. Die ursprünglich für Mitte März anberaumte Art Basel Hong Kong wurde annulliert. Als Trostpflaster wird der Veranstalter nun "online viewing rooms" bieten.

In den Bilanzen der Betroffenen wird sich die Absage trotzdem spiegeln. Auch bei den lokal ansässigen Galerien, deren Business seit Monaten teils nur mehr "by appointment" lief – eine Folge der anhaltenden Proteste der Demokratiebewegung und der sukzessiven Eskalation der Zusammenstöße mit der Polizei.

Die Hoffnung auf eine mit der wichtigsten Kunstmesse Südostasiens verknüpfte Kompensation entgangener Umsätze zerschlug sich. Kaum hatte die WHO am 30. Jänner aufgrund der Verbreitung von Covid-19 den Gesundheitsnotstand erklärt, verschärfte sich die Situation und mehrten sich laut internationalen Galerien die Absagen wichtiger Klienten und Sammler. Für die Teilnehmer stand somit eine wirtschaftliche Bruchlandung im Raum.

Kostenfaktor Covid-19

Die Museen in Hongkong waren da bereits auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, und Reiseeinschränkungen traten in Kraft. Messebesucher aus China hätten aufgrund der Quarantäneverordnung zwei Wochen vor der Eröffnung anreisen müssen.

Davon hätten selbst ambitionierte Kunstsammler eher abgesehen. Ob die Behörden einem Event mit 240 Galerien und Mitarbeitern aus aller Welt samt einem erwartbaren Zulauf von etwa 80.000 Besuchern zugestimmt hätten, blieb offen.

In den vergangenen zehn Jahren entwickelte sich China zu einem wichtigen Player auf dem internationalen Kunstmarkt. Der Marktanteil lag 2018 bei 19 Prozent. Von der Kaufkraft chinesischer Sammler profitierten in den vergangenen Jahren vor allem die USA aber auch Europa
Foto: Art Basel / Jessica Hromas

Nach Tagen des Zögerns und ersten Stornierungen und unter wachsendem Druck namhafter Galerien aus Europa und den USA sagte der Veranstalter die heurige Auflage schließlich ab. Zu spät, meinen manche. Viele Kunstwerke waren längst verschifft und müssen nun zurückbeordert werden.

Vom Organisationsaufwand abgesehen bleiben Kosten, die, wenn überhaupt, über eine Ausfallsversicherung gedeckt wären. Wegen des lokalen Sicherheitsrisikos waren im Vorfeld die Versicherungstarife für die Kunstwerke, die auf der Messe präsentiert werden sollten, explodiert: auf das Zwanzigfache der sonst üblichen Prämien.

Vom Veranstalter wurde den Galerien nun die Rückerstattung von 75 Prozent bereits bezahlter Standmieten in Aussicht gestellt. So weit die aktuelle Situation an der Messefront in Asien. Inwieweit die in Europa anstehenden Formate wie die Arco Madrid (26. 2. bis 1. 3.) oder die Tefaf in Maastricht (7. bis 15. 3.) vom Fernbleiben der kaufkräftigen Klientel aus Asien betroffen sein dürften, wird sich weisen.

Wichtiger Player

Die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie sind momentan nicht absehbar. Auch nicht, ob sie nur China mit seinen Kunstmetropolen Hongkong, Schanghai und Peking treffen werden. Oder in welchem Ausmaß sich die Auswirkungen in New York, London oder anderswo in Europa bemerkbar machen könnten.

Die gegenwärtige Situation ist nicht mit der Sars-Pandemie 2002/2003 vergleichbar. Denn China entwickelte sich erst in der vergangenen Dekade zu einem wichtigen Player auf dem Kunstmarkt. Noch 2008 lag der Marktanteil am globalen Business bei neun Prozent, stieg 2011 auf den vorläufigen Höchstwert von 30 Prozent und zuletzt auf 19 Prozent im Jahr 2018.

In Milliarden ausgedrückt setzte die Branche in China demnach 2018 mehr als 67 Milliarden Dollar um. Diese Daten basieren auf Analysen der amerikanischen Kunstmarktökonomin Clare McAndrew, in denen jedoch die Relevanz chinesischer Klienten für den Rest der Welt unberücksichtigt bleibt.

Verschobene Auktionstermine

Tatsächlich profitieren die USA und Europa seit Jahren enorm von ihrer Kaufkraft, egal ob es um historische Asiatika oder um Kunst der Klassischen Moderne und der Gegenwart geht. Davon könnten Buchhalter großer und kleiner Auktionshäuser ebenso wie Kunsthändler und Galeristen ein treffliches Liedchen trällern – wenn sie denn singen wollten.

In der Auktionsbranche läuft das Geschäft mit asiatischen Käufern derzeit offenbar unverändert. Ein Rückgang der Nachfrage sei nicht erkennbar, wie die Marktführer auf Anfrage zu den jüngst in London abgehaltenen Auktionen informieren.

David Hockneys Gemälde "30 Sunflowers" gilt als Highlight der von Sotheby’s Anfang April anberaumten Auktionen in Hongkong. Der Termin wackelt, die monetären Erwartungen nicht: Es soll rund zehn Millionen Dollar einspielen und würde dem derzeitigen Eigentümer einen satten Gewinn bescheren. Er hatte das Bild 2011 bei Phillips in New York für 2,5 Millionen Dollar ersteigert.
Foto: Sotheby's

Bei Christie’s lag die Bieterbeteiligung im Rahmen der Abendauktion der Sparte Impressionist & Modern Art bei 19 Prozent und damit auf dem Level des Vorjahres, anders als bei Contemporary & Post-War mit 16 Prozent. Bei Sotheby’s entfiel der Anteil asiatischer Bieter bei Impressionist & Modern Art auf ein gutes Drittel. Im Bereich Contemporary wurden ihnen knapp 20 Prozent des Angebotes zugeschlagen. Als engagierte Unterbieter zogen sie zwar als "Verlierer" vom Feld, trieben davor jedoch den Preis einzelner Werke in teils unerwartete Höhen.

Notbetrieb im Büro

Im Hinblick auf bevorstehende Auktionen kam es in den letzten Tagen zu Verschiebungen. Die traditionell Mitte März in New York stattfindende Asia Week, in der historische Objekte und Kunsthandwerk sowie bildende Kunst aus Asien im Angebot stehen, wurde von Bonhams, Christie’s und Sotheby’s in den Juni verschoben.

Und in Hongkong? Sowohl Sotheby’s (seit 1973) als auch Christie’s (seit 1986) betreiben dort Niederlassungen und halten im Frühjahr Auktionen ab. Christie’s verlegte seine ebenso in den Juni wie der Lokalmatador China Guardian, während Sotheby’s bis zu Redaktionsschluss noch am Termin Anfang April festhielt.

Die potenziellen Auswirkungen auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter hatte man in den Chefetagen der Auktionshäuser seit Bekanntwerden des Virus auf dem Radar. Während der verlängerten Neujahrsferien blieben die Repräsentanzen in Schanghai und Peking geschlossen. Geschäftsreisen nach, von und innerhalb Chinas sind bis auf weiteres gestrichen. Die Mitarbeiter arbeiten mehrheitlich von zu Hause aus. In den Büros lief diese Woche ein Notbetrieb an.

Temperaturscan vorausgesetzt

Der Kundenkontakt läuft derzeit übers Telefon, persönliche Termine bleiben eine Ausnahme: Schutzmasken und Temperaturscan vorausgesetzt. Maßnahmen, die in Hongkong nicht auf der Tagesordnung stehen. Im Gegensatz zu "Heimarbeit" und flexiblen Arbeitsvereinbarungen mit Mitarbeitern – etwa für jene, die von der behördlich verordneten Sperre des Schulbetriebs bis vorerst Mitte März betroffen sind.

Für sie hat die Betreuung ihrer Kinder derzeit Priorität. Wohl mehr als die Vermarktung eines Gemäldes, das sich ein chinesischer Milliardär demnächst für zehn oder mehr Millionen US-Dollar aus dem Auktionsangebot fischen wird. (Olga Kronsteiner, 22.2.2020)