Karl Wolf als Kommandant der Meraner Feuerwehr.

Foto: Gemeinfrei

Dass Karl Wolf am 11. April 1848, also ausgerechnet im revolutionären "Sturmjahr" zur Welt kam, sollte später in kaum einem Beitrag über ihn unerwähnt bleiben: Schließlich wurde er – Gründer, Autor und Leiter der Meraner Volksschauspiele in Personalunion – vor allem dafür bekannt, historische Ereignisse aus der Tiroler Geschichte, insbesondere den Aufstand von 1809, in opulenten Inszenierungen auf die Bühne zu bringen. Der Pflege und der publikumswirksamen Vermittlung von Brauchtum verschrieb er sich auch als Schriftsteller, Volkskundler, Kultur- und Tourismusfunktionär. Als solcher lenkte er die Geschicke seiner Geburtsstadt Meran, die sich um die Jahrhundertwende zu einem der beliebtesten Kurorte des Habsburgerreichs etablieren konnte.

Lehr- und Wanderjahre

Karl Wolfs Eltern, die Kaufmannstochter Anna Zülli (1814-1895) und der akademische Maler Alois Wolf (1804-1864), dürften kaum damit gerechnet haben, dass ihr Sohn einmal zu einiger Berühmtheit gelangen sollte: Als talentierter, aber mäßig fleißiger Schüler zog er schon im Gymnasium in Erwägung, das Studium abzubrechen und ein Handwerk zu erlernen. Nur für kurze Zeit besuchte er (um, wie für die damalige Zeit nicht unüblich, eine zweite Sprache zu erlernen) die Realschule in Rovereto; dann zwang ihn der plötzliche Tod seines Vaters im Jänner 1864 zur Rückkehr nach Südtirol. Er begann dort eine Kaufmannslehre – die Enge der Provinz aber schien ihm wenig zu behagen: Er zog nach Wien, dann als Reiseleiter durch Italien, Nordafrika und Asien. Um sich aus finanziellen Nöten zu retten, nahm er verschiedenste Gelegenheitsarbeiten an. Erzählungen zufolge verdingte er sich als Schreiber, Bauarbeiter, Reitbursche und Zirkuskünstler, betrieb Tauschhandel und Gewehrschmuggel.

Meran um 1900
Foto: Bildarchiv Austria

Erst als seine Mutter 1874 schwer erkrankte, beschloss Wolf, wieder nach Hause zurückzukehren, um im elterlichen Lebensmittelgeschäft, der Meraner "Brotbank", mitzuhelfen. Er erweiterte zunächst den Betrieb, verkaufte ihn dann aber, als er eine Pension erwerben konnte. Die Führung der Gaststätte übernahm zum Großteil Wolfs Frau Amalia Burgmann (1855-1904), eine gebürtige Wienerin, die Wolf am 12. Februar 1877 in Absam bei Innsbruck geheiratet hatte. Sie kümmerte sich auch um die vier gemeinsamen Kinder Pia, Adele, Anna und Paul (der als Siebenjähriger beim Turnen im Garten tödlich verunglückte).

Der engagierte Bürger und Schriftsteller

Karl Wolf war indes anderweitig beschäftigt: Wie schon seine Mutter, die als Wohltäterin stadtbekannt war, übernahm er eine Reihe von ehrenamtlichen Verpflichtungen und beteiligte sich rege am Vereinsleben. Schließlich wurde er in die Kurkanzlei berufen: Hier setzte er sich für wichtige Neuerungen, vor allem für eine Intensivierung der Fremdenverkehrswerbung ein.

Seinem Vorgänger in der Kurvorstehung, dem aus München stammenden Maler und Schriftsteller Josef Friedrich Lentner, eiferte Wolf offensichtlich nicht nur als Beamter nach: Wie Lentner begann auch er Skizzen und Erzählungen über das Berg- und Dorfleben zu verfassen, in denen er romantisierend (und nicht selten in stilisierter Mundart) über Land und Leute berichtete. Die Texte publizierte er zunächst vorwiegend in lokalen Blättern und Almanachen; bald aber erschienen auch erste Sammelbände – für die 1892 veröffentlichten "Geschichten aus Tirol" schrieb kein geringerer als Peter Rosegger das Vorwort, der, die Nähe zu seinem eigenen Schreiben erkennend, für den Meraner Autor warb: "Es gibt ganz klassische Sachen in diesen schlicht und einfach erzählten 'Geschichten aus Tirol', klassisch an ursprünglicher Volksthümlichkeit. Ich wäre stolz darauf, sie geschrieben zu haben [...]."

Der Theatermann

Wolf dürfte schon sehr früh mit dem Theater in Berührung gekommen sein – vor allem dank des Gesellenvereins, der, in unmittelbarer Nähe des elterlichen Wohnhauses angesiedelt, auch eine Bühne betrieb. Er trat dort als Schauspieler auf, übernahm dann die Leitung des Gesellentheaters in Bozen, später, nach Rückkehr von seinen Reisen, in Meran. Hier sorgte der welterfahrene Wolf für grundlegende Erneuerungen – erstmals wurden nun auch Frauen als Mitglieder der Spielgruppe zugelassen.

Karl Wolf (links) auf einer anlässlich des "Meraner Standschützen-Kränzchens" (21.1.1911) angefertigten Postkarte.
Foto: Sammlung Touriseum - Südtiroler Landesmuseum für Tourismus, Meran

Seine Umtriebigkeit aber stellte er vor allem als von der Kurverwaltung beauftragter Vergnügungsarrangeur unter Beweis: Wolf organisierte unermüdlich Umzüge, Paraden und Feste. Seine künstlerische und gesinnungsmäßige Ausrichtung, seine Vorliebe für Brauchtum und tourismuswirksame Folklore wurden auch hier spürbar: So wandelte er den seit 1872 stattfindenden "Ball auf der Alm" zu einem "Tirolerball" um (der erst 1924, zwölf Jahre nach Wolfs Tod und unter geänderten politischen Vorzeichen, wieder umbenannt und schließlich ganz verboten werden sollte).

Seinem Vorhaben, Volksschauspiele zu gründen, begegnete man zunächst mit Skepsis. Schließlich gelang es Wolf aber doch, die nötigen Geldmittel einzuwerben, um die Freilichtspiele 1892 mit der Uraufführung von "Andreas Hofer – Tirol im Jahre 1808" zu eröffnen. Das Stück, gemeinsam mit Johann Georg Husterer und dem für die Musik verantwortlichen Johann Grissemann verfasst, war tatsächlich nur in Form einer Großveranstaltung realisierbar: Bis zu 300 Mitwirkende wurden benötigt, ebenso eine ausgedehnte Bühne, die an der Gratscher Straße, wenige Gehminuten von der Stadt entfernt, nach Entwürfen von Wolf errichtet wurde. Bühnenbild, Requisiten und Kostüme sollten möglichst originalgetreu sein, weshalb alte Trachten angekauft und nachgeschneidert wurden. Während die Hauptfiguren von Mitgliedern des Gesellenvereins übernommen wurden, warb man für Neben- und Statistenrollen Laien aus Meran und Umgebung an.

Szenenbild aus den Meraner Volksschauspielen
Foto: Bildarchiv Austria

Die Volksschauspiele, alljährlich im Herbst und im Frühjahr veranstaltet, wurden zum Massenerfolg: Die wiederholt aufgeführten Stücke, neben "Andreas Hofer" vor allem "Tiroler Helden" und "Andreas Hofers Auszug zur dritten Isel-Schlacht") zogen so viele Zuschauer an, dass immer wieder Zusatzaufführungen angeboten werden mussten. Wichtig waren sie vor allem auch für ein touristisches Publikum, das – etwa mit Postkarten oder Filmaufnahmen von einzelnen Szenen – gezielt angeworben und teilweise in Extrazügen nach Meran gebracht wurde. Die Zentralgestalt der Volksschauspiele blieb bis kurz vor seinem Tod Karl Wolf selbst: Er übernahm die gesamte Organisation und die Regie – und tauchte, zur Freude seiner Anhängerschaft, auch immer wieder als Statist inmitten einer Kampfszene auf.

Nachleben

Zu Lebzeiten erhielt Wolf eine Reihe von Auszeichnungen; ihm zu Ehren wurde 1911 auch die Gratscher Straße in Karl-Wolf-Straße umbenannt. Als er am 28. Jänner 1912 einen Schlaganfall erlitt, berichteten lokale Zeitungen täglich über sein Befinden und druckten nach seinem Tod am 3. Februar umfangreiche Nachrufe.

Die Volksschauspiele wurden noch bis 1914 weitergeführt; im Krieg benutzte man das Schauspielhaus dann als Unterkunft für das Militär und als Pferdestall, 1919 wurde das weitgehend zerstörte Holzgebäude abgetragen. An Karl Wolf erinnert seitdem nur mehr ein Denkmal-Brunnen in Meran, an der Kreuzung zu der nach ihm benannten Straße. (Maria Piok, 24.2.2020)