Die Eiszeit war schon längst vorbei, da gab es auf der Wrangelinsel noch Wollhaarmammuts. Durch genetische Verarmung litt diese letzte Population zunehmend an Gendefekten.

Illustration: University of Chicago/Kevin Jiang

Die Cheops-Pyramide war längst erbaut, Babylon hatte sich bereits zum regionalen Machtzentrum etabliert und die mykenische Kultur stand schon in den Startlöchern, als es immer noch Wollhaarmammuts gab. Eine letzte Population der einst weit über die Nordhalbkugel verbreiteten Eiszeitgiganten lebte bis vor rund 3.700 Jahren auf der heute zu Russland gehörenden Wrangelinsel im Arktischen Ozean. Mit ihrem Verschwinden starb nach heutigem Wissensstand die letzte Mammutart weltweit aus.

Gesund waren die Riesen aber schon länger nicht mehr, wie ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Genome Biology and Evolutio" berichtet: Die Riesen litten an einer Vielfalt genetischer Defekte, wodurch unter anderem ihre Fortpflanzungsfähigkeit und ihr Geruchssinn beeinträchtigt waren. Damit bestätigten sie die Ergebnisse früherer Untersuchungen, die ebenfalls ungünstige Mutationen im Mammut-Erbgut identifiziert hatten.

DNA-Vergleich

Die Wissenschafter um Vincent Lynch von der University at Buffalo (US-Bundesstaat New York) verglichen in ihrer Arbeit Erbgutproben von Mammutfossilien, die auf der Wrangelinsel gefunden worden waren, mit jenem von drei asiatischen Elefanten sowie von zwei weiteren, älteren Mammuts. Dabei zeigte sich eine ganze Reihe genetischer Mutationen in der DNA der Wrangelinsel-Mammuts.

"Solche Mutationen passieren ständig, ob sie auch schädlich sind, lässt sich nur aus so einem Vergleich nicht herauslesen", erklärte Studien-Koautor Alexander Dammermann von den Max Perutz Labs der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. Er war aufgrund seiner Expertise für das Gen HYLS1 an dem Projekt beteiligt. Mutationen an diesem Gen gehen beim Menschen mit dem Hydroletalus-Syndrom einher, das zu schweren Entwicklungsstörungen in vielen Geweben führt.

Geruchssinn und Fortpflanzung beeinträchtigt

Die Frage, ob die festgestellten Mutationen tatsächlich schädliche Auswirkungen für die Mammuts hatten, überprüften die Forscher in Zellmodellen. Dazu synthetisierten sie die mutierten Gene und setzten sie in Elefanten-, Frosch- und menschliche Zellkulturen ein. So konnten sie testen, ob die derart veränderten Gene normal funktionieren und die Proteine, die anhand dieser Bauanleitung hergestellt wurden, in den jeweiligen zellulären Prozessen auf die übliche Art und Weise mit anderen Genen oder Molekülen interagieren.

Neben dem Gen HYLS1 wurden auch weitere mutierte Gene getestet, die an wichtigen Funktionen beteiligt sind, etwa für die neurologische Entwicklung, die Fruchtbarkeit der Männchen und den Geruchssinn. Es zeigte sich, dass die Mutationen zu einer Reihe von Fehlfunktionen führten. Als Beispiel nennen die Wissenschafter das Erkennen von Gerüchen. Die für Geruchswahrnehmung verantwortlichen Gene funktionierten nicht normal. "Wir nehmen an, dass die Mammuts auf der Wrangelinsel nicht mehr in der Lage waren dazu waren, Nahrungspflanzen zu riechen", sagte Lynch.

Die Probleme der Mammuts dürften vom raschen Rückgang der Population auf zuletzt nur noch einige hundert Tiere verursacht worden sein. Das führte zu einer geringen genetischen Vielfalt und Inzucht, was die Fähigkeit einer Art, schädliche genetische Mutationen zu beseitigen bzw. deren Auswirkungen zu begrenzen, beeinträchtigt. Lynch: "Das ist eine Gefahr für alle Arten, die heute vom Aussterben bedroht sind: Wenn ihre Populationen zu klein werden, können sich auch bei ihnen schädliche Mutationen anhäufen, die wiederum zu ihrer Ausrottung beitragen können." (dare, APA, 21.2.2020)