Aber ... China!

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China gilt als großer Klimasünder – und dient als billige Ausrede für so manchen Europäer.
Foto: reuters

Schon in Kindertagen waren die besonders Faulen daran zu erkennen, dass sie mit dem Finger auf andere zeigten. Schließlich ist das Zimmer der Schwester noch unordentlicher! In der Klimadebatte klingt das so: Warum sollen wir im kleinen Österreich CO2 sparen, wenn in China immer noch Kohle en masse verheizt wird?

Tatsächlich ist der Unterschied in den Dimensionen eindrucksvoll: Österreich ist für rund 0,2 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, China für mehr als ein Viertel. Der Schluss liegt also nahe: Beim chinesischen Ausstoß ist viel mehr zu holen! Doch so funktioniert Verantwortung nicht.

Die Klimakrise ist eine globale Bedrohung, die auch nur global gelöst werden kann: Hunderte kleine Länder ergeben in Summe wieder eine große Menge Treibhausgas. Da setzt das gleiche Paradoxon wie bei demokratischen Wahlen ein: Eine Stimme allein macht in den meisten Fällen keinen Unterschied. Handeln aber alle nach dieser Logik, geht gar niemand mehr zur Wahl.

Pro Kopf gerechnet liegen Österreich und China bei den Emissionen in etwa gleich auf – beide Werte sind viel zu hoch. Österreich ist ein hochentwickeltes Land – das viele Energieprobleme übrigens relativ bequem mit hunderten Wasserkraftwerken lösen kann. Das Erreichen der Klimaziele von Paris ist dennoch eine riesige Herausforderung. Aber dank der guten Startposition fiele Österreich das Einnehmen einer Vorreiterrolle vergleichsweise leicht. Finden sich dafür Nachahmer, könnte Österreich noch einen viel größeren Effekt haben, als jetzt manch einer glaubt.

Aber ... Bevölkerung!

Statt das Problem in Afrika zu suchen, müssen also Reformen und Entwicklungen auf der ganzen Welt dafür sorgen, dass das Wachstum von Bevölkerungszahl und Wohlstand kein Klimakiller bleibt.
Foto: APA/dpa/Fabian Strauch

Apropos Verantwortung abschieben. Wenn es um schmerzhafte Einschnitte zur Bewältigung der Klimakrise geht, kommt besonders oft das Argument mit dem rasanten Bevölkerungswachstum, sinngemäß: Wir in Europa können machen, was wir wollen – es bringe aber nichts, weil die Geburtenrate "in Afrika" so hoch sei, dass sie alle Bemühungen in Europa zunichtemachten.

Das ist aus mehrerlei Hinsicht falsch bis problematisch – aber beginnen wir damit, was stimmt: Die Bevölkerung wächst gerade in armen Ländern besonders stark. Im Jahr 2100 (das ist zeitlich gleich weit weg, wie 1940 zurückliegt) werden auf dem Planeten rund elf Milliarden Menschen leben. Ja, das ist ein Problem im Kampf gegen den Klimawandel.

Was diese oft rassistisch konnotierte Ausrede aber gerne unterschlägt: Menschen in armen Ländern verursachen im Vergleich zu reichen Gegenden oft nicht einmal ein Hundertstel der Treibhausgase. Ihnen den wirtschaftlichen Aufstieg neidig zu sein ist aus Sicht des wohlhabenden Europas reichlich zynisch – auch weil das rasante Wirtschaftswachstum im Westen für die aktuelle Klimakatastrophe überhaupt verantwortlich ist. Statt das Problem in Afrika zu suchen, müssen also Reformen und Entwicklungen auf der ganzen Welt dafür sorgen, dass das Wachstum von Bevölkerungszahl und Wohlstand kein Klimakiller bleibt.

Starkes Bevölkerungswachstum ist auch ein soziales Problem – das allein ist Grund genug, sich für einen flächendeckenden Zugang zu Verhütungsmitteln einzusetzen. Doch Menschen in anderen Teilen der Welt vorschreiben zu wollen, wie viele Kinder sie bekommen, ist kein Klimaschutz, sondern postkoloniale Überheblichkeit.

Aber ... eh zu spät!

Es stimmt schon, die Menschheit ist reichlich spät dran mit dem Versuch, den Klimawandel aufzuhalten.
Foto: APA/AFP/JEFF PACHOUD

Vom Klimawandel zur Klimakrise: Die drastischer werdende Rhetorik veranlasst viele zur gemütlichen Resignation. Es sei ja ohnehin schon zu spät, etwas zu tun. Da können wir auch gleich unser Leben genießen und weitermachen wie bisher. Es stimmt schon, die Menschheit ist reichlich spät dran mit dem Versuch, den Klimawandel aufzuhalten.

Doch mit dem 1,5-Grad-Ziel halten sich die Folgen in (immer noch schlimmen) Grenzen. Erhitzt sich die Erde weiter, wird es aber richtig katastrophal – und je heißer, desto schlimmer. Aufgetaute Permafrostböden beschleunigen die Katastrophe dann exponenziell. Klimaschutz zahlt sich also immer aus.

Aber ... Standort!

Die Wirtschaft ist wichtig, das darf aber kein Argument gegen effektiven Klimaschutz sein.
Foto: APA/dpa/Christophe Gateau

Klimaschutz ja, aber für die Wirtschaft soll sich bitte nichts ändern: Dieses Argument ist in der Politik so weit verbreitet wie realitätsfern. Ein Wirtschaftsstandort, der auf die Emission von Treibhausgasen angewiesen hat, kann schlicht keine Zukunft haben, wenn der Ausstoß solcher Gase auf null sinken muss. Kosmetische Maßnahmen bringen hier nichts.

Wer Klimaschutz und Wirtschaft ernst nimmt, versucht, die beiden miteinander zu vereinbaren – erkennt aber gleichzeitig, dass das keine einfache Veränderung wird. Manche Unternehmen werden ins "klimafeindliche" Ausland abwandern, wenn in Österreich Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden – doch wenn sich alle Politiker nach dieser Überlegung richteten, würde kein einziges Gesetz zum Klimaschutz ein Parlament passieren. (Sebastian Fellner, 26.2.2020)