"Es gab Sponsoringbeauftragte, die die diversen Skisportübertragungen mit dem Packel Tausend-Schilling-Scheine besuchten, um die Kameraleute, die Regie wirklich abzuschmieren", erinnert sich Group-M-Chairman Lammerhuber an die 1990er.

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Werbebudgets von rund einer Milliarde Euro verwaltet die Group M pro Jahr in Österreich, die größte Mediaagenturgruppe des Landes und der Welt. Ihr Gründer in Österreich und langjähriger Boss Peter Lammerhuber kennt aus 42 Jahren im Mediageschäft das Verhältnis von Medien, Journalismus und Werbung sehr genau. Über "Abhängigkeiten" in dieser Branche berichtete er am Freitag, als die Stadt Wien eine neue Medienstudie und die Pläne für ihre Kommunikationspolitik präsentierte.

"Kameraleute und Regie abschmieren"

"Es gab eine Zeit, insbesondere im Sportbereich, wo ohne Bestechung der jeweiligen Verantwortlichen im Übertragungsbereich nichts ging", berichtete Lammerhuber: "Es gab Sportbeauftragte, Sponsoringbeauftragte, die die diversen Skisportübertragungen mit dem Packel Tausend-Schilling-Scheine besuchten, um die jeweiligen Kameraleute, die Regie etcetera wirklich abzuschmieren im wahrsten Sinne des Wortes, damit die jeweiligen Banner, Logos der Unternehmen bei den Übertragungen entsprechend vorkamen." Namen oder Medien oder Kunden nennt er nicht.

Das hat Lammerhuber nach eigenem Bekunden noch in den 1990er Jahren erlebt, "da gab es das noch in Österreich". Erst Gerhard Zeiler habe das als ORF-Generaldirektor (1994 bis 1998) abgestellt, erinnert sich der Chairman der Group M.

Inserate, damit es eine Story gibt

Von "Abhängigkeiten" berichtete Lammerhuber auch im Auto- und Motorjournalismus: "Tolle Reisen, meistens an die schönsten Plätze der Welt, meistens, um die neuesten Modelle vorzustellen. Aber wenn Unternehmen diese wunderbaren Reisen gemacht haben, hat das noch nicht bedeutet, dass auch berichtet wurde. Da hat es dann schon geheißen: Wir haben zuwenig Platz, wir brauchen schon entsprechende Inseratenbeiträge, damit auch Platz für die Geschichte geschaffen wird. Auch das gab es. Auch im Tourismusbereich war das nicht unüblich. Das war eine bekannte, gelebte Praxis, und niemand hat sich daran wirklich gestoßen."

"Journalisten war durchaus bewusst, dass es Abhängigkeiten gab von großen Unternehmen", erinnert sich Lammerhuber: Als etwa ein Kind eines Industriellen an einer Überdosis Rauschgift gestorben war, hätten Redaktionen im Verlagsmanagement nachgefragt, wie groß sie darüber berichten sollten. "Klein" kam als Antwort aus dem Verlag, berichtet Lammerhuber.

Als Jörg Haiders FPÖ in den 1990ern in der Debatte über den EU-Beitritt "erste Fake News" streute über Schildläuse im Erdbeerjoghurt und Blut in der Schokolade seien die Gerüchte "erst durch massive wirtschaftliche Intervention auf höchster Ebene" aus den Medien "rauszukriegen" gewesen.

Auditoren und Compliance

Heute, sagt Lammerhuber, sei das ganz anders: externe und interne Auditoren prüften Werbebuchungen, die wiederum großteils von Programmen optimiert platziert werden. Insbesondere börsenotierte Unternehmen trennten heute "strikt zwischen Werbung und Public Relations, anders wäre das gar nicht machbar." Viele Unternehmen unterlägen strengen Compliance-Regeln.

Beispiel aus der Group-M-Praxis: "Der Generaldirektor eines österreichischen Unternehmens, beauftragte eine Buchung in einer Studentenzeitung. Unsere Compliance-Abteilung hat daraufhin bei der Compliance-Abteilung des Unternehmens nachgefragt, ob diese Schaltung in Ordnung ist und ob es sich hier nicht um eine persönliche Zuwendung des Generaldirektors an ein Medium handelt. Soweit gehen heute Compliance-Vorschriften." (fid, 22.2.2020)