In den meisten Fahrzeugen deutscher Hersteller steckt ein Stückchen heimische Arbeitskraft: 80.000 Jobs hängen in Österreich an der deutschen Autoindustrie.

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Wien. Covid-19, Lieferengpässe, Umsatzeinbußen, Auftragsrückgänge, Stellenabbau – wirft man einen Blick auf die Medienberichterstattung zur österreichischen Autozuliefererindustrie der letzten Monate, könnte fast der Eindruck entstehen, da steht eine ganze Branche vor dem Abgrund. Auch der Wifo-Konjunkturtest vom September 2019 zeigt: Magna, AVL, Polytec und Co produzieren weniger und sind mittelfristig pessimistisch gestimmt.

Während man bei Magna Anfang dieses Jahres noch bemüht war, die Gerüchte, um einen bevorstehenden Stellenabbau zu zerstreuen, schuf der Salzburger Branchenkollege Kässbohrer am Donnerstag Fakten. Der in Eugendorf angesiedelte Hersteller von Fahrzeugtransporter schickte einen Großteil seiner rund 300 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Knapp 90 Leiharbeiter wurden ganz in die Wüste geschickt. Von einer "fairen Lösung" sprach Salzburgs Arbeiterkammerpräsident Peter Eder in einer ersten Reaktion: Das Unternehmen versuche immerhin, seine Mitarbeiter zu halten.

Alternative Antriebe

Stichwort "Mitarbeiter halten": Wie lange geht das noch in einer Industrie, deren größter Kunde – deutsche Autokonzerne – der vermeintlichen Zukunft "alternative Antriebe" hinterherhinkt? Müssen die 80.000 Arbeiter der Zuliefererbranche um ihre Jobs fürchten?

Jein, sagt zumindest Sascha Ernszt, Experte bei der Gewerkschaft Pro-Ge: "Die schwarzen Bilder, die gemalt werden, halten nicht. Was alternative Antriebe angeht, sind die Verbraucher weltweit noch zurückhaltend." Magna etwa produzierte im Dezember so viele Modelle der Mercedes G-Klasse, wie noch nie.

Dass die österreichischen Betriebe – und somit auch das Schicksal der Arbeiter – am Schicksal der deutschen Konzerne hängen, bestreitet aber auch er nicht: "Sobald es dort runtergeht, spüren wir das einige Wochen später." Kässbauer lässt grüßen.

Alarmistische Töne

Apropos Deutschland: Die dortige Schwester der Pro-Ge – die IG-Metall – schlägt beim Thema "Jobsicherheit in der Zuliefererbranche" schon etwas alarmistischere Töne an. Der Abschied vom Verbrennungsmotor bereite den Unternehmen große Probleme heißt es dort. Es gebe eine Gruppe kleiner und mittlerer Betriebe, deren Umsatz zu 75 Prozent an konventionellen Antrieben hänge, so der Erste Vorsitzende der deutschen Gewerkschaft, Jörg Hofmann, gegenüber der Deutschen Presseagentur: 300.000 Jobs seien in Gefahr. Die IG forderte deshalb, man möge doch milliardenschwere Zukunftsfonds aufsetzen, bei denen der deutsche Staat Erstrisiken für Kredite, die den Strukturwandel in der Branche vorantreiben, übernehmen solle.

So weit, wie die große Schwester, will die Pro-Ge nicht gehen, wie Ernszt versichert: "Ich halte es für falsch, zu glauben, der Staat müsse sofort einspringen, sobald es der Industrie schlecht geht."

Fehlende Strategie

Der Gewerkschafter sieht die Zukunft der Mobilität ähnlich wie die Arbeitgeber in einer Vielzahl an Antrieben. Das Problem? "Es fehlt eine Strategie der Industrie, in welche Richtung man geht." Der Wandel der Branche generiert etwa neue Jobs in den Bereichen Wasserstoff, Hybrid und E-Mobilität. Auf diese müssen die Angestellten aber erst vorbereitet werden. Hier bemängle die Pro-Ge etwa seit Jahren, dass nicht genug in die Ausbildung und Umschulung der Mitarbeiter investiert werde: "Wenn kein Geld da ist, wollen die Unternehmen natürlich nicht investieren." Bei den Arbeitgebern sieht man das naturgemäß anders: "Unsere Betriebe haben sich zum Teil schon wirklich gut vorbereitet", versicherte Jakob Reichsöllner, Sprecher des Magna-Autoclusters AC Styria, dem STANDARD Anfang Februar. (Tobias Kachelmeier,. 22.2.2020)