Klimaschutz wird zu erheblichen Umbrüchen führen, der Leugnern neuen Zuspruch bringen könnte. Im Gastkommentar rät der der Politikwissenschafter Achim Brunnengräber daher zur Achtsamkeit.

Seit Jahrzehnten weisen Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf die Risiken des menschengemachten Klimawandels hin. Dieser Befund ist unter ihnen heute ein Konsens, den auch die Bevölkerung mehrheitlich anerkennt. Nach wie vor existiert aber eine gesellschaftliche Minderheit aus dem rechtspopulistischen, rechtsnationalen Lager, die die wissenschaftlichen Tatsachen leugnet, in Zweifel zieht oder ihre Relevanz bestreitet. Hinzu kommen neuerdings Versuche, den Klimaschutz für die eigenen Interessen zu nutzen.

Die Ausgangsbedingungen dafür scheinen ungünstig. Klimaleugner, Klimazweifler und Klimaskeptiker haben es als Gegenspieler von Fridays for Future, Extinction Rebellion und inzwischen auch von den meisten politischen Parteien schwer. Der Klimaschutzdiskurs ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das Klimaleugnertum könnte deshalb als Randerscheinung ignoriert und abgetan werden.

Illustration: Felix Grütsch

Neue Schwerpunkte

Die Zeiten, in denen das Leugnertum in den etablierten Parteien in Deutschland und Österreich gut vertreten war, sind spätestens durch Fridays for Future und das Video von Youtuber Rezo beendet worden. Das von ihm im Mai 2019 veröffentlichte Video "Die Zerstörung der CDU" über das Versagen der Volksparteien in der Klimapolitik war ein starker Ausdruck des politischen Engagements junger Menschen. Das Video ging so schnell viral, dass die staatlichen Entscheidungsträger sowohl technisch als auch argumentativ überfordert waren.

Zugleich öffnet das klimapolitische Zusammenrücken in der Mitte – alle wollen heute das Klima schützen – auch neue Räume für eine Profilierung des rechten Randes durch eine klimaleugnerische Position. Dem Bundestag bleibt das Thema vor allem durch die AfD erhalten, für die das Klimaleugnen seit dem Grundsatzprogramm von 2016 Beschlusslage ist. In Europa ist die AfD damit nicht allein. Gemeinsam mit anderen Rechtspopulisten wie der italienischen Lega Nord, der britischen Ukip, der niederländischen PVV und dem französischen Rassemblement National stimmte die AfD im Europaparlament bisher konsequent gegen Klimaschutzmaßnahmen. Auch die FPÖ gehörte dieser Gemeinschaft an, wobei sie unter Norbert Hofer einen neuen Weg einzuschlagen scheint. Er will die Partei grüner und den Klimaschutz zu einem neuen FPÖ-Schwerpunkt machen. Die Gefahr besteht in der Vereinnahmung des Themas für rechtsnationale Interessen.

Klimatisierte Rechte

Gemeinhin wurde – und wird – vor hohen Kosten und Strukturbrüchen in der fossilen Energiebranche sowie der staatlichen Überregulierung und der Entmachtung der Bürgerinnen und Bürger gewarnt. Klimaleugner sehen die Gefahr der "grünen Revolution" oder der "Ökodiktatur": Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit! Doch neben dieser Gegenpositionierung wird zunehmend auch eine Ideologie formuliert, die den Klimaschutz für notwendig erachtet.

Je stärker der Klimaschutz in der Öffentlichkeit unterstützt wird, desto bedeutsamer wird ein "grüner Patriotismus", der den Naturschutz in die eigene Ideologie einpasst und unterstützt. Die Erzählungen werden "moderner": Migrationspolitik wird abgelehnt, weil die heimischen Ressourcen ansonsten "übernutzt" würden. Nicht die planetarischen, sondern die nationalen Grenzen dürfen von Fremden nicht überschritten werden. Die Schweizer SVP etwa schlägt in diese Kerbe.

Die klimapolitische Neuausrichtung hat auch strategische Gründe: So lassen sich junge Menschen ansprechen und für rechtsextreme Blut-und-Boden-Ideologien gewinnen. Es muss jedenfalls damit gerechnet werden, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppen in Zukunft vermehrt versuchen werden, das Rekrutierungspotenzial des Klimaschutzes zu nutzen.

Selbstreferentielle Debatten

Das Leugnertum ist damit aber längst noch nicht verschwunden. Abgesehen von den Parteien am rechten und rechtsextremen Rand und vereinzelten Anhängern in der Publizistik ist es zwar in Deutschland und Österreich wenig institutionalisiert. Und die klassischen Medien schenken dem Phänomen nur noch wenig Beachtung. Deshalb aber haben die Klimaleugner ihre Kommunikation verlagert: auf Plattformen wie Youtube, Facebook oder Twitter. Dort wird das Klimaleugnertum von einem lose verbundenen Geflecht aus bloggenden Amateurklimatologen und rechten Influencern weiter gepflegt. Falsche Wahrheiten werden zu einer in sich konsistenten Theorie zusammengebastelt und zur Wahrheit erklärt – und werden im virtuellen, selbstreferenziellen Echoraum nicht mehr infrage gestellt. Das kann zur Abschottung führen. Internet und Social Media stellen für das Klimaleugnertum aber auch einen Nährboden dar, der ihm in Zukunft auch zu neuem Wachstum und gesellschaftlichem Einfluss verhelfen könnte.

Dem Klimaleugnertum kommt die Unterstützung im eigenen politischen Lager abhanden, wenn das Klima nun auch von rechts geschützt werden soll. Darüber hinaus gelingt es der Klimaleugnerpropaganda nicht ansatzweise, den medialen Großereignissen von Fridays for Future oder Extinction Rebellion etwas entgegenzusetzen. Allerdings wurde die Abkehr vom fossilen Energiepfad noch längst nicht eingeleitet.

Neue Umbruchsängste

Klimaschutz wird in vielen Politikfeldern und wirtschaftlichen Sektoren – wie der Automobilindustrie – zu erheblichen Umbrüchen führen, zu Arbeitsplatzverlusten, Abstiegsängsten und gesellschaftlichen Konflikten. In Österreich wird davon vor allem die Zulieferindustrie betroffen sein. Das kann durchaus mit Zuspruch und neuen Handlungsspielräumen für Klimaleugner einhergehen.

Für die Zukunft ist in zweierlei Hinsicht Achtsamkeit geboten: Weder die falschen Fakten der Klimaleugner noch die falschen Schlussfolgerungen der rechten Heimatschützer sind eine Alternative zu politisch verhandelten Klimaschutzmaßnahmen. Nicht nur Wissenschafterinnen und Wissenschafter oder streikende Schülerinnen und Schüler, sondern immer dramatischere Wetterextreme machen uns darauf aufmerksam. All das kann nicht mehr geleugnet werden. (Achim Brunnengräber, 22.2.2020)