Das arabisch-jüdische Kulturzentrum Beit Ha’Gefen in Haifa arbeitet mit künstlerischen Mitteln an der Völkerverständigung. Die Malereien stammen vom lokalen Street-Art-Kollektiv Broken Fingaz.

brokenfingaz.com / Beit Ha’Gefen

Asaf Ron sitzt an seinem Schreibtisch und beginnt, wild zu gestikulieren, als er den Gästen aus Wien seine Mission erklärt: Der Leiter des arabisch-jüdischen Kulturzentrums Beit Ha’Gefen in Haifa hat sich der Völkerverständigung verschrieben. "Be the change", steht auf einem Schild hinter ihm. "Wir sind ein Zuhause für alle", sagt er.

Zwischen der säkularen Metropole Tel Aviv, in der die Gentrifizierung sozial Schwächere zunehmend an den Rand drängt, und Jerusalem, wo Ultrareligiöse den Ton angeben, nimmt sich Haifa, die drittgrößte Stadt Israels, als Paradebeispiel dafür aus, dass ein weitgehend konfliktfreies Miteinander der verschiedenen Ethien und Konfessionen möglich ist.

Dass das in Zeiten politischer Zuspitzung auch so bleibt, dafür wollen Einrichtungen wie Beit Ha’Gefen sorgen. Ob die regierende rechte Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das kulturpolitisch befördert oder hemmt, darüber sind sich die Mitarbeiter des Zentrums nicht ganz einig. Mal werden Mittel gekürzt, mal erhöht. Die amtierende Kulturministerin Miri Regev aber, dem stimmt man unisono zu, verstünde ihr Fach "definitiv nicht".

Besser machen will es die Stadt Wien, die vergangene Woche eine Kultur- und Wirtschaftsdelegation nach Israel schickte – einerseits um die diplomatischen Bande zu stärken, andererseits um sich gut funktionierende Dinge abzuschauen. Zum Beispiel die Beit-Ha’Gefen-Initiative "The Third Space": Spielerisch, mit Kunstwerken, Computerspielen oder so profanen Dinge wie Esskultur, wird Jugendlichen aller Konfessionen Toleranz und Verständnis füreinander beigebracht.

Integration und Feminismus

Mit künstlerisch-kreativen Integrationsmaßnahmen wie diesen kann die Wiener Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler viel anfangen. Sie hat sich die Förderung dezentraler Kultur in den Wiener Flächenbezirken auf die Fahnen geschrieben. Das multidisziplinäre Zentrum Beit Ha’Gefen, das neben der Bildungsschiene "The Third Space" auch Theater und Kunstausstellungen im Programm hat, gilt ihr als Musterbeispiel.

beit hagefen

Gleich nebenan in Gehweite liegt das Haifa Museum of Art. Aktuell zu sehen: die Ausstellung Women Make History – Feminism in the Age of Transnationalism. Rückwärtsgewandten patriarchalen Gesellschaftsbildern, die sowohl auf arabischer wie auch jüdischer Seite wieder an Relevanz gewinnen, soll etwas entgegengehalten werden. Allen hier ist klar, dass die Frage nach der Befreiung der Frau ein Grundbaustein auf dem Weg zum Frieden sein müsste.

Das Werk "Knitting Fate" (2009) der Künstlerin Masha Rubin in der Ausstellung "Women Make History – Feminism in the Age of Transnationalism".
Foto: Masha Rubin

Die permanente Existenzbedrohung, mit der die gut neun Millionen Bewohner der Region leben müssen, erfordert Rüstungsanstrengungen enormen Ausmaßes. Der Zwang zur Innovation hat paradoxerweise auch dazu geführt, dass Israel heute als vorderste Start-up-Nation gilt, nicht nur in militärischen Dingen, sondern etwa auch in Fragen der Ökologisierung und auf dem Gebiet der Naturwissenschaften.

Einrichtungen wie das Shimon Peres Center for Peace & Innovation und das renommierte Weizmann-Institut in Tel Aviv zeigen vor, wie Technik, Innovation und Forschung auch für Laien museal aufbereitet werden kann: Die Ausstellungen, in denen etwa Wissenschafter mit gehörig Hollywood-Pathos die Geschichten hinter ihren bahnbrechenden Entdeckungen erzählen, sollen vor allem junge Leute dafür begeistern, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen.

Kultur und Öko verknüpfen

In Österreich, wo man Ähnliches nur aus dem Ars Electronica Center in Linz kennt, ist noch Luft nach oben: Kaup-Hasler will ein "Science Communication and Innovation Center" in Wien etablieren – am linken Donauufer, wo Kultur- und Forschungseinrichtungen noch rar gesät sind. Eine Vorstudie dazu hat die Stadträtin bereits in Auftrag gegeben, realistisch gesehen, meint sie, müsse man aber 20 Jahre in Betracht ziehen, bis eine solche Einrichtung Realität würde – in der israelischen Zeitrechnung freilich eine halbe Ewigkeit.

In anderen Bereichen hingegen ist man bereits weiter: bei der Digitalisierung von Amtswegen etwa, für die Tel Aviv ein Vorbild sein soll. Oder mit dem Pilotprojekt "Kulturtoken": Wiener können via Handyapp ihre in der Stadt zurückgelegten Wege aufzeichnen – je ökologischer die Fortbewegung, desto mehr "Kulturtoken" erhält man. Die können dann gegen Gratiseintritte in Kultureinrichtungen eingetauscht werden. Ähnliches gibt es in Tel Aviv bereits zuhauf. Das Thema Datenschutz aber will Wien weit wichtiger nehmen, versichert man.

Die Verantwortung zur Erinnerung an den Holocaust bekräftigten die Offiziellen der Stadt Wien mit einer Kranzniederlegung in der Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Besonders erschütternd: das Denkmal für die über 1,5 Millionen von den Nazis ermordeten Kinder. Das Verlesen ihrer Namen dauert drei Monate. (Stefan Weiss aus Israel, 22.2.2020)