Die Fortschritte auf der Baustelle beim Westbahnhof in Wien können interessierte Journalisten in Kürze begutachten. Der neue Ikea-Österreich-Chef Alpaslan Deliloglu wird da erklären, welche Pläne das schwedische Möbelhaus mit dem neuen City-Ikea verfolgt. Vor allem jüngere Menschen im urbanen Raum verzichten zunehmend auf das eigene Auto. Mit innerstädtischen Standorten – gut mit Öffis, zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar – will ihnen Ikea entgegenkommen.

Beim Westbahnhof entsteht auf 3800 Quadratmetern bis 2021 die erste Ikea-Filiale dieser Art. Kleine Artikel nimmt der Kunde gleich mit, alles andere begutachtet er vor Ort – und lässt liefern. Doch der neue Ikea-Chef ließ auch mit einer Idee aufhorchen, die im Möbelhandel zumindest im ganz normalen Eigenheim noch nicht gebräuchlich ist: mieten statt kaufen. Was andere Unternehmen bereits als Service etwa im Geschäftskundenbereich für Events oder für Privatkunden im Elektro- und Elektronikbereich anbieten und Ikea-Kunden in der Schweiz schon nutzen können, soll bestenfalls ab Ende 2021 auch für Ikea-Kunden in Österreich möglich sein. Argumente, warum das funktionieren könnte, hat der 45-jährige Manager an der Hand. Er übersiedelte vor einigen Monaten von der Schweiz nach Wien. Mit Kind und Kegel. Anstrengend sei das gewesen, so Deliloglu.

Wie wir leben wollen, hat auch mit Angeboten zu tun. Möbel soll man künftig auch mieten können.
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Gedacht sei das Service für kleinere Firmen, Studenten, Expats und Menschen, die oft umziehen. Ganz billig ist zumindest das Schweizer Angebot, das sich derzeit mit Gesamtpaketen mit Büromöbeln für Arbeitsplatz oder Konferenzzimmer an Unternehmen richtet nicht. Das günstigste Arbeitsplatzpaket (Tisch, Sessel, Lampen, Schrank) würde im Verkauf 950 Franken kosten. Die Monatsmiete im ersten Jahr beläuft sich auf 70 Franken – macht jährlich 840 Franken. Allerdings wird die monatliche Rate günstiger, je länger die Mietdauer ist.

Ganz überraschend kommt der Vorstoß nicht. Ikea ist erfolgsverwöhnt, doch derzeit gelten viele Unbekannte, die auch die Konkurrenz bewegen. Wie wollen die Menschen künftig leben? Wie werden sie sich einrichten? Bleibt Kaufen die bevorzugte Methode, will man Langlebiges, um die Umwelt weniger zu belasten, oder sucht man Lebensabschnittspartnerschaften auch im Möbelbereich? Und wo wird gekauft? Im Internet oder im Geschäft? Fragen, die alle Anbieter beschäftigen. Der heimische Möbelmarkt ist stabil.

Stabiler Umsatz

Der Möbeleinzelhandel erwirtschaftete 2019 laut KMU-Forschung rund 5,8 Milliarden Euro. Die Großen der Branche, die Lutz-Gruppe, Ikea und Kika/Leiner, vereinen 65 Prozent des Marktes auf sich. Die Produktivität je Quadratmeter ist bei den Schweden allerdings viermal so groß wie bei der Konkurrenz. Mit sieben Standorten erwirtschafteten sie 2018/19 einen Umsatz von 800 Mio. Euro. Die Lutzgruppe mit XXXLutz, Möbelix und Mömax kam 2019 auf 4,4 Mrd. Euro, rund 1,5 davon in Österreich – an über 100 Standorten. Der Umsatz von Kika und Leiner wird auf etwa 700 Mio. geschätzt. Den Rest teilen sich mittelgroße Möbelhäuser und Einrichtungspartnerschaften wie VME-Union, Garant, Europa-Möbel auf. Aber die Flächen schmelzen auch im Möbelhandel: "2,7 Millionen Quadratmeter waren es 2018, 2019 hatten wir zwei bis drei Prozent weniger. Es scheppert und knirscht im Gebälk", sagt Standortberater Wolfgang Richter.

Möbel kauft man heute nicht mehr für ein ganzes Leben lang. Die Zahl derjenigen, die das via Computer oder Smartphone tun, nimmt zu.
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Das Geschäft wächst vorwiegend online. Bei den deutschen Nachbarn liegt der Online-Anteil am Möbelmarkt bei 12,5 Prozent. In Österreich schätzt der deutsche Wirtschaftswissenschafter Gerrit Heinemann die Lage ähnlich ein. In den nächsten fünf Jahren kann er sich eine Verdoppelung gut vorstellen. Viele in der Branche würden die Augen vor der Realität verschließen, so der Handelsexperte. Dabei stehe ihr bevor, was Buchhändler und Elektrobranche auf dem falschen Fuß erwischte. Man verliere die onlineaffinen Kunden an internationale Riesen wie Amazon und Ebay, aber auch an reine Online-Anbieter wie etwa die deutsche Otto Group. Heinemann geht davon aus, dass der ehemalige Versandhändler in Deutschland 1,5 Milliarden mit Möbeln erwirtschaftet. Auch hierzulande ist die Otto-Tochter Unito bei Online-Möbeln Marktführer. Während Lutz und Kika/Leiner sich in Sachen Online-Geschäft nicht in die Karten schauen lassen, gibt Ikea an, zehn Prozent des Umsatzes via Internet zu erwirtschaften.

Logistik als Herausforderung

Und das, obwohl man lange versucht habe, das Online-Geschäft mit "abstrusen Versandkosten auszubremsen", sagt Handelsexperte Heinemann. Das Online-Geschäft sei eine echte Herausforderung, denn der Kunde erwarte die Lieferung quasi sofort. Beim Thema Möbelvermieten winken Lutz und Leiner fürs Erste ab.

Unito-Österreich-Chef Harald Gutschi ist davon überzeugt, dass das über kurz oder lang kommen wird: "Am Anfang wird das alles überschätzt, aber langfristig wird das unterschätzt. 2000 haben alle über das Internet gelacht, dann kam 2008 das Iphone." Er sei jedenfalls höchst gespannt, ob die Sache bei Ikea funktioniert: "Irgendjemand muss der erste sein. Es gibt dafür einen Markt. Aber es braucht Rieseninvestitionen in die Logistik." Profitabel sei das am Anfang kaum zu machen. "Es ist eine Investition in die Zukunft." (Regina Bruckner, 24.2.2020)