Das beherrschende Thema an diesem Wochenende in Riad lautete wieder einmal, dass in großen Fragen wenig weitergeht. Dabei ist manch einer mit großen Hoffnungen zu den Verhandlungen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs gereist. Auf nichts weniger als den Durchbruch für die Jahrhundert-Steuerreform hatte etwa der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gehofft.

Mindestbesteuerung, Einführung einer globalen Digitalsteuer, Klimafragen: Bei dem von der OECD organisierten Treffen lagen schwer verdauliche Brocken auf dem Tisch. Wo liegen die Risiken, wo die Chancen? Die Meinungen gingen wie immer, wenn es um Fragen von solcher Tragweite geht, weit auseinander. Immerhin: Der Klimawandel wird als Risiko für die Wirtschaft gesehen. Chinas hochrangige Vertreter blieben wegen des Coronavirus dem Treffen fern. Präsident Xi Jinping rechnet aber mit deutlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft seines Landes. Die Regierung werde ihre Konjunkturhilfen verstärken, wird er vom staatlichen Fernsehen zitiert.

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Modezampano Giorgio Armani trägt auf der Mailänder Modewoche Maske.
Foto: Reuters/ALESSANDRO GAROFALO

Die ohnehin schwächelnde Weltwirtschaft dürfte vom Virus weiter eingebremst werden. In welchem Ausmaß? Die endgültigen Folgen seien noch nicht abzuschätzen, erklärte Kristalina Georgiewa, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Riad. Georgiewa geht 2020 von einem Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 5,6 Prozent aus. Das wären 0,4 Punkte weniger als noch im Jänner prognostiziert. "Das globale Wachstum wäre rund 0,1 Prozentpunkte niedriger."

Viele Firmen in China produzieren weniger oder sind überhaupt zu einem Produktionsstopp verdammt. Damit werden die weltweiten Lieferketten immer öfter unterbrochen, das trifft Unternehmen weltweit. Zuletzt hatte der IWF eine Beschleunigung des globalen Wachstums um 0,4 Punkte auf 3,3 Prozent für heuer prognostiziert. Seitdem sorge das Virus für Unsicherheit, so Georgiewa.

Die Auswirkungen spüren – wie berichtet – auch heimische Unternehmen wie der Industriekonzern AT&S, Faserhersteller Lenzing, Autozulieferer Miba, Voestalpine. Ökonomen tun sich schwer, die Folgekosten solcher Ereignisse für die Volkswirtschaft zu erfassen.

Erweiterter Werkzeugkasten

Ein Forscherteam aus Wien hat den Werkzeugkasten der Wirtschaftswissenschaft erweitert, weil die Standardökonomie Netzwerke ignoriere. Stefan Thurner, Chef des Complexity Science Hub Vienna (CSH) hat zusammen mit Kollegen ein Modell ausgearbeitet, das mit Ansätzen aus der Physik volkswirtschaftliche Prozesse als komplexe Netzwerke erfasst und sich unter diesen Vorzeichen auch die Auswirkungen des Coronavirus auf die heimische Wirtschaft angesehen. Demnach müssen sich vor allem Betriebe auf Rückgänge einstellen, die elektronische und optische Produkte, Maschinen und Maschinenteile, Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile herstellen. Die Ausfälle könnten sich auf 1,1 Milliarden Euro belaufen.

Der Handelsdeal zwischen China und den USA hat zur Folge, dass chinesische Importe aus anderen Ländern zurückgehen werden.
Foto: APA/AFP/WANG ZHAO

Geht es nach Thurner und Kollegen, brauen sich über der heimischen Wirtschaft aber weitere Wolken zusammen. Der im Jänner zwischen China und den USA unterzeichnete Handelsvertrag – China will über die nächsten zwei Jahre Importe aus den USA um 200 Mrd. US-Dollar steigern – könnte demnach auch weitreichende Folgen für Österreich haben – zeitverzögert wie die Forscher anmerken. In vergleichbaren Ereignissen dauerte es demnach etwa fünf Jahre, bis die vollen wirtschaftlichen Auswirkungen sichtbar waren.

Bisher publizierte Studien zu den Folgen eines solchen Abkommens auf Europa würden sich auf den Rückgang der direkten Exporte nach China konzentrieren, eine mögliche höhere Nachfrage für europäische Vorleistungen in den USA sowie andere mögliche indirekte Effekte durch die internationalen Handelsverflechtungen europäischer Länder aber vernachlässigen.

Laut dem CSH-Modell werden Exportrückgänge in Europa durch indirekte Effekte teilweise abgefedert, teilweise verstärkt. Am meisten von Exportrückgängen betroffen sei Deutschland – mit jährlich bis zu 7,5 Milliarden Euro durch direkte Effekte und insgesamt 8,7 Mrd. Euro nach Berücksichtigung zusätzlicher indirekter Effekte.

Zeit verzögerte Folgen

Weil Österreichs Unternehmen stark in deutsche Zulieferketten eingebunden sind, könnte dies bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich kosten – weit mehr als die durch das Abkommen direkt verursachten Rückgänge um bis zu 0,3 Mrd. Euro. In Österreich davon am stärksten betroffen wären demnach Automobilindustrie, Maschinenbau sowie Elektronikhersteller.

Sektoren mit starker Exporttätigkeit in die USA hingegen könnten laut dem CSH-Modell von einer steigenden US-Nachfrage profitieren. Dazu zählt etwa der Bereich pharmazeutischer Produkte. Die positiven Effekte würden laut dieser Rechnung mit bis zu 146 Millionen Euro pro Jahr allerdings die negativen nicht aufwiegen. (Regina Bruckner, 24.2.2020)