Am Wochenende führte John Shipton (links) einen Protest in London an. Mit dabei waren auch Pink-Floyd-Legende Roger Waters und Modelegende Vivienne Westwood.

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John Shipton ist der Vater von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Während am Montag in London dessen Anhörung zum Auslieferungsantrag der US-Justiz beginnt, fordert Shipton Asyl für seinen Sohn in einem europäischen Staat. Vergangene Woche war der stille Mann, der seine Worte mit Bedacht wählt, für ein Treffen im Außenministerium in Wien. Davor sprach er mit dem STANDARD über seinen Sohn.

Prozess gegen Julian Assange: Die Anhörungen in London beginnen.
ORF

STANDARD: Sie touren gerade durch Europa, treffen Politiker. Was erwarten Sie sich?

Shipton: Ich werde für Julian eintreten und klarmachen, dass es – ich weiß, das ist eine abgedroschene Phrase – einen historischen Wandel in Europa gibt, der Julian und die freie Meinungsäußerung und freien Austausch in der Europäischen Gemeinschaft unterstützt. Gestern in Paris waren 25 Kameracrews, davor in London 23. Es gibt eine wachsende Unterstützung.

STANDARD: Aber haben Sie eine derart positive Rückmeldung denn auch aus politischen Kreisen oder gar Regierungskreisen erhalten?

Shipton: Ja, die Unterstützung in Deutschland ist riesig. Sigmar Gabriel war ja doch immerhin Außenminister. Aber dennoch: kein Gegenwort oder auch kein Wort seitens der Regierung. Derartiges Schweigen bedeutet Zustimmung.

STANDARD: In welchem Land orten Sie denn die größten Chancen auf Asyl für Ihren Sohn?

Shipton: Fangen wir doch in der Mitte an: der Schweiz. Die Schweiz wird Julian ein humanitäres Visum anbieten. Das ist die erste offizielle Anerkennung und sehr wichtig. Auch in Frankreich wird es einen Versuch geben. Ich denke, es wird zu einem Wettbewerb kommen, wer denn den stärksten Schutz bieten kann – so sollte es zumindest sein. Im absoluten Herzen Europas zu sein würde bedeuten, in der Schweiz zu sein. Er kann sich dort von den Folgen seiner Folter erholen. Und er kann von dort aus Gastprofessuren in ganz Europa annehmen. Nach zehn Jahren Arbeit an der Schnittstelle zwischen Regierungen und Information hat er noch sehr viel zu geben. Es wäre eine sehr feine Sache für Europa, eine Stimme wie Julian im Herzen Europas sitzen zu haben. Ich selbst freilich – ich lebe in Melbourne – hätte es gerne, würde Julian gleich eine Straße weiter leben und auf eine Tasse Tee oder Kaffee vorbeikommen könnte.

STANDARD: Was ist denn das Ziel, die Vision Ihrer Mission?

Shipton: Ich bin gerade in Wien, um mich mit dem Außenministerium zu treffen, um hier für Beistand für Julian zu werben: damit Österreich Teil dieser globalen Bewegung wird, die sich wünscht, dass Julian freikommt – als Ikone der Unterdrückung von Journalisten, Publikationen oder Publizisten. Die Unterdrückung wird passieren, wenn Julian an die USA ausgeliefert wird. Das bedeutet, dass jeder Bürger Europas, der die Position der EU verstehen will oder der seine Regierung in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verstehen will, angeklagt, vor Gericht gestellt und ausgeliefert werden kann. Besonders, wenn es sich um sensible Bereiche handelt. Als ich begonnen habe, durch Europa zu reisen, dachte ich, es handelt sich hier um ein europäisches Problem. Wikileaks war in Frankreich registriert, die ersten Verfahren waren in Frankreich. Ich habe aber realisiert, dass die Unterdrückung von Journalisten ein globales Problem ist. Wenn es nicht jetzt gelöst wird, wird es den Geschmack des kommenden Jahrhunderts bestimmen.

STANDARD: Wie ist der gesundheitliche und geistige Zustand Julian Assanges?

Shipton: Ich kann seinen geistigen Zustand nicht kommentieren. Ich kann nur meinen eigenen Zustand kommentieren. Sein Gesundheitszustand ist ein Problem nach neun Jahren zunehmender psychologischer Folter, wie sie Nils Melzer (UN-Sonderberichterstatter über Folter, Anm.) in seinem Bericht hervorgehoben hat. Julian ist ein Intellektueller, ein feinfühliger Mensch. Und er sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis mit Terroristen und Mördern. Ein feinfühliger Mensch, aber einer mit einem sehr starken Willen.

STANDARD: Was erwarten Sie von dem Auslieferungshearing am Montag?

Shipton: Ich nehme jeden Tag, wie er kommt. Ich arbeite jeden Tag, wie wir alle, für Julians Freiheit – in Erwartung eines Erfolgs am Ende.

STANDARD: Was hat denn Julian Assanges Drang inspiriert, US-Umtriebe aufzudecken?

Shipton: Es geht nicht um die USA oder Russland. Es geht darum: Wo auch immer ein sensibles Thema Erwähnung finden muss, eine Quelle Schutz braucht oder eine Publikation verifiziert werden und in einem Verzeichnis aufscheinen soll, kommt Wikileaks ins Spiel. Es ist ein neues Verständnis des Publizierens. Alles, was Wikileaks veröffentlicht hat, ist zugänglich wie eine Bibliothek. Das gibt normalen Menschen die Möglichkeit, zu recherchieren und uns klarzumachen, wo wir stehen in der Beziehung zu unseren und anderen Regierungen.

STANDARD: Assanges Anwalt Edward Fitzgerald hat gesagt, es sei seitens der US-Regierung eine Begnadigung angeboten worden, sollte Julian Assange eine Involvierung Russlands in die E-Mail-Affäre 2016 zurückweisen. Wenn es dieses Angebot gab, wieso hat er es nicht angenommen?

Shipton: Ich weiß es nicht. Ich kenne die Fakten nicht. Ich denke, das Hearing wird da in vielerlei Hinsicht Aufklärung bringen.

STANDARD: Die Veröffentlichung der Mails hatte den Geruch einer Kreml-Aktion. Was ist seine Position in dieser Hinsicht?

Shipton: Ich weise Ihre Frage zurück. Keine von Julians Aktionen war im Sinne Putins. Julian ist pro Wahrheit und er verifiziert alles, was auf Wikileaks publiziert wird, sehr genau. Alles, was auf Wikileaks veröffentlicht wird, kommt aus der Bevölkerung. Und es geht darum, alles zu tun, um die Quelle zu schützen.

STANDARD: Sollte Julian Assange Asyl finden – wird er weitermachen?

Shipton: Wikileaks ist eine robuste globale News-Organisation mit dem Ruf, genau zu sein und akkurat, wenn man etwas genau wissen will. Es geht um Zugang und Gerechtigkeit. Es ist ein Geschenk. Es handelt sich hier ja nicht um einen reinen Kriminalfall, sondern einen mit politischer Tragweite. Ich meine, das transatlantische Verhältnis ist bereits zerrüttet. Asyl für Julian Assange wird es nicht besser machen. (Stefan Schocher, 24.2.2020)