François Fillon muss sich verteidigen.

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Die Bombe ging am 25. Jänner 2017 hoch und ihr Urheber war eine Ente. Das französische Wochenblatt "Le Canard Enchaîné" enthüllte, dass Präsidentschaftskandidat François Fillon seiner Gattin Penelope über acht Jahre rund 500.000 Euro an Scheinsalären eingebracht hatte. Die Nichtpolitikerin fungierte auf dem Lohnzettel als parlamentarische Assistentin, obwohl sie einem Fernsehsender später selbst erklärte, sie habe diese Funktion "nie ausgeübt".

Um eine politische Bombe handelte es sich, weil Fillon in den Meinungsumfragen der heraufziehenden Präsidentschaftswahlen klar führte. Der Konservative profitierte dabei von der Frustration vieler Wähler über den farblosen Amtsinhaber, den Sozialisten François Hollande; auch punktete Fillon mit einem kantigen liberalkonservativen Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dem Abbau des Sozialstaates. "Blut und Tränen" versprach er, und das zog damals.

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Die erste "Canard" Enthüllung dementierte Fillon noch einigermaßen nonchalant. Eine Woche später doppelte das Satireblatt aber mit neuen Details nach. Die gebürtige Britin Penelope, die auf ihre bäuerlichen Wurzeln stolz war, wie sie sagte, auch wenn sie als Schlossherrin lebte, hatte auch für ein paar Beiträge in der Literaturrevue eines Milliardärsfreundes 100.000 Euro erhalten.

Jetzt schimpfte Fillon über die "Sequenz der Stinkbomben", mit denen seine Kandidatur zunichte gemacht werden solle. Die entfesselte Ente antwortete mit dem Hinweis, dass sich der ehemalige Premierminister von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy auch Maßhemden im Wert von 4.500 Euro hatte schenken lassen.

Nun griffen die Zweifel an Fillons Gentleman-Image auf sein eigenes Lager über. "Eine Kutte macht noch keinen Mönch", flachste die Ex-Sarkozy-Ministerin Rachida Dati als eine der ersten, vielleicht auch, weil sie Fillon aus der gemeinsamen Regierungszeit besser kannte als viele andere.

"Völlig legal"

Dessen Umfragewerte sanken mehr und mehr, und bald fiel der konservative Kandidat hinter den kaum profilierten Newcomer Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen zurück. Angeschlagen verteidigte er sich, er habe "nicht den geringsten Zweifel", dass sein Tun und lassen "völlig legal" gewesen sei.

Die Strafjustiz sah das anders und eröffnete nach einer Voruntersuchung ein formelles Verfahren wegen Scheinjobs (auch für die Tochter Marie), Veruntreuung bis zu schwerem Betrug. Die Kandidatur Fillons war erledigt. Im ersten Wahlgang von April 2017 unterlag er gegen Macron (24 Prozent) und Le Pen (21,3 Prozent). Seine relativ guten 20 Prozent Stimmen zeigten nur auf, dass die Stimmung im Land eigentlich sehr günstig für einen konservativen Kandidaten gewesen wäre. Ohne das "Penelopegate" wäre Fillon, der anschließend sofort empfahl, in der Stichwahl für Macron und nicht für Le Pen zu votieren, der Triumph kaum zu nehmen gewesen.

Das Schicksal wollte es anders. Politisch K.O. und in seiner Ehre gekränkt, zog sich Fillon auf sein Schlossgut in der Region Sarthe zurück und sagte der Politik adieu. Seither betätigt er sich relativ erfolgreich als Investor; daneben setzt er sich für verfolgte Christen im Mittleren Osten ein. Politisch trat er nur noch einmal in Aktion: Im Januar skizzierte er in einer langen Fernsehsendung, wie er sich in dem nun beginnenden Prozess verteidigen will. Zwischen Freispruch und zehn Jahren Haft halten Juristen alle Urteile für möglich.

Ach nein, Fillon – nur das nicht!"

Das politische Urteil ist indessen längst gefällt: Die Franzosen, ja auch die konservativen Republikaner wünschen kein Comeback des Mannes, der den zugegeben brutalen Attacken auf seine Person keine Argumente oder Fakten entgegenzusetzen hatte. Fillon hinterließ sein eigenes Lager als einzigen Scherbenhaufen. "Les Républicains" (LR) sind nur noch ein Schatten der einst stolzen Gaullistenpartei von Jacques Chirac oder Sarkozy.

Die dominierende Figur der französischen Politik heißt heute Macron, und zwischen ihm und Le Pen ist der Platz eng geworden für die bürgerliche Rechte – sehr eng. Führungs- und orientierungslos schwankt sie wie die deutsche CDU zwischen einem konservativen, wirtschaftsfreundlichen Kurs und einer sozialen, ländlichen Haltung.

Unter dem Hardliner Fillon wäre die Linie wenigstens klar gewesen. Trotzdem verspüren die Republikaner für den einstigen Hoffnungsträger. "keinerlei Nostalgie", wie das ihnen nahestehende "Journal du dimanche" am Sonntag schätzte. Auf die Nachricht vom anstehenden Prozess stöhnte einer Parteigänger auf : "Ach nein, Fillon – nur das nicht!" (Stefan Brändle aus Paris, 24.2.2020)