Am vergangenen Freitag hatte Thomas Thabane noch vorgezogen, seinem Gerichtstermin in Lesothos Hauptstadt Maseru fernzubleiben. Montagmorgen erschien der Premierminister dann doch noch im Gerichtssaal in Maserus Justizpalast. Begleitet wurde er dabei von seiner Frau Maesaiah.

Thabane wird vorgeworfen, am Mordanschlag auf seine zweite Frau Lipolelo Thabane beteiligt gewesen zu sein. Diese wurde nach einem jahrelangen Scheidungskrieg im Juni 2017 in ihrem Auto erschossen – zwei Tage vor Thabanes neuerlichem Amtsantritt als Regierungschef. Im Jänner wurde bekannt, dass vom Tatort aus Thabanes Mobiltelefon angerufen wurde.

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Die Thabanes im Gerichtssaal.
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Immunität für Mord?

Thabanes Anwalt Qhalehang Letsika brachte bei der Anhörung vor, dass sein Mandant nicht angeklagt werden solle, solange er Premier sei. "Mein Mandant kann im Amt nicht strafrechtlich verfolgt werden, aber er steht nicht über dem Gesetz", erklärte Letsika. Er habe Anspruch auf Immunität. Würde ein amtierender Premier strafrechtlich verfolgt, dann könnte er auch inhaftiert werden, argumentierte der Anwalt. Nach einer kurzen Beratung entschied das Gericht, die Frage der Immunität an das Höchstgericht weiterzureichen. Thabane wurde daher noch nicht formell angeklagt.

Thabanes dritte Frau Maesaiah, die er zwei Monate nach dem Tod Lipolelos heiratete, steht bereits unter Anklage, sie muss sich im März vor Gericht verantworten. Der 42-Jährigen wird vorgeworfen, acht Mörder auf ihre Vorgängerin angesetzt zu haben.

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Vizepolizeichef Paseka Mokete wartete am Freitag vergebens auf den Premier.
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Ursprünglich hätte Thomas Thabane bereits am Donnerstag zur Anhörung vor Gericht erscheinen sollen, Vizepolizeichef Paseka Mokete gab dem 80-jährigen Premier jedoch eine zusätzliche Tagesfrist. Am Freitag wartete man jedoch vergebens: Thabane sei zu einem Arzttermin nach Südafrika gereist, verlauteten Thabanes Sohn Potlako und das Amt des Premiers. Zunächst als "Routinecheck" bezeichnet, wurde später von einem "medizinischen Notfall" gesprochen. Eine Flucht sei die Abwesenheit jedoch nicht. Mokete gab Thabane daraufhin – unter Androhung eines Haftbefehls – aus gesundheitlichen Gründen Aufschub bis zum Donnerstag. Diese Frist reizte der Premier nun nicht aus.

Schon Maesaiah Thabane hatte sich im Jänner ihrer Ladung vor Gericht drei Wochen lang entzogen. Nachdem sie sich gestellt hatte, wurde sie nach einer Anhörung trotz der massiven Vorwürfe gegen eine Kaution in Höhe von umgerechnet 61 Euro wieder freigelassen. Sie hatte argumentiert, der verdächtige Anruf vom Tatort aus bringe ihren Ehemann in Verbindung mit der Tat, nicht jedoch sie.

"Extrem gefährliche Person"

Der Enkelsohn des Premiers und Sohn Potlakos, Thomas Thabane Jr., geht gegen die Freilassung seiner Stiefgroßmutter gemeinsam mit zwei Neffen Thabanes, Khauhelo Molapo und Thuto Makhooane, gerichtlich vor. Unterstützt wird der Antrag, die Freilassung auf Kaution zu widerrufen, weiters von der einzigen Überlebenden Zeugin des Anschlages auf Lipolelo Thabane. Thato Sibolla saß mit dem Mordopfer im Auto und erlitt schwere Schussverletzungen.

In dem Antrag erklärte Thomas Thabane Jr., Maesaiah sei eine "extrem gefährliche Person", die nicht zögern würde, Gangster anzuheuern, um ihre Gegner auszuschalten. Lipolelo hatte neben der gemeinsamen Tochter Mabatsoeneng Hlaele die vier Kinder ihres Mannes aus erster Ehe großgezogen. Mabatsoeneng hatte private Ermittler auf den Fall ihrer Mutter angesetzt und im November Maesaiah offen beschuldigt.

Rücktritt gefordert

Thabane steht seit 2017 einer Koalitionsregierung vor. Die eigene Partei All Basotho Convention (ABC) fordert den umgehenden Rücktritt des Chefs, dieser will jedoch bis Ende Juli im Amt bleiben. Am Montag nominierte die ABC-Führung offiziell Samuel Rapapa als Nachfolger für Thabane, erklärte Parteisprecher Montoeli Masoetsa. Rapapa ist Vorsitzender des National Executive Committees, des obersten Parteigremiums der ABC.

Da auch die anderen Koalitionspartner Thabane loswerden wollen, wäre Rapapas Amtsübernahme theoretisch eine Formalität. Doch die ABC ist gespalten. Die innerparteilichen Gegner Thabanes vermuten, dass seine Anhänger unter Führung des ehemaligen Parteigeneralsekretärs und Wasserministers Samonyane Ntsekele versuchen, die Alliance of Democrats (AD) unter dem Vizepremier Monyane Moleleki und den Lesotho Congress for Democracy (LCD) unter Mothetjoa Metsing auf ihre Seite zu bringen. Moleleki solle so Nachfolger Thabanes als Regierungschef werden. ABC-Sprecher Masoetsa vermutet, dass die Thabane-Fraktion auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa auf ihre Seite ziehen will und Gespräche mit der südafrikanischen Regierung führt, damit diese die Machtübernahme stützt.

Der Justizpalast in Maseru wird Schauplatz der Gerichtsverhandlungen im Mordfall Lipolelo.
Foto: APA/AFP/Spatari

Ntsekele war wie auch andere Minister bereits zu Befragungen im Mordfall Lipolelo vorgeladen worden. Auch der Sänger Rethabile Mokete, in Lesotho bekannt unter dem Namen Mosotho Chakela, wurde geladen, kam jedoch der Aufforderung der Polizei bisher nicht nach. Chakela ist ein Vertreter des Famo genannten traditionellen lesothischen Gesangs. Er ist mit Thabanes ABC-Flügel verbandelt, lebt jedoch in Bloemfontein in Südafrika.

Geringe Haltbarkeit der Regierungen

Die letzten Regierungen Lesothos scheiterten jeweils durch Misstrauensvoten vorzeitig. Auch Thomas Thabanes erste Amtszeit von 2012 bis 2015 endete so. Nun droht ihm erneut ein Misstrauensvotum und vorgezogene Neuwahlen. Dabei sollte in den kommenden Tagen eigentlich über das Budget für 2021 beraten werden.

Politische Attentate und Putsche sind in Lesotho keine Seltenheit. Auch auf Thabanes Amtsvorgänger Bethuel Pakalitha Mosisili wurde 2009 ein Anschlag verübt. Dieser wurde einem Leibwächter Thabanes angelastet. Thabane wiederum floh 2014 als amtierender Premier aus Angst vor einem Anschlag durch das Militär nach Südafrika und kehrte Tage später mit südafrikanischem Polizeischutz wieder. (Michael Vosatka, 24.2.2020)