Türkis-Grün will dasselbe wie Türkis-Blau: Verpflichtenden Ethikunterricht sollen nur jene Schülerinnen und Schüler besuchen müssen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen – oder ohne religiöses Bekenntnis sind.

Foto: AFP/picturedesk/Fabi

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid will, dass Ethikunterricht nicht als "Minderheitenprogramm" geführt wird, sondern verpflichtend alle Schülerinnen und Schüler sein sollte, und das schon ab der Sekundarstufe 1, also für alle Zehn- bis 14-Jährigen.

Foto: APA/Fohringer

Wien – Jetzt ist es offiziell bestätigt: Der von Türkis-Blau für Herbst 2020 angekündigte, verpflichtende Ethikunterricht für "Religionsabmelder" und Kinder ohne Religionsbekenntnis startet – wiewohl unverändert ins türkis-grüne Koalitionsprogramm übernommen – erst ein Jahr später als geplant. "Die konkrete Umsetzung soll aufsteigend ab dem Schuljahr 2021/22 erfolgen", heißt es in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ durch Bildungsminister Heinz Faßmann.

Es geht sich doch nicht aus

Anfang September 2019 hatte die damalige Ressortchefin der Beamtenregierung, Iris Rauskala, im STANDARD-Interview zum Starttermin Herbst 2020 gemeint: "Das geht sich noch aus." Noch im November ging man im Ministerium vom planmäßigen Start des Fachs Ethik in der neunten Schulstufe in AHS und polytechnischen Schulen ab 2020/21 und im Folgejahr an BHS aus – jedoch immer mit dem Zusatz, dass dafür ein Beschluss des neuen Unterrichtsfachs im Parlament nötig sei. Den gibt es noch immer nicht. Dabei wäre das Ministerium startklar, schreibt Faßmann in der Anfragebeantwortung: "Die Umsetzungspläne liegen weitgehend vor."

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid wollte auch wissen, wie viele Schülerinnen und Schüler österreichweit am Ethikunterricht teilnehmen werden. Das Bildungsressort geht von rund 105.000 aus. "Das entspricht nicht einmal zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler und ist somit ein Minderheitenprogramm", sagt Hammerschmid zum STANDARD.

SPÖ fordert Ethik für alle ab zehn

Sie plädiert weiterhin für einen gemeinsamen Ethikunterricht und "damit für pluralistische Wertevermittlung für alle Schülerinnen und Schüler – unabhängig vom Bekenntnis und jedenfalls auch für Zehn- bis 14-Jährige. Niemand versteht, warum Kinder mit katholischem, jüdischem oder islamischem Glauben nicht gemeinsam mit Kindern ohne Religionszugehörigkeit über Ethik, Gleichberechtigung, Demokratie und Werte sprechen sollen."

Aus der Anfragebeantwortung geht auch hervor, dass die Voraussetzung, um Ethik unterrichten zu dürfen, "eine Lehrbefugnis für Ethik" ist, die im Rahmen von Hochschullehrgängen an Pädagogischen Hochschulen erworben werden kann. Und zwar auch von Religionslehrerinnen und Religionslehrern. "Grundsätzlich besteht keine rechtliche Einschränkung, Religionslehrkräften das Unterrichten von Ethik zu verwehren", heißt es in dem Schreiben. Aus den – seit 1997 – laufenden Ethikschulversuchen hätten sich "keine Anhaltspunkte ergeben, die auf zu problematisierende Haltungen von Religionslehrkräften, die Ethik unterrichten, schließen ließen".

Mit Stand 30. November 2019 besuchten österreichweit 425 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Hochschullehrgang "Ethik" an einer Pädagogischen Hochschule.

Ethik für alle würde jährlich 100 Millionen Euro kosten

Gefragt nach den Kosten, die ein flächendeckender Ethikunterricht – also ein Pflichtgegenstand für alle Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II (ab der 9. Schulstufe) – kosten würde, schreibt Faßmann, dass für zwei Semesterwochenstunden jährliche Mehrkosten von circa 100 Millionen Euro anfallen würden.

Als Begründung dafür, dass Ethik als Ersatz für den Religionsunterricht angelegt ist, schreibt Faßmann, der parteifrei im ÖVP-Ministerteam amtiert, dass "diese Jugendlichen im Unterschied zu allen, die den Religionsunterricht besuchen, keine Möglichkeit zur gezielten Befassung mit Grundfragen des Lebens sowie unterschiedlichen ethischen, religionsgeschichtlichen u. ä. Fragestellungen im Unterricht haben."

Abschließend wird in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der SPÖ festgehalten: "Die generelle Einrichtung des Gegenstandes Ethik ist derzeit nicht geplant." (Lisa Nimmervoll, 25.2.2020)