Im Zuge ihrer "Strafexpedition" 1897 erbeuteten die Briten diesen Würdenträger im Königreich Benin. Über einen britischen Händler kam das Relief ins Weltmuseum.

Foto: KHM-Museumsverband

Als Autostopperin und Backpackerin hat Henrike Brandstötter den geografisch südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas privat mehrmals bereist. Ihre Leidenschaft für diese Region fließt auch in ihren politischen Alltag ein: als Neos-Sprecherin für Entwicklungszusammenarbeit und Nationalratsabgeordnete.

In letzterer Funktion brachte sie im Dezember eine parlamentarische Anfrage zum "Stand der Provenienzforschung und Restitution von Kolonialkunst und kolonialzeitlichen Museumsgegenständen vom afrikanischen Kontinent im Besitz der österreichischen Bundesmuseen" ein.

Die Beantwortung liegt seit vergangener Woche vor und gibt erstmals einen Überblick über den Umfang der Bestände, die Art der Objekte und den Forschungsstatus. Zugleich liefert sie einen Einblick in die Komplexität der Materie, in der politisch motivierter Aktionismus auf die Expertise von Juristen prallt: Man konnte sich bislang nicht einmal auf ein Vokabular einigen.

In der Anfrage ist etwa von "Raubkunst" die Rede. In der österreichischen Rechtsordnung existiert der Begriff jedoch nicht, auch nicht im Kunstrückgabegesetz. Im allgemeinen Sprachgebrauch war dieser Terminus bisher nur für in der NS-Zeit entzogene Kunstwerke und Kulturgüter geläufig – im Unterschied zu "Beutekunst", die während eines Kriegs von einer Besatzungsmacht entfernt wurde. In der Anfrage ging es weiters nur um "Artefakte", womit andere Objekte unberücksichtigt blieben, deren Herkunft ebenso einen kolonialen Kontext haben könnte. Etwa "human remains" in der anthropologischen Sammlung des Naturhistorischen Museums.

Tausende Inventarnummern

Im Technischen Museum gibt es 300 Objekte afrikanischen Ursprungs. Dabei geht es hauptsächlich um Materialproben wie Kautschuk, Batik oder Öle. Einige wenige Objekte sind der Kategorie "Kolonialwaren" zugeordnet, etwa neun Holzschnitzereien aus Nordafrika. Das Museum für angewandte Kunst führt 1983 Objekte: Behältnisse, Schmuckstücke oder Textilien.

Das mit Abstand größte Volumen ist mit etwas mehr als 44.700 Objekten aller Art im Weltmuseum zu finden: Geräte zur Fischerei, Viehzucht und Landwirtschaft, Werkzeuge, Waffen oder auch Kinderspielzeug und Touristenware. Das Kunsthandwerk nicht zu vergessen sowie die teils aus höfischen Sammlungen stammenden Kunst- und Ritualgegenstände. Hier ist der ethisch problematische Erwerbskontext in der Verbindung mit kolonialen Machtstrukturen am augenscheinlichsten. In der Sammlung "Afrika südlich der Sahara" fallen 12.022 Inventarnummern in den Zeitraum von 1884 bis 1918, also von der Kongo-Konferenz bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als Deutschland seine Kolonien abgeben musste.

13 Benin-Objekte unstrittig

Sie sind potenziell kolonialen Kontexten zuzuordnen, die Völkerschauen ebenso betreffen wie Kolonialbeamte, Missionen oder die k. k. Kriegsmarine. Bei den Beständen aus dem Königreich Benin kann man bei 196 Objekten von einem Bezug zum kolonialen Krieg seitens der Briten 1897 ausgehen – vermutlich, aber noch nicht gesichert. Der eindeutige Nachweis gelang vorerst für 13 Benin-Objekte.

Dazu gehören, wie die Kuratorin Nadja Haumberger mitteilt, etwa der Altar einer Königinmutter oder eine Reliefplatte, die einen Würdenträger mit Schwert zeigt. Sie gelangten über einen gewissen William Downing Webster in die Sammlung. Er war ein auf Ethnografika spezialisierter britischer Händler, der seine Ware direkt vom British Foreign Office oder britischen Soldaten nach ihrer Rückkehr von der sogenannten Benin-Expedition bezog.

Die erwähnten 13 "Artefakte" sind bisher die einzigen aus allen Bundesmuseen, für die eine problematische Herkunft erwiesen ist. Eine lückenlose Rekonstruktion wird, wie Provenienzforscher aus Erfahrung wissen, eine Ausnahme bleiben. Haumberger hat noch 36.236 Inventarnummern zu bearbeiten. Das macht deutlich, wie groß der Bedarf an zusätzlichen finanziellen Mitteln und personellen Ressourcen wäre. (Olga Kronsteiner, 25.2.2020)