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Fast hätte das Coronavirus die Modewoche flachgelegt. Chinesische Einkäufer, Stylisten, Journalisten und Influencer hatten ihre Flüge nach Mailand eh schon gecancelt. Nachdem sich die Viruspanik auch in Italien breitgemacht hatte, erklärte Giorgio Armani, seine Show am Sonntag hinter verschlossenen Türen abhalten zu wollen. Eine Modenschau ohne Gäste, das gab's bei Armani noch nie! Der Modeveteran zeigte seine Kollektion sicherheitshalber als Livestream im Internet. Die Abwesenheit der rund 1.000 chinesischen Modeinsider machte erfinderisch. Der umbrische Kaschmirspezialist Brunello Cucinelli drehte in den Mailänder Schauräumen Videos für die Daheimgebliebenen und mailte sie nach China. Die Botschaft: Wir sind bei euch!

Am Sonntagmittag aber stahl das Modehaus Prada dem Coronavirus und den Atemschutzmasken auf Mailands Straßen die Show. Eine Pressekonferenz des Unternehmens sorgte für ein Branchenbeben: Miuccia Prada und ihr belgischer Überraschungsgast Raf Simons gaben sich in Anwesenheit von CEO Patrizio Bertelli das Jawort: Die beiden Superstars der Branche werden ab April als gleichberechtigte Kreativchefs bei Prada gemeinsame Sache machen. Das neue Power-Couple wird sich im September mit einer ersten gemeinsamen Kollektion beweisen müssen.

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Raf Simons und Miuccia Prada bei der Pressekonferenz am Sonntag.
Foto: AP Photo/Colleen Barry

Jagd auf die junge Kundschaft

Besondere Zeiten verlangen besondere Maßnahmen. Prada ist auf der Jagd nach jungen Kunden: Erst unlängst tat sich das Modehaus mit dem Sportartikelhersteller Adidas zusammen, der Onlineverkauf soll weiter ausgebaut werden. In der Fondazione Prada sandte die Chefdesignerin mit ihren Fransenröcken (dem Modethema des Herbstes!), den Krawatten und gegürteten Blazern (betonte Taillen gab's auch bei Emporio Armani, Fendi und Max Mara) nicht nur feministische Botschaften über den Laufsteg, sie bewies mit zeitgenössischen Accessoires wie Airpod-Schatullen und Bauchtaschen, dass sie die Generationen Y und Z auf dem Radar hat.

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Prada
Foto: REUTERS/ALESSANDRO GAROFALO

Schließlich führt am östlichen Ende der Stadt der Konzern Kering mit Gucci seit fünf Jahren vor, wie den Millennials Appetit auf Luxusmode gemacht wird. Der Zenit des großen Booms, den Kreativchef Alessandro Michele ausgelöst hatte, mag bei dem italienischen Modehaus vorüber sein, noch immer aber verzeichnet die Marke zweistellige Zuwächse. Und so konnte sich der Gucci-Designer in Mailand einmal mehr als freakiger Modephilosoph inszenieren. Er erklärte das Geschehen hinter den Kulissen, die Rituale der Modewoche zum Thema seiner Show, ließ die Besucher erst durch eine inszenierte Backstage-Situation laufen und stellte dann die Models in Puppenkleidern, Kniestrümpfen und Faltenröcken in einem Karussell auf.

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Gucci
Foto: ap/bruno

Dicker aufgetragen wurde nur noch bei Philipp Plein, der im Vorfeld der Show zu Werbezwecken goldene, mit dem Plein-Logo tapezierte Jeeps durch die Mailänder Innenstadt rasen ließ. Und natürlich bei dem Daunenjackenspezialisten Moncler. CEO Renzo Ruffini hatte vor zwei Jahren das Ende der Modenschau heraufbeschworen. Seither führt Moncler mit Designer-Kooperationen (wie Simone Rochas und neuerdings JW Anderson und Rimowa) unterschiedliche Zielgruppen an die Funktionsjacke heran.

Philipp Plein
Foto: Epa/Marco Ottico

Wie stark die Eventisierung der Modewoche voranschreitet, zeigte sich einmal mehr am Eröffnungsabend in den Mailänder Abbruchhäusern an der Viale Molise. Dort schoben sich Massen an Menschen durch die Moncler-Hallen, es herrschte Jahrmarktstimmung, draußen wurden vegane Hotdogs zu wummernden Bässen gereicht.

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Moncler
Foto: Reuters/Garofalo

Neben den lauten, Instagram-tauglichen Mega-Inszenierungen sind dank Designern wie Arthur Arbesser neue Off-Locations zu entdecken: Den Österreicher verschlug es an die Mailänder Peripherie, Arbesser ließ neben konventionellen Models einige Mailänder Designerinnen und Kuratorinnen unterschiedlichen Alters in einem Lagerhaus mit Glasdach auflaufen.

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Arthur Arbesser
Foto: ap/calanni

Gleichzeitig ist ein Comeback des Minimalismus zu beobachten: Der Lederwarenspezialist Bottega Veneta gehört neuerdings wieder zu den Hot Tickets der Saison. Seit dem Engagement des britischen Designers Daniel Lee im Sommer 2018 nahm der Wachstumskurs der Kering-Marke Fahrt auf. Lee gilt seither als vielversprechender Shootingstar der Mode, im Dezember hatte er bei den British Fashion Awards in gleich vier Kategorien abgeräumt. In Mailand interpretierte der 34-Jährige die Traditionen des Hauses richtungsweisend mit knöchellangen Fransenkleidern und neu aufgelegten Varianten der Intrecciato-Tasche.

Bottega Veneta
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Mode zum Anfassen

Auch das Ehepaar Meier, das nur noch bis zum Herbst in Wien an der Modeklasse unterrichtet, überzeugte bei Jil Sander mit Entwürfen, die nicht nur für die sozialen Netzwerke entworfen wurden. Die wadenlangen Strickkleider, Blusenkrägen und logofreien Handtaschen entfalten ihre Stärke vor allem bei näherer Betrachtung.

Jil Sander
Foto: apa/afp/solaro

Das gilt auch für die Kollektion von Paul Andrew für Ferragamo, die sich mit fließenden Mänteln und Lederkleidern vor Frauen wie Joan Didion und Nancy Pelosi verbeugte. Und für das Debüt des neuen Tods-Designers Walter Chiapponi, der das Lederprogramm des Unternehmens mit Boyfriend-Blazern und Breitcordhosen verwob.

Neben Miuccia Prada sind es aber vor allem die Designerinnen ihrer Generation, die während der Woche Beweglichkeit bewiesen: Die 64-jährige Donatella Versace verzichtete in ihrem verspiegelten Setting heuer zwar auf ein J-Lo-Moment, erstmals aber ließ sie neben den mittlerweile obligatorischen "älteren" Models wie Mariacarla Boscono erstmals Männer aufmarschieren. Die Herrenmode verspricht dem 2018 von Michael Kors aufgekauften Unternehmen einerseits mehr Wachstum, andererseits haben Firmen wie Gucci den Weg für genderfluide Präsentationen geebnet.

Versace
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Auch die Endfünfzigerin Silvia Fendi feierte eine Premiere: Sie schickte mit Jill Kortleve und Paloma Elsesser zwei "Plus Size"-Models über den Laufsteg. Mit dieser Geste setzte sich Fendi klar von ihrem ehemaligen Kreativchef Karl Lagerfeld ab. Der diätversessene, vor einem Jahr verstorbene Designer hatte "Plus Size" stets abgelehnt. Die Kundinnen werden es Silvia Fendi danken. (Anne Feldkamp, 25.2.2020)

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Dolce & Gabbana
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