In der berühmten Mailänder Viktor-Emanuel-Galerie war am Montag ungewöhnlich viel Platz. Doch auch hier waren Menschen mit Gesichtsschutz zu sehen.

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Die Panik der wenigen Anwesenden, sagt Giacomo Held, sei deutlich zu spüren, "auch wenn sie ihre Gesichter hinter Atemschutzmasken verstecken". Held, ein junger aufstrebender Künstler, sitzt in der fast leeren U-Bahn Mailands. "Ich kam am Sonntag am Mailänder Flughafen an. Schon der wirkte wie ausgestorben."

Mailand, die Stadt der Mode, der Finanzkraft und der beiden großen Fußballvereine, befindet sich im Ausnahmezustand. Sie ist mittendrin in jener norditalienischen Zone, in der das Coronavirus sein Unwesen treibt. Deshalb ist sie mehr oder weniger zum Stillstand gekommen. Sämtliche Sehenswürdigkeiten inklusive des Doms sind geschlossen, Fußballspiele wurden abgesagt, und Modeschauen waren nur mehr online zu sehen. Drastisch seien die Maßnahmen, sagt Giacomo Held, aber richtig, findet er, auch wenn er nun befürchtet, dass Mailand sich zur Geisterstadt entwickle.

"Eine reine Hysterie"

Für Ärger sorgt, dass Fußballspiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollen. Severino S., Hausmeister in der Via Soresina, zeigt sich darüber empört: "Das wird zu Protesten führen." Ähnlich reagiert Siliva Bonora, Mutter zweier Buben, wegen der zahlreichen Hamsterkäufe, die dazu führen, dass es in Supermärkten weder Nudeln noch Mineralwasser gibt. "Das ist eine reine Hysterie."

Entspannt zeigt sich hingegen der Besitzer der zentral gelegenen La Tavola angesichts der Maßnahme, dass Kaffeehäuser und Bars nun um 18 Uhr schließen müssen. "Dann trinken die Mailänder ihren Aperitif halt früher."

Mittlerweile wurden in Italien sechs Todesopfer durch die Epidemie registriert. Das vorerst letzte ist ein 80-Jähriger aus der lombardischen Ortschaft Castiglione d'Adda, der im Krankenhaus Sacco in Mailand starb. Italiens Zivilschutzchef Angelo Borrelli bezifferte die Zahl der am Coronavirus infizierten Personen am Montagnachmittag auf 224. Am Sonntag waren es noch 150 Infizierte und drei Tote gewesen. Alle Toten seien betagt gewesen und hätten an einer oder an mehreren Vorerkrankungen gelitten, zwei von ihnen an Krebs in fortgeschrittenem Stadium.

Suche nach "paziente zero"

Die neu entdeckten Infizierten stammten ausnahmslos aus Gebieten, in denen bereits andere Coronavirus-Fälle registriert wurden und die zum Teil bereits unter einer weitreichenden Quarantäne stünden, betonte Borrelli. Das war die beruhigende Nachricht. Die weniger gute Nachricht besteht darin, dass der "paziente zero" immer noch nicht identifiziert wurde. Die Infektionskette kann damit weiterhin nicht vollständig nachvollzogen werden, womit neue Infektionsfälle auch außerhalb der bisher bekannten Gebiete auftreten könnten. Dennoch sei Italien aufgrund der getroffenen Vorkehrungen ein "sicheres Land", das man gefahrlos bereisen könne, betonte der Zivilschutzchef.

Regierungschef Giuseppe Conte erklärte am Montag, dass die am Sonntag verfügten Quarantäne-Maßnahmen, inklusive kompletter Abriegelung ganzer Kleinstädte in der Lombardei und in Venetien, bis auf weiteres aufrechterhalten würden. Er stellte aber vorerst keine neuen Einschränkungen in Aussicht.

Kritik nur von Salvini

Die drastischen Maßnahmen werden von der Bevölkerung mitgetragen: Die Coronavirus-Krise hat das Land zusammenrücken lassen. Aus dem allgemeinen Klima des nationalen Zusammenhalts schert nur Lega-Chef Matteo Salvini aus, der es für angebracht hält, Conte zum Rücktritt aufzufordern. Wenn Salvini dem Premier Versäumnisse vorwirft, vergisst er geflissentlich, dass die am meisten betroffenen Regionen, die Lombardei und Venetien, von Vertretern seiner eigenen Partei regiert werden. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, Dominik Straub aus Rom, 24.2.2020)