Der OGH hat geklärt, welche Form des Rücktritts als schriftlich gilt.

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Im Streit rund um das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen stehen einander Anlegeranwälte und Versicherungen seit Jahren gegenüber. Eine Frage, die es zu klären galt, ist die Form des Rücktritts. Dieser muss laut den meisten Versicherungen schriftlich erfolgen. Schriftlich heißt, dass etwa ein Brief geschrieben, unterschrieben und per Post an die Versicherung geschickt werden muss. So steht es zumindest in vielen Verträgen.

Anlegeranwälte haben das in Zeiten der digitalen Kommunikation hingegen stark hinterfragt und gemeint, dass auch eine E-Mail zu Beweiszwecken ausreichen müsste. Sie sehen in der Schriftlichkeit in Form eines Briefes, der erst zur Post getragen werden muss, eine Erschwernis – die Versicherungen sehen das wiederum auch als Schutz für den Versicherungsnehmer.

Letztlich wurde diese Frage zum Obersten Gerichtshof (OGH) getragen, der nun in einem Urteil festgehalten hat, dass die von den Versicherungen verlangte Schriftform bei der Rücktrittserklärung keine Erschwernis darstellt. Damit hat der OGH in diesem Punkt im Sinne der Versicherungen entschieden.

Relevant für Spätrücktritte

Wichtig wurde die Frage der Schriftlichkeit im Zuge der sogenannten Spätrücktritte. Diese haben vor einigen Jahren anlässlich einer ersten Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2015 eingesetzt, wo einem Kläger recht gegeben wurde, der fehlerhaft über die Dauer seines Rücktrittsrechts belehrt worden war.

Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass Anlegeranwälte, Konsumentenschützer und Prozessfinanzierer dazu aufgerufen haben, dass Betroffene von ihren Verträgen zurücktreten. Denn unter dem Gesichtspunkt der falschen Belehrung – die hiermit gegeben war – steht den Versicherungsnehmern ein ewiges Rücktrittsrecht zu. Auch wenn der Vertrag bereits erfüllt (ausbezahlt) oder zu einem anderem Zeitpunkt gekündigt wurde. Der Rücktritt erwies sich in vielen Fällen als lukrativer, weil die Versicherer die Prämien mit vier Prozent Zinsen ausbezahlen mussten. Daher liegen noch hunderte Fälle bei den Assekuranzen – oder bei Gericht.

Nicht die letzte Frage

Die Frage, ob auch das Erfordernis der Schriftform in Rücktrittsbelehrungen als fehlerhaft anzusehen ist und einen sogenannten Spätrücktritt zulässig macht oder nicht, wurde in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert und (zuletzt in beide Richtungen) von Erst- und Berufungsgerichten judiziert. Diese Frage war auch Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH. Die EuGH-Richter haben die Beantwortung dieser Frage jedoch offengelassen für die österreichischen Gerichte und damit den OGH.

Der hat er nun entschieden. Das Urteil gefällt involvierten Klagevertretern naturgemäß nicht. Sie bemängeln auch, dass diese Entscheidung des OGH, anders als seine Entscheidung aus dem Jahr 2015, welche den Spätrücktritt überhaupt erst ermöglicht hatte, sich mit keiner einzigen Literaturstimme auseinandersetzt. Damit entstehe zumindest der Anschein, als wollte man einige Fragen nicht beantworten. Nicht verstehen wollen die Rechtsvertreter etwa, warum eine E-Mail für eine Rücktrittserklärung den Beweiszwecken nicht genügen soll, wo doch das neue Gesetz die Vereinbarung der Schriftform für Rücktrittserklärungen ausdrücklich für unzulässig erklärt.

Es ist dies aber nicht die letzte Frage, die bei den Spätrücktritten offen und noch zu klären ist. Auch über die Frage der Verzinsung wird der OGH noch zu entscheiden haben. (Bettina Pfluger, 25.2.2020)