Im Gastkommentar macht sich der AHS-Lehrer Georg Cavallar für Lehrer-Feedback stark – an "Lernsieg" hat er dennoch seine Zweifel.

Der erste Versuch war ein voller Erfolg, die App wurde 70.000 Mal heruntergeladen, Lehrkräfte wurden etwa 127.000 Mal bewertet. Insgesamt übrigens gar nicht so schlecht, nämlich im Schnitt mit vier Sternen, was der Schulnote "Gut" entspricht. Die Bewertungsapp "Lernsieg" war allerdings selbst mit vernichtenden Bewertungen in der Öffentlichkeit konfrontiert. Auch wegen Hassmails und einer unklaren Rechtslage wurde sie im November vom Netz genommen. Nun ist sie wieder da, nachdem die Datenschutzbehörde und das Bildungsministerium die App für zulässig halten, auch wenn es noch einen "Graubereich an rechtlich offenen Fragen" gibt, so die ehemalige Bildungsministerin Iris Rauskala. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst hat bereits eine Klage angekündigt.

Benjamin Hadrigans umstrittene App "Lernsieg" ist nach einer Zwangspause wieder verfügbar. "Wir gehen so online, wie wir vor ein paar Wochen offlinegegangen sind", sagte er bei der Präsentation mit Investorin Carmen Schnedl am Montag, stellte aber auch Erweiterungen in Aussicht.
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Der Versuch, auch Lehrkräften Feedback zu ihrer Tätigkeit zu geben, ist grundsätzlich zu begrüßen. Schülerinnen und Schüler haben wenige Möglichkeiten dazu. Es gibt viele Missstände unter Lehrkräften, die sich zu häufig wenig professionell verhalten und höchstens in Extremfällen mit Konsequenzen zu rechnen haben. Als Vater von drei Kindern habe ich immer wieder erlebt, wie schwierig es auch als Elternteil ist, irgendetwas anzumerken, wenn es offensichtlich Probleme gibt – denn immer schwingt die Angst mit, den eigenen Kindern damit zu schaden. Manche Lehrkräfte sind einfach unglaublich kindisch, nachtragend und können nicht mit Feedback, geschweige denn mit sachlicher Kritik umgehen. Ein anonymes Feedback kann hier als Chance gesehen werden.

Beliebige Urteile

Kritik an der App ist allerdings ernst zu nehmen. Missbrauch ist möglich, auch wenn Gründer Benjamin Hadrigan im Herbst behauptete, dieser sei ausgeschlossen, da "alle Personen, die mit Schule zu tun haben, verantwortungsvolle Menschen" seien. Das ist eine Verallgemeinerung und Annahme, die in Zeiten von Shitstorms, Lehrerbashing und Online-Mobbing völlig haltlos ist. Wie verantwortungslos manche – darunter wohl auch Lehrkräfte – agieren, konnte Hadrigan selbst feststellen, als er beim ersten Versuch der App mit Hass-E-Mails bombardiert wurde. Weiters besteht die Gefahr von unsachlichen, völlig subjektiven und beliebigen Urteilen, die etwa nur die eigene Befindlichkeit nach einer Schularbeit oder die Wut über eine Note wiedergeben. Jede Person hätte in der ursprünglichen Fassung irgendeine Lehrperson bewerten können, auch Außenstehende. Wie kann sichergestellt werden, dass die Schülerinnen und Schüler, die eine Bewertung abgeben, tatsächlich in die jeweilige Schule gehen? Denn die App hat mit Bewertung zu tun, nicht mit Feedback. Schließlich bleibt die Frage des Cui bono: Wer profitiert von der App in finanzieller Hinsicht?

Spätestens seit John Hatties Studie "Visible Learning" ist offenkundig, dass ein ganz zentraler, vielleicht der zentrale Faktor für schulischen Lernerfolg die Lehrperson und die Qualität ihres Unterrichts darstellt. "What teachers do matters" – die Frage der Schulorganisation, der Ausstattung oder des Benotungssystems ist sekundär. Eine konstruktive Feedbackkultur kann mit relativ wenig Aufwand dazu beitragen, genau diese Unterrichtsqualität zu verbessern. Die Frage ist allerdings, ob eine App dafür das geeignete Instrumentarium darstellt.

Differenziertere Bewertung

Onlinefragebögen gibt es schon jetzt, etwa QIBB (Qualitätsinitiative Berufsbildung) oder SQA (Schulqualität Allgemeinbildung). Für sinnvoll halte ich eine verpflichtende Evaluation und Feedback für alle Lehrkräfte – mit Einsicht für Schulleitung, Personalvertretung und klaren Konsequenzen wie verpflichtender Supervision, wenn die Evaluation über drei Jahre hindurch "suboptimal" ausfällt. Für die App wünschte ich mir Bewertungskriterien, die differenzierter ausfallen als in der ersten Version. Erst dann gäbe es wenigstens in Ansätzen die Möglichkeit, den eigenen Unterricht zu verbessern.

Aus dem Ministerium, wo man schon vor 20 Jahren Maßnahmen hätte setzen können, ist unterdessen zu hören, dass an einer Weiterentwicklung der bisherigen Qualitätssicherungsverfahren gearbeitet werde. Die Meldungen klingen für mich nach: "Wir wollen etwas tun, wissen aber nicht genau, was, und fürchten den Konflikt mit der Gewerkschaft – der ist vorprogrammiert –, sind aber an Synergieeffekten interessiert. Jedenfalls in ein paar Jahren." Hadrigan und sein Team wirken da effizienter. (Georg Cavallar, 24.2.2020)