Der Salon des neuen Adlerhofs in der Burggasse. Beim Eingang schaut’s mehr nach Neo-Beisl aus, einen Wintergarten gibt es auch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wo jetzt der Wintergarten mit Palmwedeln und Bananenstauden ist, war früher die Küche des Adlerhofs. Stefan Giczi, der das weitläufige, weitgehend mit alten Zeitungsstößen zugeräumte und mit Fußballmannschaftsfotos zugehängte Lokal über 38 Jahre geführt hat, soll hier dem Vernehmen nach ein Bett gehabt haben. Auch sonst ist an diesem einst für Fußball-TV-Abende und philosophisches Versumpern gerühmten Ort kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Der durchgefaulte Boden etwa musste komplett neu aufgebaut werden.

Dazu bekam die Designerin Laura Karasinski (Motto, Campari Pop-up im Kameel ...) den Auftrag, sich in charakteristischer Manier auszutoben: Der Schankraum wurde mit omatauglicher Tapete, Neonlustern und Samtbankerln auf propere Adlerhof-Nostalgie getrimmt, der Wintergarten bekam die digitalisierte Reproduktion eines barock orientalisierenden Freskos umgespannt, und im langgestreckten Salon gibt sich das neue, alte Lokal mit waldgrünen Wänden, Spiegeln und Messingappliken wie ein Private Club verwöhnter Bohemiens im Soho der 1980er.

Mit Brotregal

Wir erkennen: Der Stilmix wird dem Gast hier mit Anlauf um die Ohren gehaut, die darob unvermeidlichen Schwindelgefühle sind zweifellos kalkuliert. Ist aber alles mit Liebe zum Detail gemacht, von Haerdtl-Kaffeehaustischen über bespoke Thonetstühle, altvaterische Goldrandteller und mächtige Gin-Tonic-Pokale bis zum Schmidl-Brot aus Dürnstein, das es täglich ab 6.30 Uhr zu kaufen gibt.

Eigentlich, so die aus dem Wirr bekannten Betreiber Manuel Köpf und Andreas Knünz, versteht sich der Adlerhof nämlich als Grätzl-Lokal für Anrainer. Und weil es im Umkreis keinen Bäcker gibt, haben sie eben ein Brotregal in die Schank integriert.

Die Speisekarte bietet Frühstück bis 16 Uhr mit allem, was Bobo-Central so braucht – von Hummus und Quinoa-Porridge bis zu Lachsblinis und Eggs Benedict. Danach gibt’s Abendessen. Die Küche hat Patrick Zilvar über, ein Österreicher, der in Paris, London und Edinburgh zugange war.

Das merkt man: Krabbenremoulade aus gezupftem Taschenkrebsfleisch ist in Westeuropa ein Bistro- und Gastropub-Klassiker – in unseren Breiten aber, wo nur (mit Meeresfischmehl gemästete) Süßwasserbewohner dem politisch korrekten Küchennationalismus genügen, musste man derlei bislang strikt entsagen. Zilvar macht sie mit reichlich Mayonnaise an, ein bissl weniger Geilheit wäre kein Fehler.

Eine Auswahl der Hauptspeisen
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wildterrine erweist sich als prachtvolle Pâté en Croute im Teigmantel mit grünem Pfeffer, Pistazien und saftigen Stücken von Reh, Fasan, Hirsch – großartig! Ceviche von der Goldbrasse beeindruckt nicht nur durch die großzügige Portion, sondern auch durch wächserne Konsistenz und Frische – beim Abschmecken möchte man sich ein bissl weniger Süße und viel mehr Limette wünschen.

Sparringpartner, bitte!

Auch die Hauptspeisen, ob in Papier gegarter Heilbutt mit köstlich bissfester Fregola und gar grobschlächtigen Brocken von der Topinambur oder Maishendl mit etwas klebrigem Chorizo-Fond und sehr guten Broccolini, wirken, als ob die Küche in diesen ersten Tagen des Soft Opening noch Sparringpartner braucht: gute Ideen zuhauf, in der Ausführung nicht immer auf dem richtigen Weg.

Die Preise – Krabbensalat und Ceviche um zehn, Heilbutt als teuerstes Gericht um 17 Euro – sind aber derart sozial und der Service unter Mario Schindelar so ansteckend fröhlich disponiert, dass man Ungenauigkeiten verzeiht. Auch wegen der Salzburger Nockerln, wo Röster von Ribiseln und Heidelbeeren sich der pickerten Wucht des Eischnees endlich einmal mit der nötigen Säure entgegenzustellen weiß. (Severin Corti, RONDO, 28.2.2020)

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