Italien ist binnen kurzer Zeit zum größten Herd des neuartigen Virus in Europa geworden.
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Rom/Zagreb –Deutschland steht Gesundheitsminister Jens Spahn zufolge am Anfang einer Coronavirus-Epidemie. Die Infektionsketten seien teilweise nicht nachzuvollziehen, sagte Spahn am Mittwoch in Berlin. Das habe im Vergleich zu den früheren bekannten Fällen eine neue Qualität. Es gebe eine Vielzahl von Personen, die mit den Erkrankten Kontakt gehabt hätten. "Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob unsere bisherige Strategie, das Virus einzugrenzen und Infektionsketten zu beenden, auch weiterhin aufgeht."

Im Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden am Mittwoch drei weitere Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus bestätigt worden. Wie das Gesundheitsministerium in Düsseldorf sowie der Kreis Heinsberg am Mittwochabend mitteilten, handelt es sich um drei Menschen im Kreis Heinsberg, die mit dem Ehepaar Kontakt hatten, dessen Infektion zuvor nachgewiesen worden war.

Wegen der neu nachgewiesenen Fälle will der Krisenstab des Kreises Heinsberg nun alle Besucher einer bestimmten Karnevalsveranstaltung erfassen, die das erkrankte Ehepaar besucht hatte.

Am Mittwoch wurde die erste Infektion aus Rumänien bestätigt, auch in Norwegen ist zum ersten Mal das neuartige Coronavirus nachgewiesen worden. Am Dienstag war die Infektion erstmals in Kroatien aufgetrete, zudem wurde eine die erste Infektion in der Schweiz und eine in Algerien bestätigt.

Grenzkontrollen koordinieren

Die EU-Kommission will die Koordinierung von eventuellen Grenzkontrollen der EU-Mitgliedsstaaten zur Eindämmung des Coronavirus einleiten. Damit sollen unterschiedliche Maßnahmen in diesem Bereich vermieden werden. Man sei in Kontakt mit der kroatischen EU-Ratspräsidentschaft, um ein Treffen auf EU-Ebene zu organisieren.

Der Schengener Grenzkodex erlaubt den EU-Mitgliedsländern Grenzkontrollen aufgrund der öffentlichen Gesundheit und inneren Sicherheit. Aus Sicht der EU-Kommission sollten diese Maßnahmen nur auf Basis von wissenschaftlichen Empfehlungen und Risikobewertungen getroffen werden sowie der Situation angepasst sein.

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In Italien wurden inzwischen elf Todesfälle registriert und bei 322 Menschen wurden bis Montag Infektionen nachgewiesen, vor allem in der Lombardei. Italien ist damit binnen kurzer Zeit zum größten Herd des neuartigen Virus in Europa geworden. Die Behörden ergriffen strikte Maßnahmen, elf Städte im Norden des Landes wurden abgeriegelt.

Spanisches Festland erreicht

Das Coronavirus ist inzwischen auch auf dem spanischen Festland angekommen. In Barcelona wurde eine Frau nach Angaben des spanischen Gesundheitsministeriums positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Sie soll ihren Wohnsitz in Barcelona haben und kürzlich von einer Reise nach Norditalien zurückgekehrt sein, wo das Virus sich besonders stark ausgebreitet hat, berichtete die Zeitung "La Vanguardia". Es handelt sich um den vierten bestätigten Coronavirus-Fall in Spanien.

Auf der spanischen Urlaubsinsel Teneriffa wurde nach einem positiven Test einer infizierten italienischen Touristin das betroffene Hotel abgeriegelt. Etwa 1.000 Menschen in dem Gebäude sind betroffen. Unter den isolierten Urlaubern befinden sich dem Außenministerium zufolge auch zwei Österreicher. Dem älteren Ehepaar aus Wien gehe es gut, es darf zunächst das Zimmer nicht verlassen.

Slowakischer Premier nicht erkrankt

Zurückgewiesen hat unterdessen der slowakische Regierungschef Peter Pellegrini Spekulationen, wonach er am neuartigen Coronavirus erkrankt sei. "Das ist völliger Unsinn", erklärte der 44-Jährige laut Medienberichten am Dienstag und sprach von Falschmeldungen. Der Sozialdemokrat war am Wochenende mit einer Atemwegsinfektion und hohem Fieber ins Krankenhaus gebracht worden, ist inzwischen aber wieder entlassen worden.

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Warnung vor Pandemie

Deutliche Worte zur weltweiten Entwicklung fand Experte Bruce Aylward, der eine gemeinsame Expertenmission der WHO und Chinas zur Coronavirus-Epidemie leitet: Das Virus sei eine rasant um sich greifenden Epidemie, die "superschnell" angegangen werden müsse, um eine Pandemie zu verhindern. In China habe sich gezeigt, dass im Kampf gegen das Virus Schnelligkeit am wichtigsten sei. Sorgen mache ihm vor allem, "ob der Rest der Welt die Lektion von der Schnelligkeit gelernt hat", erklärte der WHO-Experte.

Die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten steigt in allen betroffenen Ländern. In China, wo die Krankheit ihren Ausgang genommen hatte, gab es 508 neue Infektionen und 71 Todesopfer. Damit liegt die Zahl der Erkrankten bei 77.658, die Zahl der Toten bei 2.663. In Südkorea gab es 60 neue Infektionen, vor allem bei Mitgliedern einer christlichen Sekte. Aber auch in Europa ist das Virus präsent.

Passagiere und Crew infiziert

In Japan ist unterdessen ein weiterer Passagier des vom Coronavirus betroffenen Kreuzfahrtschiffs Diamond Princess gestorben. Die ungefähr 80-jährige Person war in ein Krankenhaus gebracht worden, wo sie starb, berichteten japanische Medien am Dienstag. Es ist der vierte Todesfall unter den Passagieren des Schiffs.

Insgesamt hatten sich mehr als 690 Passagiere und Crewmitglieder mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, darunter auch ein deutsches Ehepaar. Die von der japanischen Regierung angeordnete, inzwischen aufgehobene zweiwöchige Quarantäne war von einigen Experten als unzureichend kritisiert worden. Ursprünglich hatten sich rund 3.700 Menschen auf dem Schiff befunden.

Mit der steigenden Zahl der Infektionen im Iran droht sich das neuartige Coronavirus auch zunehmend in der Golf-Region auszubreiten. Irans regionale Nachbarländer Irak, Kuwait, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate meldeten mehrere neue Fälle von Patienten, die zuvor in den Iran gereist waren.

Verbreitung in Nahost

Einige Länder im arabischen Raum versuchten, eine Ausbreitung durch verringerte Reiseverbindungen mit dem Iran zu verhindern In der Islamischen Republik stieg die Zahl der gemeldeten Todesopfer von zwölf auf 15, wie der Sprecher des Gesundheitsministeriums am Dienstag im Staatsfernsehen erklärte. Ihm zufolge wurden im Iran inzwischen 95 Menschen – 34 mehr als am Vortag – aus verschiedenen Landesteilen positiv auf das Virus getestet.

Japan hält an Olympia fest

Japan hält vorerst an den Olympischen Sommerspielen fest. Gesundheitsminister Katsunobu Kato sagte, es sei noch zu früh, um über eine Absage der Olympischen Spiele in Tokio infolge des Coronavirus und dessen Ausbreitung in Japan zu sprechen. Ein Londoner Bürgermeisterkandidat erklärte unterdessen, London sei bereit, die Spiele bei Bedarf auszurichten.

Die Ausbreitung hat inzwischen auch massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. Einige Unternehmen gaben Gewinnwarnungen ab. Auf den Märkten wird auf eine Zinssenkung der US-Notenbank Fed spekuliert. Die US-Regierung hat 2,5 Milliarden Dollar für den Kampf gegen das Virus beantragt, einen großen Teil davon für die Entwicklung eines Impfstoffs. (ars, mue, APA, red, 25.2.2020)