Die verdienten Lorbeeren kamen spät. 97 Jahre alt musste die US-amerikanische Mathematikerin Katherine G. Johnson werden, ehe sie und ihre herausragende Arbeit ins Rampenlicht gerückt wurden: 2015 erhielt Johnson vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama die Presidential Medal of Freedom, eine der höchsten zivilen Auszeichnungen der Vereinigten Staaten. Die Wissenschafterin war maßgeblich an der Berechnung der Flugbahnen für das erste astronautische Raumfahrtprogramm der USA und die erste Mondlandemission Apollo 11 beteiligt gewesen. Johnson starb am Montag, 24. Februar, im Alter von 101 Jahren in Newport News, Virginia.

Kuss vom Präsidenten: Katherine Johnson bei der Verleihung der Presidential Medal of Freedom durch Barack Obama 2015.
Foto: Epa/MICHAEL REYNOLDS

Johnson arbeitete von 1953 bis 1986 im Nasa-Forschungszentrum Langley. Sie zählte zu einer kleinen Gruppe afroamerikanischer Frauen, die für die Nasa ab den 1950er-Jahren komplizierte Berechnungen für Raumfahrtmissionen weitgehend ohne Hilfsmittel durchführte – diese jedoch lange im Schatten ihrer männlichen Kollegen standen. Erst 2016 wurden Johnson und ihre Kolleginnen Dorothy Vaughan und Mary Jackson durch den erfolgreichen Hollywoodfilm "Hidden Figures" einer breiten Öffentlichkeit bekannt. 2019 wurde ein Nasa-Forschungsinstitut nach Johnson benannt.

Hochbegabte Schülerin

Johnson kam am 26. August 1918 in White Sulphur Springs, West Virginia, als Tochter einer Lehrerin und eines Hausmeisters zur Welt. Ihr Talent und ihre Begeisterung für Mathematik zeigten sich schon früh. Sie übersprang mehrere Schulklassen, stieß aber aufgrund rassistischer Diskriminierung bald an Grenzen: Für Kinder afroamerikanischer Abstammung gab es in ihrem Wohnbezirk keine weiterführenden Schulen. Um Katherine und ihren Geschwistern eine höhere Ausbildung zu ermöglichen, übersiedelte die Familie, mit 14 Jahren konnte Johnson dank eines Stipendiums das West Virginia College besuchen. Sie studierte Mathematik und Französisch und schloss 1937, im Alter von 18 Jahren, mit einem Bachelor of Science summa cum laude ab.

Johnson arbeitete zunächst als Lehrerin. Als sie erfuhr, dass die Nasa-Vorgängerorganisation Naca (National Advisory Committee for Aeronautics) schwarze Mathematikerinnen einstellte, meldete sie sich – und begann 1953 als "Rechnerin" am Langley Research Center. Auch dort herrschte bis 1958 Rassentrennung: Johnson und ihre schwarzen Kolleginnen mussten in einem gesonderten Büro arbeiten und eigene Toiletten besuchen. Frauen wurden von der überwiegend männlichen Belegschaft oft abschätzig als "Computer in Röcken" bezeichnet.

Johnson war unter den ersten Frauen am Langley Research Center – und wurde dort bald unentbehrlich.
Foto: APA/AFP/NASA

Spektakuläre Erfolge

Schnell machte sich die begabte Mathematikerin Johnson einen Namen. Durch ihre Kenntnisse in analytischer Geometrie gelangte sie in die – bis dahin rein männlich besetzte – Abteilung für Flugforschung und verfasste mit ihrem Kollegen Ted Skopinski eine theoretische Arbeit zur astronautischen Raumfahrt. "Das war das erste Mal, dass eine Frau in unserer Abteilung ihren Namen auf etwas stehen hatte", erinnerte sich Johnson später.

Ihre Arbeit diente als Grundlage für künftige Projekte. Zur ersten spektakulären Anwendung kamen Johnsons Berechnungen mit der Mission Mercury-Redstone 3, mit der Alan Shepard 1961 als erster US-Amerikaner und zweiter Mensch (nach Juri Gagarin) ins All flog. In den folgenden Jahren war Johnson an etlichen Missionen beteiligt, unter anderem an der Mondlandemission Apollo 11 und der erfolgreichen Rückkehr der havarierten Mission Apollo 13. Bis zu ihrer Pensionierung 1986 war Johnson auch am Space-Shuttle-Programm der Nasa beteiligt.

Die Mathematikerin war in zahlreiche Missionen der Nasa involviert.
Foto: Epa/NASA LANGLEY RESEARCH CENTER

Bestimmt und mit Liebe zum Job

"Katherine Johnson weigerte sich, sich von den gesellschaftlichen Erwartungen an ihr Geschlecht und ihre Hautfarbe einschränken zu lassen, und verschob die Grenzen der menschlichen Reichweite", sagte Barack Obama bei der Verleihung der Freiheitsmedaille 2015. Sie selbst formulierte es einmal so: "Wir Frauen mussten in diesen Tagen durchsetzungsfähig sein, bestimmt und aggressiv. Davon hing es ab, wo man war." Und sie habe jeden einzelnen Tag ihrer Arbeit geliebt.

"Die Nasa ist zutiefst traurig über den Verlust einer Pionierin", schrieb Jim Bridenstine, Chef der US-Weltraumbehörde, in einer Aussendung. "Sie war eine amerikanische Heldin und Legende." (David Rennert, 25.2.2020)