Schuld an dieser Geschichte über Spielzeug ist Kurt Stefan. Oder meine Lesebrille. Denn Stefan und ich plauderten vor ein paar Wochen darüber, wie mühsam es manchmal sei, auf dem Rad unterwegs zu lesen, was der Bordcomputer an Zahlen serviert. Und darüber, dass wir genau so ein Gespräch vor zwei oder drei Jahren noch belächelt hätten.

Wie elend es sei, sich eines eingestehen zu müssen: Wir werden älter. So cool ein Radcomputer im Fingernagelformat ist, so nutzlos ist er, wenn man seine Zahlen unterwegs eher erraten denn ablesen kann – weil natürlich niemand auf dem Rad eine Lesebrille aufhat oder aufsetzt. Geschweige denn mithat.

Foto: thomas rottenberg

Vielleicht sollte ich aber von vorn beginnen. Kurt Stefan ist Fahrradhändler in Wien. Wobei er seine Veletage gerne als Salon für Radkultur bezeichnet. Ein Edelladen mit einem ebensolchen Angebots- und Preisniveau also. Ebendort kaufte ich (ganz regulär) im Jänner einen neuen Rollentrainer. Ich bin, ich gebe es zu, auf dem Rad ein Warmduscher: Als Verkehrsmittel verwende ich das Fahrrad zwar (fast) ganzjährig – meine Rennräder will ich aber nicht mit Rollsplitt und Salz quälen. Also fahre ich derzeit auf der Rolle: In Graz auf einem älteren Tacx Flux, in Wien seit kurzem auf dem Wahoo Kickr. Als ich den abholte, jammerten wir übers Älterwerden. Auf hohem Niveau, aber eben doch.

Foto: thomas rottenberg

Doch bevor wer fragt: Nein, ich "zwifte" nicht – auch wenn das seit ein paar Jahren zum guten Ton beim Rollenfahren gehört. Weil es aber Menschen gibt, die Zwift nicht kennen: Zwift ist das Missing Link zwischen Online-Gaming und Radfahren. Man radelt auf der Rolle – und die schickt die Daten nach Watopia, eine virtuellen Rennrad-Insel, auf der sich tausende Bike-Avatare die Kante geben. Macht sicher Spaß – aber ich fröne auf der Walze lieber dem Binge-Watching von Trash- und Nicht-nur-Trash-Serien.

Foto: Zwift

Zurück zu Kurt Stefan und dem Altherrengeplauder: Welchen Radcomputer ich verwende, fragte der Händler. Und als ich sagte, dass ich mit meinem Garmin Edge 830 bis auf das Thema "kleine Zahlen unterwegs" absolut happy sei, nickte er verständnisvoll – und zeigte mir den Wahoo Element Roam. "Der hat eine Taste speziell für Herren in unserem Alter: Man kann in die Datenfelder reinzoomen. Beim Garmin geht das beim Navigieren – aber eben nicht bei den Zahlen." "Cool", sagte ich, "aber 350 Euro für einen zweiten Computer, obwohl der erste funktioniert, sind mir gerade zu viel."

Foto: thomas rottenberg

Ein paar Tage später meldete sich dann der Pressemann von Wahoo: Ob ich mir den Roam nicht doch anschauen wolle. Weil ich ja primär übers Laufen schriebe, würde er zum Testen noch andere Produkte dazulegen. Einen Brust-Pulsgurt und einen optischen Pulssensor für den inneren Unterarm: "Zum einen, weil die Außenseite des Handgelenks der schlechteste Ort ist, um mit optischen Sensoren zu messen. Zum anderen, weil vor allem Frauen immer wieder Probleme mit der Kombination aus Brustgurt und Sport-BH haben." Ich nickte: Beides stimmt – und Spielzeug ausprobieren ist eh immer lustig.

Außerdem hatte ich aber noch eine Frage: "Kurt Stefan hat mir erzählt, dass Wahoo an einer Triathlon- oder Laufuhr arbeitet, die demnächst rauskommen soll. Was ist da dran?" Der Pressemann lachte: "Das ist eine Legende, die seit Jahren an Lagerfeuern erzählt wird – aber Sportuhren sind so komplex, dass wir das gern denen überlassen, die da jahrelange Expertise haben." Noch ein paar Tage später kam ein Packerl von Wahoo.

Und jeder, mit dem ich seither über Wahoo rede, schwört, die Geschichte von der Uhr "aus verlässlicher Quelle erst neulich wieder gehört zu haben". Vielleicht sollte ich öfter am Lagerfeuer sitzen …

Foto: thomas rottenberg

Außer dem Testmaterial vom hippen, vom ehemaligen Rad-Profi Chip Hawkins 2009 in Atlanta gegründeten Nicht-Uhren-Hersteller Wahoo haben seit Jahresbeginn auch ein paar andere Gadgets ihren Weg zu mir gefunden: Uhren eben. Die Suunto 7, Garmins Fenix 6X, die Garmin Instinct und, obwohl schon ein paar Monate am Markt, Polars Ignite. Vier doch sehr unterschiedliche Sportwecker mit unterschiedlichen Zielgruppen, Schwerpunkten – und Preisen: Die Polar kostet 199,90 Euro, die Instinct 299,90 Euro, die Suunto 7 kommt auf 479 Euro – und die mir als Testgerät zur Verfügung gestellte Fenix 6X Pro Solar würde stolze 949,99 Euro kosten.

Ungeachtet der Preise haben aber alle zwei Dinge gemein: Was ein durchschnittlicher Hobbysportler von einer Sportuhr erwartet, kann jede. Und: von "tatsächlich brauchen" kann bei keiner die Rede sein. Von "haben wollen" aber sehr wohl.

Foto: thomas rottenberg

"Nicht brauchen" gilt aus einem ganz einfachen Grund: Die Basisfunktionen einer Sportuhr sind GPS, Zeit- und Pulsmessung. Daraus lassen sich, wenn man Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht kennt, alle Werte und Ergebnisse errechnen, die ein Hobbyathlet (und eine Hobbyathletin) braucht. Und weit mehr, als er oder sie gemeinhin versteht. GPS und Zeitnehmung kann heute jedes Handy. Auch Trägheitssensoren hat fast jedes. Und seit es Pulsgurte gibt, die auch via Bluetooth kommunizieren können, ist es keine Hexerei, Pulswerte aufs Smartphone zu bekommen.

Apps, die daraus etwas machen können, gibt es zuhauf. Viele sind gratis. Auch Pulsgurte kosten nicht die Welt: Das Wahoo-Tickr-Fit-Herzfrequenz-Armband beispielsweise 79,99 Euro. Der Brustgurt knapp 40. Beide sind präzise und idiotensicher – und lassen sich mit Uhren, Computern und Apps aller Hersteller verbinden. Der Brustgurt kann sogar ohne Uhr/App aufzeichnen und nachträglich übertragen.

Braucht man mehr? Nein. Nur geht es halt nicht ums Brauchen, sondern ums Wollen. Ums Haben-Wollen. Und um das Image der Marke, mit der man sich "schmückt".

Foto: thomas rottenberg

Gerade Polar ist dafür ein super Beispiel: Die Finnen gelten als Erfinder der exakten, massen- und alltagstauglichen Pulsmessung im Sport. Fast Jahrzehnte stand Polar für Fitness- und Sportuhren – und beherrschte den Markt. Doch dann ereilte den Giganten ein "Nokia-Schicksal". Während andere hungrig waren und tüftelten, versäumte Polar irgendwann den Anschluss: Als optische Pulsmesser am Handgelenk überall (wenn auch oft ungenauer) Standard wurden, zögerte Polar ein bisserl zu lange – und war in der Defensive.

Ein paar ungeschickte Produktlaunches später war die Marktführerschaft verloren – und das Image angeschlagen: Dass Polar mit seiner Vantage-Serie heute ein echtes Spitzenprodukt am Markt hat, wird gerne übersehen – stattdessen werden Vantage-Nutzer immer noch gefragt, ob mittlerweile alle beim Launch 2018 (hier mein Testbericht von damals) angekündigten Funktionen laufen. (Tun sie.)

Foto: thomas rottenberg

Patschert war man dann auch bei der Ignite, der im Sommer auf den Markt gebrachten Einsteigeruhr: Das Ding ist günstig, intuitiv und kann alles, was man braucht. Es hat ein super Display und ein feines Atemübungsprogramm (Serene). Außerdem schlagen App und Uhr aufgrund der (gemessenen) Schlafqualität individuelle Workouts vor. Also alles super!

Dummerweise hat die Ignite aber doch einen Bug: Das Display geht nach wenigen Sekunden in den Schlafmodus, lässt sich aber durch Handheben oder Antippen wieder aktiveren. Im Trainingsmodus kann man das Display auf "Always on" schalten. Aber im Alltagsuhr-Modus? Ich fragte. Und staunte: "Das ist nicht vorgesehen – da wäre der Akku zu rasch leer."

Der Doyen des Sportgadget-Testens, DC Rainmaker, hatte die Ignite schon im Sommer 2019, fand sie grosso modo fein, brachte dieses Nicht-Feature aber auf den Punkt: "Frankly, it sucks."

Foto: thomas rottenberg

Die nächstteurere Uhr am Tisch ist Garmins Instinct. Die erinnert nicht von ungefähr an die legendäre Casio-G-Shock von vor 1.000 Jahren. G-Shocks waren optisch an Armee- und Polizeiuhren angelehnt – und vor allem eines: robust.

Genau das möchte Garmin mit dieser Serie demonstrieren. Darum wird auch betont, dass die Uhr in puncto Robustheit Militärstandards erfüllt und die Batterie quasi ewig hält. In der "Tactical"-Version kann man die Instinct sogar mit Nachtsichtgeräten lesen – in der normalen Ausgabe ist das Display dafür so ausgelegt, dass man sogar in grellstem Sonnenlicht keine Ableseproleme hat.

Funktionalität, Konnektivität und Usability sind – so wie bei allen getesteten Uhren – einwandfrei. An der Genauigkeit des GPS werden Normalo-User (so wie bei allen anderen Uhren) kaum etwas auszusetzen haben. Und die Pulsmessung ist so exakt, wie optische Pulsmesser heute eben sind (bei vielen Leuten richtig super – aber bei mir versagen sie. Alle. Immer).

Freilich: Während anderswo intensive Farben, starke Kontraste und große Leuchtkraft Standard sind, übt sich die Instinct im Display in grau-schwarzem Understatement. So etwas macht man nicht ohne Plan – ich bin halt nicht Zielgruppe.

Foto: thomas rottenberg

Dass der Zeitgeist gleichzeitig auch in die Gegenrichtung unterwegs ist, zeigt indes Suunto. Der im Trail- und Alpinbereich kultisch verehrte Hersteller aus Finnland legt mit der Suunto 7 aber kein Top-Notch-Produkt vor, sondern versucht, in einem anderen, breiteren Markt Fuß zu fassen: bei Smartwatches mit Fitnessappeal. Deswegen ist die 7er zwei Uhren in einer.

Auf der einen Seite eine Smartwatch mit allem, was Googles Wear-OS-System der Applewatch entgegensetzt. Musik von der Uhr und Google Pay inklusive.

Auf der anderen eine beinahe "echte" Suunto, mit zahlreichen differenzierten Sport- und Navigationsprogrammen.

Und dann wäre da noch ein superfeines Feature beim Display: Wer will, kann sich "Heatmaps" der Region, in der er oder sie unterwegs ist, als Uhrenhintergrund laden. "Heatmaps" sind Landkarten, auf denen jene Routen, die am häufigsten gelaufen, geradelt der gewandert werden, hervorgehoben werden. Schaut echt nett aus.

Foto: thomas rottenberg

Allerdings hat die 7er auch Schwachstellen. Die sind fast alle smartwatchimanent: Die Akkulaufzeiten von (fast) allem, was unter Wear OS läuft, sind für den Sportgebrauch schlicht und einfach zu gering. Erst recht, wenn man weiß, dass die Ausdauer der großen Geschwister der 7er legendär ist. Ob das auf Dauer gutgeht?

Polar hat – vor Jahren – mit der M600 einen ähnlichen Smartwatch-Versuch gestartet, der danebenging. Nicht weil die Uhr per se schlecht performte, sondern weil das Publikum von "seiner" Marke kompromisslosen Sport und kein Lifestyleprodukt erwartete.

Suuntos 7er verkauft sich angeblich supergut. Vielleicht ja just an eine Zielgruppe, die mit der Suunto-ID kokettiert – aber doch lieber im gesicherten Terrain bleibt. Dass es nicht möglich ist, die 7er mit externen Sensoren (etwa Pulsgurten, Rad- und Leistungssensoren) zu koppeln, ist da bezeichnend – und eine klare Positionierung.

Foto: thomas rottenberg

Was diese Suunto für mich persönlich aus dem Rennen nimmt, ist aber etwas, wofür die Uhr gar nichts kann: Google Pay. Das kann die 7er zwar – nur ist Googles kontaktloses Bezahlen am Bankomatterminal in Österreich noch immer nicht verfügbar. Und auch wenn das mit Sport nichts zu tun hat: Garmin Pay ist mittlerweile eine der beiden Killer-Apps, auf die ich bei "meiner" Laufuhr nicht mehr verzichten will. Genauso wenig wie auf Musik von der Uhr in die Bluetooth-Kopfhörer, also ohne Handy: Nicht bei allen, aber eben doch bei zäh-monotonen Läufen macht Musik einen Unterschied – obwohl ich oft lieber den Wald und den Wind höre.

Wobei das allein nicht der Grund wäre, die alles andere als billige Fenix 6 zu kaufen: Dieses Feature implementiert Garmin seit längerem in zahlreiche andere Uhren – nicht nur in Spitzenmodelle im Tausend-Euro-Bereich.

Foto: thomas rottenberg

Was die Fenix 6x darüber noch kann, ist ein – in der höchsten Version – ins Uhrglas implementierter Klein-Sonnen-Kollektor. Mit dem lässt sich die Uhr zwar nicht zur Gänze laden, aber die Laufzeit signifikant verlängern. Sagt die Firmen-PR. Auf alle Fälle schaut es sehr nett aus, wenn die Uhr anzeigt, wie viel Sonne sie in den letzten Stunden abbekommen hat.

Freilich: Was die Sportfeatures und Funktionen angeht, unterscheidet sich die F6 kaum von ihren Vorgängerinnen der Fenix-5-Serie. Und die Fünfer war und ist wiederum (bis auf Kleinigkeiten) die optisch "mächtigere" Version der Forerunners 945xt – also jener Uhr, die ich privat seit längerem verwende.

Foto: thomas rottenberg

Dass es da dann beim Testen wenige Überraschungen gibt, ist irgendwie logisch. Klar spürt man die deutlich größere und schwerere Fenix bei schnellen Intervallen (zumindest bis man sich an sie gewöhnt hat) viel mehr, als den flachen, leichten Performance-Forerunner.

Andererseits aber haben große Uhren einen enormen Vorteil: Sie haben große Displays.

Bei Männern in meinem Alter spielt genau das eine Rolle – auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen. Nicht nur beim Radfahren, auch beim Laufen werde ich mir nämlich sicher keine Lesebrille aufsetzen. Und darüber, ob das wirklich 1.000 Euro wert ist, werde ich demnächst vielleicht mit Kurt Stefan diskutieren. Wenn wir am Lagerfeuer sitzen und über Uhren reden, die es angeblich gar nicht gibt. (Thomas Rottenberg, 26.2.2020)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Alle nicht ausdrücklich anders beschriebenen Produkte wurden von der Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Foto: thomas rottenberg