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Hosni Mubarak ist tot.

Foto: AP

Zu seinen letzten Prozessterminen – die deshalb auch immer wieder verschoben wurden – erschien er nicht mehr: Er sei nicht mehr verhandlungsfähig, gesundheitlich zu schwach. Fast mochte man das nicht glauben, denn Hosni Mubarak, ägyptischer Präsident von 1981 bis 2011, war schon, bevor er gestürzt wurde, für todkrank erklärt worden. Pankreaskrebs hieß es, später Magenkrebs, im Juni 2012 meldeten Medien weltweit bereits seinen "klinischen Tod".

Eine Aufnahme vom Tahrir-Platz während der Revolution 2011.

Am 25. Februar ist Hosni Mubarak nun im 92. Lebensjahr gestorben, er hat die Prognosen viele Jahre überlebt. Die letzte Zeit hatte er in Freiheit verbracht, nach dem letzten Freispruch im Prozess um die toten Demonstranten von 2011 war er aus dem Militärkrankenhaus entlassen worden.

Als Hosni Mubarak, Anfang Mai 1928 als Bauernsohn in Kafr El-Meselha in der Provinz Minufiya geboren, am 11. Februar 2011 zum Rücktritt gezwungen wurde, war bei vielen Menschen im Nahen Osten, in Nordafrika und auf der ganzen Welt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Region noch intakt. Mubarak hatte sich gewissermaßen selbst überlebt: nicht mehr fähig, eine Transition einzuleiten, gehalten von einer Elite – zu der auch die eigene Familie gehörte –, die Angst vor dem Verlust von Macht und Reichtum hatte. Das "System Mubarak" hielt jedes Aufmucken unter der Fuchtel eines Polizeistaates, wovon – weil die Dissidenz meist ein islamisches Gesicht hatte und auch zum Terror als Mittel griff – im Westen nicht viel geredet wurde.

Wahlfarce 2010

Dieses System sollte am Ende abgesichert werden, indem sein Sohn Gamal in die Startposition für seine Nachfolge gebracht wurde. Die Parlamentswahlen 2010 wurden zur Farce.

Es kam anders, für Mubarak – aber auch für Ägypten nach dem sogenannten Arabischen Frühling. 2020 ist der Staat unter Präsident Abdelfattah al-Sisi repressiver als je zuvor. Die Opposition von 2011 ist verschwunden, die Muslimbrüder – denen allerdings nur wenige nachtrauern – sind verboten. Mubarak konnte immerhin im Bett sterben, nicht am Strick, an dem ihn manche sehen wollten, und auch nicht bei einem der zahlreichen Attentatsversuche, die es im Laufe der Jahre gab.

Für den Tod der meist jungen Menschen von 2011 stand er vor Gericht, wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die später wieder aufgehoben wurde. Es folgten eine Neuauflage eines Prozesses, eine Einstellung, eine Wiederaufnahme, Vertagungen wegen seines Nichterscheinens, schließlich der Freispruch. Für Korruption und Schädigung des Staates wurde er zu drei Jahren verurteilt. Die gesamte Zeit seiner Prozesse verbrachte er in einem Militärspital.

Hosni Mubarak im Gerichtssaal.

Der junge Mubarak kam aus dem Militär, wie jene, die ihn 2011 stürzten und jetzt wieder an der Macht sind. Er studierte an der Militärakademie in Kairo, wurde danach Pilot und war 1973 – dem Jahr des Oktober- beziehungsweise Jom-Kippur-Kriegs, den Ägypten laut eigenem Narrativ gewonnen hat – bereits Luftwaffenchef und stellvertretender Kriegsminister. Zwei Jahre später stieg er zur Nummer zwei hinter Präsident Anwar al-Sadat auf: als Vizepräsident und als Vizechef der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP). In diesen Funktionen folgte er Sadat nach dessen Ermordung 1981 nach. "Gewählt" wurde er erst später.

Diesem Ritual eines Plebiszits unterzog er sich danach in regelmäßigen Abständen – erst 2005 waren zum ersten Mal aus rein kosmetischen Gründen Gegenkandidaten vorgesehen. Während der Unruhen, die im Jänner 2011 ausbrachen, versprach er dann, bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten und auch nicht seinen Sohn ins Rennen schicken zu wollen. Es war zu spät.

Bollwerk gegen Islamismus

Mubarak – der Ägypten nach der arabischen Ächtung wegen des Friedensschlusses mit Israel wieder in die Arabische Liga zurückführte – galt als Bollwerk gegen den Islamismus. Die 1990er-Jahre waren in Ägypten geprägt von Auseinandersetzungen mit Extremisten, die nach dem algerischen Modell den Staat durch Terrorismus in die Knie zwingen wollten.

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Der 2012 gewählte Islamist und Muslimbruder Mohammed Morsi wurde nach Massenprotesten 2013 vom Militär gestürzt.
Foto: Reuters

Im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft verfolgte Mubarak eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung, die zwar eine neue, junge Schicht von Geschäftsleuten schuf, aber im Grunde wieder nur die Reichen reicher und die Armen ärmer machte. Nach 2005 sah Ägypten Streikwellen und Proteste in großem Ausmaß. Die Wut explodierte im Jänner 2011, als die Ägypter am Beispiel Tunesiens sahen, dass Diktatoren gestürzt werden können.

Die Ansprachen, die Mubarak während des Aufstands hielt, zeugten davon, dass er nicht wirklich verstand, was da los war – dass die Menschen ihn hassen konnten. Er war von seiner historischen Rolle, seiner Notwendigkeit für Ägypten, fest überzeugt. Er starb wohl in der Gewissheit, dass ihm bitteres Unrecht widerfahren ist, dass die ägyptische Revolution nichts anderes war als der – temporäre – Sieg seiner Feinde, der Muslimbrüder. Deshalb unterstützte er Abdelfattah al-Sisi, den vom Muslimbrüderpräsidenten Mohammed Morsi eingesetzten Armeechef, der 2013 Morsi stürzte und 2014 selbst Präsident wurde. Und es noch lange bleiben will. (Gudrun Harrer, 25.2.2020)