Im Karneval von Venedig ist die traditionelle Pestmaske seit jeher ein Hingucker. Heuer gibt es einen durchaus vernünftigen Grund, sie zu tragen.

Foto: Imago

Eines gleich vorweg: Sich am Faschingsdienstag am Arbeitsplatz zu verkleiden ist ein höchst unwürdiges Unterfangen. Dort, wo Profit, Produktivität und Gehorsam regieren, hat der einsame Narr einen schweren Stand. Er würde von einem Kollegium, das auch an diesem Tag mehr malocht als lacht, nur noch lächerlicher gemacht.

Die moderne, hektische Arbeitswelt ist kein Freund des Faschings. Daran kann auch die Bäckereikette, bei der Verkleiden Firmendoktrin ist, nichts ändern: Trotz Hexenhuts und lustiger Sumsi-Ohren blickt man am Ende doch nur in überarbeitete Gesichter, die möglichst schnell nach Hause wollen.

Man kann den Fasching nicht verordnen. Karnevaleskes Treiben beruht auf Solidarität und – ganz wichtig – Freiwilligkeit. Fasching braucht die Massenübereinkunft und geht bestenfalls von unten aus, Vereinzelung aber macht ihm den Garaus.

Worin die weltweiten karnevalesken Traditionen, zurückgehend bis ins alte Mesopotamien, wurzeln, wissen wir: in der Umkehrung der Machtverhältnisse auf Zeit – das Volk besteigt den Thron, der König darf zum einfachen Bürger herabsinken. Und der soziale Rollenwechsel, der vielen Beklemmung bereitet, gelingt nun einmal besser mit Maskierung.

An Arbeit ist nicht zu denken

An Arbeit aber ist in diesem Fall nicht zu denken. Schon die Babylonier ließen vor 5.000 Jahren ihre Sklaven zum Narrenfest blaumachen. Und auch die katholische Kirche, wo man seit zwei Jahrtausenden allen dionysischen Lastern und Genüssen frönt und im Mittelalter zum Karneval sogar Spaßpäpste wählte, hat sich stets bemüht, das Faschingstreiben theologisch zu begründen.

Wer aber wie ich beklagt, dass weder Faschingsdienstag noch Aschermittwoch (als wichtiger Ausnüchterungstag) gesetzliche Feiertage sind, kann die Kirche nur der Inkonsequenz beschuldigen. Ich jedenfalls gäbe jedes Mariä Himmelfahrt gegen arbeitsfreie Narrentage.

Jahr für Jahr übrigens denke ich darüber nach, es einem Familienmitglied gleichzutun, das sich ganzjährig als Maskensammler und Puppenbauer betätigt, um im Fasching Urlaub zu nehmen.

Heuer kann man sich, wenn man es schon wieder nicht auf die immer kleiner werdenden Umzüge geschafft hat, wenigstens auf die nahende Corona-Grippe herausreden. Und wenn die so weiterwütet, wird die Maskierung bald ohnehin zur Pflicht. Die Pestmaske mit dem langen Schnabel übrigens war im Karneval schon immer ein Hingucker. (Stefan Weiss, 25.2.2020)