Ihm war es nicht gelungen, für seine Feinde die Route nach Paris zu schließen: Napoleon in Fontainebleau vor seiner ersten Abdankung 1814.

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Die politische Spezies wird von manchen geachtet, von noch mehr Menschen jedoch geächtet. Dabei mag es sinnvoll sein, drei Arten von Politikern ganz grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Die einen, von Grund auf klugen Staatenlenker scheinen direkt vom Konzil der Götter zu uns fehlbaren Menschen herabgestiegen. Sie schließen Balkanrouten, wie andere eine ganz gewöhnliche Garagentür. Die zweite Gattung punktet dafür verlässlich mit Merkmalen einer allzu menschlichen Veranlagung.

Bruno Kreisky, von dessen Strahlenkranz der Autor dieser Zeilen im Kindesalter heftig geblendet wurde, konnte bei Widerworten zum Beispiel ausgesprochen unwirsch werden. Seiner Beliebtheit tat das keinen Abbruch. Wieder andere, wie Nordkoreas Diktator Kim-Jong-un, sollen auf Gefolgsleute, die ihrer Huld verlustig gegangen sind, mit Raketen geschossen haben. Eine dritte Politiker-Gattung bilden diejenigen, die mitten unter ihren Untertanen weilen und dennoch jenseits von Gut und Böse sind.

Hunger und Gefräßigkeit

Ich Babyboomer vereinte als dicker Bub einen ganz grundsätzlichen Hang zur Gefräßigkeit mit enormem Lesehunger. Irgendwann, beim Durchblättern eines Geschichtsbuchs, verliebte ich mich unsterblich in Napoleon Bonaparte. Fortan wünschte ich, ebenso entscheidungsfreudig zu sein wie der kleinwüchsige Korse, und obendrein wie er ein gewiefter Feldherr!

Die Nachahmung meines Idols erbrachte mir erstaunlich wenig praktischen Nutzen. Ich versuchte, vor dem Spiegel besonders energisch dreinzublicken. Wurde ich am Schulhof wegen meiner epischen Breite gehänselt, mangelte es mir schmerzlich an Truppen, die ich gegen meine Widersacher hätte in die Schlacht werfen können. Auch verspürte ich bei genauerer Überlegung nur wenig Lust, so wie Napoleon in Russland einzumarschieren. Doch siehe da: Das hatte ja schon mein Vater für mich erledigt gehabt!

Erst später lernte ich zu ermessen, dass wegen Napoleon Hunderttausende auf den Schlachtfeldern sinnlos verblutet waren. Seitdem können amtierende Politiker für mich gar nicht medioker genug sein. Mir sind bereits Präsidenten zu viel, die auf dem Lokus sitzen und dabei dämliche Zwitschermeldungen absetzen. (Ronald Pohl, 26.2.2020)