Innsbruck – An der Med-Uni Innsbruck sind Andreas Villunger und sein Team in der Frage, wie unser Körper selbst Tumorentstehung zu verhindern versucht, einen wichtigen Schritt weitergekommen. Ausgangsorgan für ihre Forschungen, die vom FWF und dem European Research Council gefördert werden, ist die Leber.

Denn sie zeichnet eine Besonderheit aus, wie der Professor am Biozentrum Innsbruck erklärt: "Etwa die Hälfte aller Leberzellen beim Menschen weisen einen vielfachen Chromosomensatz auf, sind also ‚polyploid‘, wohingegen sonst nur ein doppelter, also diploider, Chromosomensatz in der Zelle vorliegt."

In der Leber (auf dieser MDCT-Aufnahme in zartrosa gehalten) entstehen Zellen mit mehrfachem Chromosomensatz.
Foto: Taichung Veterans General Hospital

Vielfacher Chromosomensatz

Der evolutionäre Sinn dahinter ist unklar. Doch dass sich in der Leber Zellen mit einem vielfachen Chromosomensatz finden und bei Bedarf auch weiter teilen können, ohne zu entarten, diente dem Team als Ansatz für ihre Forschungen.

Denn die Entstehung von Zellen mit vielfachem Chromosomensatz ist nicht nur das Ergebnis einer unvollständigen Zellteilung, sondern auch ein Phänomen, das zur Tumorentstehung beitragen kann. In der Leber ist wiederum eine solche Polyploidie auch bei gesunden Zellen zu beobachten. Dass dies nicht zu Problemen führt, hängt mit dem Tumorsuppressor p53 zusammen. Er dient als eine Art Bremse, die Zellen nach einer DNA-Schädigung oder einer defekten Teilung und Polyploidisierung vor unkontrolliertem Wachstum schützt.

Abstillen als Auslöser

In Tumorzellen konnten die Forscher bereits nachweisen, dass der Multiproteinkomplex PIDDosom nach einer fehlerhaften Zellteilung die "Tumor-Bremse" p53 aktiviert. Diese Signalkaskade könnte für innovative Krebstherapien und eine Verbesserung der Leberregeneration dienen.

Der Prozess geht mit einer Ernährungsumstellung im frühen Wachstumsstadium in der Leber einher und wird durch das PIDDosom reguliert. Wird der Nachwuchs von der Muttermilch entwöhnt, beginnen diploide Hepatozyten zu polyploiden Zellen zu werden und dabei ihre genetische Information zu vervielfachen. Das PIDDosom bremst diesen Prozess.

"Etwa die Hälfte aller Leberzellen beim Menschen weisen einen vielfachen Chromosomensatz auf, sind also ‚polyploid‘, wohingegen sonst nur ein doppelter, also diploider, Chromosomensatz in der Zelle vorliegt", erklärt Andreas Villunger.
Foto: Medizinische Universität Innsbruck

Valentina Sladky, Doktorandin in Villungers Forschungsgruppe, hat in ihrer Dissertation beschrieben, dass sich polyploide Zellen in der Leber weiter teilen können, wenn der PIDD-Multiproteinkomplex fehlt und daher der Transkriptionsfaktor p53 nicht aktiviert werden kann. Damit ist ihr der Nachweis gelungen, dass das PIDDosom den Grad der Polyploidie und somit auch die Zellproliferation in der Leber während der Entwicklung reguliert.

Lebertransplantate schneller wachsen lassen

Weiters untersuchten die Wissenschafter, ob die Regenerationsgeschwindigkeit der Leber – die schon in der griechischen Sage vom an den Felsen geketteten Prometheus anschaulich beschrieben wurde – durch Hemmen des PIDDosoms beeinflusst werden könnte. Denn sie konnten nachweisen, dass sich das PIDDosom gezielt in dieser Situation einschaltet, um den Grad der Polyploidie erneut einzugrenzen.

Gelänge das mithilfe eines Medikaments, könnte man, vereinfacht gesagt, Lebertransplantate schneller wachsen lassen. Überraschenderweise konnte aber auch beobachtet werden, dass eine erhöhte Polyploidie vor Tumorentstehung in der Leber schützt. (Steffen Arora, 2.3.2020)