Das Lipizzaner-Gestüt in Piber ist einer der am häufigsten genannten Identitätskerne der Region Voitsberg. Im Bild das erste Fohlen des Jahres 2020.

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Graz – Es ist ein ubiquitäres, also auch ein steirisches Problem: Regionen abseits der Zentren verlieren an Potenzial, einzelne Bezirke – speziell in den alten Industrie- und Agrarzonen – leiden kontinuierlich unter Abwanderung. Damit einher geht ein Verlust der regionalen Authentizität. Was früher substanziell einen Landstrich ausgemacht hat, die lokale Identität, die Wertschöpfung, ging mit der Ausdünnung bereits vielerorts verloren.

An der Grazer Fachhochschule der Wirtschaft Campus 02 ist ein Projekt am Laufen, in dem genau diese regionalen Besonderheiten und Stärkefelder identifiziert, analysiert und als Basis für neue Entwicklungen, für eine Wiederbelebung der alten regionalen Stärken genutzt werden sollen.

"Fridar – Frugale Innovationen durch authentische regionale Ressourcen" nennt sich die Initiative, die als Forschungsprojekt in zwei ausgesuchten steirischen Regionen versucht, mit der ansässigen Bevölkerung, mit Entscheidungsträger und Wirtschaftsvertretern die materiellen und immateriellen Ressourcen der Gegend zu erheben und damit neue Trends zu kreieren. "Es geht uns sozusagen um die Identifizierung einer regionalen DNA", sagt Projektleiter Thomas Winkler von der FH Campus 02 in Graz.

Strukturierte Befragung

40 Personen – Schlüsselpersönlichkeiten, die Erfahrung mit der Region haben und andere repräsentative Interviewpartner – wurden pro Projektregion strukturiert befragt. Eines der beiden regionalen "Labore": der weststeirische Bezirk Voitsberg, ein altes Kohle- und Glasrevier.

Das hier ansässige Gestüt in Piber für Lipizzaner, dieser "Pferde-Mensch-Konnex", sei einer der verbindenden und am häufigsten genannten Identitätskerne der Region, aus denen sich in Zukunft mehr entwickeln könnte, sagt Winkler.

Wichtig erscheint nach wie vor das Erbe Bergbau, eine Ressource, die ebenfalls mehr genutzt werden könnte. Ein Denkbeispiel: "In der Tradition des Kohleabbaus könnte man etwa die gewagte Idee ausarbeiten, ob nicht aus Kohlestaub eine neue Kosmetiklinie entwickelt werden könnte. Schwer vorstellbar, aber vielleicht machbar", denkt Winkler laut nach.

Ebenso wie in der Weststeiermark wurden in der zweiten Pilotregion, im alten Industriestreifen des Mürztals, der sich bereits in einer Transformationsphase befindet, Stärkefelder erhoben. Langsam haben sich hier neue, kleine Nischenunternehmer im Hightech-Segment angesiedelt. Das allein wird für eine Regeneration des Landstrichs aber nicht ausreichen.

Natur kommt ins Spiel

Wie aber kann die Region wieder zu einer neuen Identität finden? Hier käme die Natur ins Spiel, sagt Winkler. Immer wieder in der Region von den Befragten genannt: eine Wandlung zur Sommerfrischeregion, samt zum Teil angelegten Wanderwegen bis hinauf nach Mürzzuschlag über Neuberg bis zum Semmering. Sanfter Tourismus, Natur und Kultur, das könnten neue Marker werden. "Tourismus kann natürlich nur ein Teil sein", sagt Winkler.

Mit der jeweils erhobenen regionalen "DNA" sollen nun in einer zweiten Phase gemeinsam mit Unternehmen und Entscheidungsträgern Zukunftskonzepte erarbeitet und in der Folge auch implementiert werden. Hier kommt die Innovationsplattform Innolab des Campus 02 ins Spiel. Innolab wird den Transformationsprozess von der Ideenentwicklung bis zur tatsächlichen Realisierung begleiten.

"Wenn wir mit unserem Modell der Bottom-up-Restrukturierungen Erfolg haben, wollen wir das Modell natürlich auch auf andere Bezirke ausdehnen", sagt Thomas Winkler. (Walter Müller, 3.3.2020)