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Gesundheitsminister Jens Spahn (links) will nicht CDU-Chef werden, unterstützt aber den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet im Rennen um diesen Posten.

Foto: Reuters / Annegret Hilse

Man kann die CDU-Führungskrise ja auch als Daily Soap betrachten. Und da war am Montagabend schon klar: Der Dienstag wird ein Tag mit einer starken Episode. Ex-Fraktionschef Friedrich Merz (64) hatte für 11 Uhr eine Pressekonferenz in Berlin angekündigt. Es war also endlich heraußen: Er macht jetzt seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz offiziell.

Doch dann eilten am Dienstag schon ab 9 Uhr jede Menge Journalisten in genau jenen Saal, in dem um 11 Uhr Merz auftreten wollte. Weil es nicht nur in der Soap, sondern auch in der CDU jede Menge Intrigen und Winkelzüge gibt, wurde Merz von seinen Parteifreunden ausgebootet: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn fuhren ihm in die Parade, setzten ihre Pressekonferenz flugs um 9.30 Uhr an und schoben sich vor Merz.

Schnell wird klar: Der 39-jährige Spahn ist am Parteitag am 25. April kein Bewerber für den CDU-Vorsitz und somit kein Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer. "Ich werde nicht kandidieren, ich unterstütze Armin Laschet", sagt er. Die CDU durchlebe gerade "die größte Krise der Geschichte", meint er und warnt: "Wenn wir diesen Weg weitergehen, riskieren wir unsere Zukunft als Volkspartei Deutschlands." Man müsse jetzt Brücken bauen zwischen unterschiedlichen Generationen und Positionen. Und das könne Laschet.

Laschet fordert Zusammenhalt

"Wir stehen vor der Aufgabe, jetzt alles zusammenzuhalten, und dafür will ich kandidieren", betont der 59-jährige Laschet wenig später. Er und Spahn sitzen einträchtig nebeneinander, immer wieder ist vom Team und von Gemeinsamkeit die Rede. Eine "Teamlösung" zu finden – das hatten sich ja auch viele in der CDU gewünscht. Doch es ist nicht gelungen.

Schnell kommt natürlich die Rede auf den (noch abwesenden) Merz. Ob der teamfähig sei, wird Laschet gefragt. Seine Antwort: "Phhhhh ..." Und er sagt: "Ich bedaure, dass sich nicht alle Kandidaten diesem Teamgedanken anschließen konnten."

Damit ist nicht nur Merz gemeint, sondern auch der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der seine Kandidatur in der vergangenen Woche als Erster öffentlich gemacht hatte. Gespräche haben die vier Herren, die alle aus dem mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen kommen, natürlich miteinander geführt.

Heraus kam: Es wird einen Dreikampf um den CDU-Vorsitz geben: Merz gegen Röttgen gegen Laschet und Spahn. Dieser will im Falle eines Sieges von Laschet CDU-Vizechef werden. Seinen Verzicht auf das höchste Parteiamt erklärt der Gesundheitsminister mit dem pathetischen Satz: "Die CDU ist größer als jeder Einzelne von uns."

Nicht nur AfD-Wähler zurückholen

Laschet wird natürlich auch gefragt, warum genau sich Merz nicht einbinden habe lassen. "Die Akzente waren am Ende unterschiedlich", antwortet er. Merz wolle die AfD halbieren. Das sei "wünschenswert". Er, Laschet, glaube aber: "Der Wettbewerb findet auch in die Mitte hinein statt." Und die AfD habe man in Nordrhein-Westfalen "schwach gehalten". Sie zog dort 2017 mit 7,4 Prozent in den Landtag ein.

Während die beiden noch sprechen, schaltet sich Röttgen ein und teilt via Twitter nur knapp mit: "Die zweite Person in meinem Team wird eine Frau sein." Namen nennt er jedoch nicht. Es erinnert ein bisschen an Finanzminister Olaf Scholz, der bei seiner (erfolglosen) Kandidatur um den SPD-Vorsitz auch länger eine Frau suchte.

Nach knapp 90 Minuten sind Laschet und Spahn fertig und verschwinden so schnell, dass sie Merz nicht begegnen müssen. Rasch werden die Namensschilder auf dem Podium ausgewechselt – dann, um elf Uhr, nimmt Merz Platz und verkündet seine Kandidatur. Es spricht wie immer sehr klar, diesmal ziemlich schnell, aber man merkt ihm an, dass ihm die Drehbuchänderung von Laschet und Spahn nicht gefällt.

In der Wirtschaft würde man Laschets Angebot "Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs" nennen, sagt Merz. Laschet, der als liberaler CDUler in der Tradition von Angela Merkel steht, hat mit Spahn nun einen Vertreter vom konservativen Flügel im Team. So will er die ganze Bandbreite der CDU abdecken. Der konservative Merz hingegen ist allein in seinem zweiten Kampf um Platz eins.

Merz spielt "auf Sieg, nicht auf Platz"

Doch Merz betont natürlich, dass er den "offenen Wettbewerb" begrüßt, und zeigt sich siegessicher: "Ich spiele auf Sieg, nicht auf Platz." Seine Chancen schätzt er heute viel besser ein als im Dezember 2018. Da unterlag er Kramp-Karrenbauer, nach einer schlechten Rede, wie er einräumt, mit 48 Prozent – und das nach nur fünf Wochen Wahlkampf. Jetzt sei er ja mit viel mehr Menschen im Kontakt und in der CDU weitaus besser vernetzt. Und überhaupt: Die 1.001 Delegierten am Parteitag hätten die Wahl zwischen "Kontinuität" – also Laschet – sowie "Aufbruch und Erneuerung" – also ihm, Merz.

Und dann interessiert natürlich noch der Umgang mit Angela Merkel. Sowohl Laschet als auch Merz sagen, dass die Kanzlerin bis zum Ende der Legislaturperiode, bis zum Jahr 2021, gewählt sei. Laschet erklärt, er erkenne nicht "den Sinn darin, sich von den 15 erfolgreichen Jahren abzugrenzen". Merkel habe das Land im Jahr 2005 mit fünf Millionen Arbeitslosen übernommen, "Weltfinanzkrise, Eurokrise und Flüchtlingskrise bewältigt". Jetzt stehe man vor einer neuen Zeit.

Einige Korrekturen geplant

Auch Merz findet, dass Deutschland nach 15 Jahren Merkel gut dastehe. Doch er sagt auch: "Wir müssen wirklich einige Korrekturen vornehmen." Das Land hinke bei der Digitalisierung hinterher, die Energiepolitik sei nicht zukunftsfähig, weil der steigende Strombedarf zum Erreichen von CO2-Neutralität nicht aus Sonne und Wind gedeckt werden könne.

Und es dürfe nie wieder von "Kontrollverlust" die Rede sein, weil man nicht wisse, wer ins Land komme. Notfalls, wenn der Schutz der EU-Außengrenzen nicht funktioniere, müsse Deutschland seine eigenen Grenzen schützen.

Das Thema Rechtsextremismus kommt auch noch zur Sprache. Merz wird gefragt, ob es richtig sei, dass er den Kampf gegen Clankriminalität und schärfere Grenzkontrollen als taugliche Mittel sehe, um Rechtsextremismus einzudämmen. Er sagt: "Die Antwort ist: Ja."

Nach einer Stunde ist auch er mit seiner Vorstellung fertig. Für die kommenden Wochen kann man einen harten Wettkampf erwarten. Aber nach dem Finale beim Parteitag am 25. April sollen sich Gewinner und Verlierer zusammenraufen – irgendwie. (Birgit Baumann aus Berlin, 25.2.2020)