Österreichs Bauernbund ist kein Freund öffentlich ausgetragener Ringkämpfe mit dem Handel. Einmal im Jahr treffen sich Supermarktkonzerne mit ihren Lieferanten, um über die finanziellen Konditionen der kommenden Monate zu feilschen. Und wie in jeder Branche geht es bei dem Kräftemessen hoch her: Konflikte in der Wertschöpfungskette sind traditionell programmiert.

Als politische Organisation der ÖVP hielten sich Bauernbündler dabei zumeist dezent heraus. Der Markt, nicht die Politik, mache die Preise, hieß es aus ihren Reihen. Noch weniger Schützenhilfe für Landwirte gab es bei Demonstrationen und Protesten. Man werde sich sicher nicht aufs Niveau der Gewerkschafter begeben, richtete der Bund seinen Mitgliedern aus.

Ihre Milch erhitzt die Stimmung im Lebensmittelhandel.
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Doch auf einmal ist alles anders. Quer durchs Land lässt der Bauernbund am Mittwoch Traktoren vor Zentralen und Filialen der Spar vorfahren. Allein in St. Pölten wollen bis zu 270 Landwirte anrollen und ihrem Ärger Luft machen. Dieser entzündete sich vor allem an den Dumpingpreisen der Handelsketten. Ein Kilo Lungenbraten vom Schwein ist hier derzeit etwa um sechs statt um zehn Euro zu haben. Die gleiche Menge Katzenfutter kostet mehr als das Doppelte. Auch Milch wird preislich von Mineralwasser und Energydrinks um Längen geschlagen.

Fehlende Alternativen

Zermürbend ist das vor allem für kleine Produzenten, die bei der Wahl ihrer Abnehmer kaum Alternativen haben. Sind einmal gut 85 Prozent des gesamten Lebensmittelhandels in der Hand dreier Konzerne, wird der Spielraum gering. Zumal diese auch im Großhandel und im benachbarten Ausland als Kunden die Fäden ziehen.

Doch dass Landwirte unter der Preispolitik der Handelskonzerne, die oft nicht ihre realen Kosten abbilden, ächzen, ist nichts Neues. Milch etwa, die aus Sicht vieler Bauernvertreter nun das Fass zum Überlaufen bringt, war vor Jahren weit günstiger als jetzt – ohne dass sich die Politik energisch ins Geschehen einmischte. Was diese im Übrigen auch nur selten bei anderen Rohstoffen wie Getreide, Obst oder Gemüse zu tun pflegt.

Warum also nun ihr Aufruf zu Protesten? Zum einen sind Landwirte damit in guter Gesellschaft. Ob in Spanien oder Deutschland – europaweit macht die Branche in Demos auf sich aufmerksam. Sie fürchtet, zwischen den steigenden Auflagen und zugleich sinkenden Preisen zerrieben zu werden. Allein in Österreich gaben im Vorjahr 4,5 Prozent aller Milchbetriebe auf, zeigen die jüngsten Statistiken des Verbands der Molkereiwirtschaft. Das ist deutlich mehr als in den Jahren zuvor.

Keine Schrotschüsse

Abseits von Europa ein Blick in regionale Gefilde: In Niederösterreich stehen Landwirtschaftskammerwahlen an. Der Bauernbund muss Farbe bekennen, sonst überlässt er das Feld anderen. Milch erweist hier als emotional aufgeladenes Produkt gute Dienste.

34 Cent netto erhalten Erzeuger dafür derzeit ohne Zuschläge wie Bio. Das ist etwas weniger als in Deutschland. Wobei beim Ländervergleich auch zu berücksichtigen ist, dass Österreichs Betriebe kleiner sind und damit weniger kosteneffizient arbeiten. 20 Milchkühe zählen Bauern hierzulande im Schnitt ihr Eigen, in Deutschland sind es 70. Dazu kommen teils strengere Auflagen rund um Gentechnik und Tierwohl, die direkte Preisvergleiche relativieren.

Milch wird preislich von Mineralwasser und Energydrinks um Längen geschlagen. Die Bauern begehren auf.
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Warum gerät Spar ins Visier des Bauernbunds? Schrotschüsse ins Blaue haben in der Regel weniger Wirkung als ein gezielter Angriff. Und Spar bietet den Bauern dafür gute Projektionsflächen. Der Konzern verhandle Preise gern mit der Brechstange, erzählen Branchenkenner. Bei zusätzlichen Auflagen für Lieferanten sei er fleißig, mehr zahlen wolle er dafür nicht. Fordert Spar-Chef Gerhard Drexel in der Öffentlichkeit dann auch noch von den Bauern mehr Dankbarkeit für sein Wirken ein, brennen bei vielen die Sicherungen durch.

Wie ein Feudalherr führe sich Spar auf, beklagt der Bauernbund. Das Landwirtschaftsministerium ortet bei den Preisen Missbrauch von Marktmacht. Juristisch festzurren lässt sich dieser allerdings schwer: Lieferanten füttern die Wettbewerbsbehörde nicht gerade mit stichhaltigen Beweisen.

Spar selbst wiederum sieht sich als Opfer, als Ventil, an dem sich der Frust der Bauern über sinkende EU-Förderungen bis hin zum Brexit auslasse: Nicht der Handel, sondern die Politik müsse strukturelle und systemische Probleme der Landwirtschaft lösen.

Politik der Überschüsse

Drexel hat damit nicht unrecht. Ob bei Fleisch und Milch: In der Landwirtschaft dominiert eine Politik der Überschüsse. Auf sinkende Preise wurde vielfach mit noch größerer Produktion reagiert.

Das entlässt ihn aber nicht aus seiner Verantwortung, sagen die Bauern. Rund um Milch fließen etwa knapp zehn Prozent der in Österreich erzeugten Mengen an seinen Konzern. Das ist kein Kinkerlitzchen. Schaltet Spar bei seinen Preisverhandlungen auf stur, bringt das nicht zuletzt alle anderen Händler unter Zugzwang.

Auch ist Österreich keine Insel. Ein offener Markt steht im internationalen Wettbewerb. Milch etwa, für deren Produktion sich die Kulturlandschaft hierzulande anbietet, wird gut zur Hälfte exportiert. So verlockend der Zug zum Regionalen auch aus Gründen des Klimaschutzes ist: Nicht alle können darauf aufspringen. Vice versa greift nämlich auch der Handel, so stark er sich zu österreichischer Wertschöpfung bekennt, gern auf Importware zurück.

Er stellt diese mittlerweile zwar seltener in die Auslage. In seine Eigenmarken findet sie aber ebenso breiten Eingang wie in Märkte für große Verbraucher für Gewerbe und Gastronomie. Spar führt mit Rewe und Hofer einen Kampf um jeden Konsumenten. Und für viele unter ihnen zählt in erster Linie weiterhin der Preis. (Verena Kainrath, 26.2.2020)